Veröffentlicht: 09.06.2025
Bei sonnigem Wetter radeln wir raus aus Aberdeen und hoffen, dass das gute Wetter anhält. Die ersten 10 km sind auf Radwegen parallel zu den stark befahrenen Hauptstraßen Richtung Norden. Schon hier ist der Weg mit der nationalen Route 1 gut ausgeschildert und wir können der Beschilderung bis Portsoy folgen. Wir wechseln nun auf einen gut ausgebauten Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse. Der Weg steigt leicht an, gesäumt von zahlreichen Ginsterbüschen und begleitet von vielen Karnickeln, die rechts auf dem Gebüsch auftauchen und auf der anderen Seite wieder verschwinden - oder umgekehrt. Wir kommen gut voran und sind am Mittag nach einem ersten Regenschauer beim Haddo House, über viele Jahrhunderte Landhaus der Earls of Aberdeen. Eine bemerkenswerte Zeit in der Geschichte des Hauses war der Zweite Weltkrieg, als es als Geburtsklinik für aus Glasgow evakuierte Frauen diente. Bekanntlich wurden fast 1200 Babys im Haddo Emergency Hospital geboren und manche der „Haddo Babies“ kommen heute noch auf Besuch.
Wir radeln weiter durch die wenig besiedelte Landschaft, vorbei an den Weiden mit Schafen und Rindern, beide wichtig für den Export. Bis Maud fahren wir wieder auf einer Bahntrasse, doch auf dem Weg nach Turiff geht es ständig in nicht enden wollenden Anstiegen bergauf - und der nächste Schauer macht die Sache noch anstrengender. In Turiff folgt der nächste Schauer, vor der wir uns in ein Tea House retten und uns bei einem scone stärken. Die Besitzerin, die am Nebentisch die Buchhaltung macht, erzählt uns von anderen Radfahren und von ihrer Vorliebe für AC/DC. Im August fährt sie zum Konzert nach Aberdeen, hätten wir ihr bei ihrer Statur nicht zugetraut. Sie ist auch ein gutes Beispiel für die Freundlichkeit, die Offenheit und den Humor der Schotten, wie wir dies bisher erfahren haben.
Für heute war fest eine Übernachtung im Zelt geplant, doch nach dem Regen und den gesunkenen Temperaturen buchen wir ein Hotel in Portsoy. Dort kommen wir nach anstrengenden 112 km um 18.30 Uhr an. Wir sind sehr zufrieden, dass wir diese anstrengende Tour am ersten Radtag geschafft haben.
Am Morgen ist es trocken und teilweise sonnig, doch sind für den weiteren Verlauf des Tages längere Regenabschnitte zu erwarten. Es liegen lange 120 km vor uns - also gleich die nächste große Herausforderung. Am Schluss werden es sogar 130 km sein, was daran liegt, dass wir von der geplanten Strecke abweichen - sollten wir nicht tun! Wenigstens gab es keinen Regen.
Die ersten 20 km fahren wir an der Küste entlang oder nahe der Küste. Dadurch haben wir schöne Ausblicke auf Strände, kleine Häfen und die Nordsee. Wir kommen durch typische Küstendörfer wie Cullen, Portknockie, Findochty oder Buckie mit den eingeschossigen Steinhäusern und den engen Gassen. Schon auf diesem kurzen Stück kommen wir an vier Golfplätzen vorbei, insgesamt sind es in Schottland derer 550. Man merkt also, wo der Golfsport erfunden wurde. Danach führt der Radweg etwas weg von der Küste entlang von Weiden mit Rindern, Schafen und Pferden. Außerdem gibt es Felder mit Gerste bis zum Horizont, wichtig für die Herstellung des Single Malt. In Elgin machen wir kurz Halt an der Ruine der Kathedrale, die einst eine der größten Kirchen Schottlands war und als „Lantern of the North“ bezeichnet wurde. Sie ist auch als Ruine noch sehr beeindruckend. Alexander Stewart, der Wolf von Berdonoch, überfiel im Streit mit dem Bischof die Stadt und brannte die Kathedrale Ende des 14. Jahrhunderts nieder. Wir stellen bei einem Kaffee fest, dass wir bis Elgin zu lange gebraucht haben und immer noch 80 km vor uns liegen. Die nächsten 40 km bis Nairn sind weitgehend flach, wir kommen doch leicht verspätet zum 4-Uhr-Tee in den Küstenort, in dem schon Charlie Chaplin seine Sommerurlaube verbrachte. Wir haben keine Zeit zur Erholung, liegen doch noch 40 km und drei steile Anstiege vor uns.Die damit verbundenen Anstrengungen werden belohnt, bieten sich uns doch wunderschöne Ausblicke auf die Berge am Horizont und die Moray Bucht nördlich von Inverness. Wir kommen auch vorbei am Culloden Viadukt, mit 550 m der längste Eisenbahnviadukt Schottlands. Gemäß dem Motto 'So weit die Beine treten ' geben wir alles und erreichen nach 130 km erschöpft aber zufrieden die Unterkunft in Inverness.
Was bleibt noch zu tun nach solch einem Radtag? Trinken, Essen, Blogschreiben, Schlafen...
Am Morgen machen wir noch einen Rundgang durch die Hauptstadt der Highlands, in der jährlich die Inverness Highlands Games stattfinden. Schutzherrin war die Queen, die es sich nicht nehmen ließ, jedes Jahr die Spiele von ihrem Sommersitz Balmore Castle aus zu besuchen. Die Stadt hat außer Geschäften, vor allem Souvenirläden, Pubs und Restaurants wenig zu bieten. Am bekanntesten ist noch die neugotische Kathedrale
Wir machen uns auf den Weg nach Newtonmore mitten in den Highlands. Gleich an der Stadtgrenze erwartet uns ein erster langer Anstieg, bei dem wir 200 hm machen. Oben angekommen erleben wir auch die erste Überraschung, ein Feldweg neben der Autobahn endet plötzlich. Komoots Planung geht davon aus, dass wir parallel zur gut befahrenen Autobahn radeln. Es gibt aber keinen Standstreifen und auch keine Alternativen. Der nationale Radweg 7, der Inverness mit Glasgow verbindet, wird wohl anders geführt. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns, die 3 km bis zur vorgeschlagenen Abzweigung die Räder auf dem Grünstreifen zu schieben. Im Örtchen Daviot können wir an einer Bushaltestelle tatsächlich die Autobahn überqueren (!!). Auf der anderen Seite erwartet uns die nächste Überraschung - Komoot führt uns auf einem Weg ganz steil hinunter zu einem Bach, über den eine Hängebrücke führt. (Singletrail!!) Wir tragen zuerst unser schweres Gepäck nach unten und dann die Fahrräder. Nach der Hängebrücke geht es zum Glück nicht mehr so steil nach oben. Also jetzt zuerst die Räder hoch bis zu einer Schafweide, dann das Gepäck geholt. Die Räder passen nicht durch den Durchgang und müssen drüber gehoben werden. Nun ist es nicht mehr weit zur Straße, wo wir auf den Radweg 7 treffen. Auf diesem bleiben wir bis Newtonmore. Es liegen noch einige Höhenmeter bis zum Pass auf 400 m vor uns. Bis Carrbridge geht es nun fast nur noch bergab. Es ist schon 15 Uhr als wir uns in einem Café stärken. Die weitere Fahrt führt auf gut ausgebauten Radwegen oder kaum befahrenen Nebenstraßen durch den Glenmore Forest Park, Teil des Cairngorms Nationalparks. Die Gegend ist wenig besiedelt, bietet herrliche Ausblicke auf die Berge und Täler, und die Natur beglückt uns. Bis Kirgussie zieht es sich, ständig fordern uns die kurzen aber heftigen Anstiege. Aber das haben wir von Schottland nicht anders erwartet . Es wird nun gegen Abend deutlich kühler, doch wir bleiben zum Glück von Regen verschont. Müde erreichen wir das Hotel in Newtonmore und freuen uns auf eine heiße Dusche.