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Tag 123-126 - Eulen nach Athen tragen

Veröffentlicht: 23.01.2019

Es ist jedes Mal etwas Besonderes, die Hauptstadt eines Landes zu besichtigen, durch das wir reisen. Auf Athen haben wir uns lange gefreut, denn die ohnehin schon spannende Vergangenheit Griechenlands ist hier auf geschichtsträchtigem Boden komprimiert.

Der Yacht- und Fischerhafen Mikrolimano.

In vier Tagen in Athen gab es daher viel zu sehen: wir waren im Altstadtviertel Plaka, in einigen Museen und Ausstellungen, an den Häfen von Piräus und natürlich auf der Akropolis. Ruinen, antike Stätten und andere bedeutende Orte gibt es in der Innenstadt wirklich an jeder Ecke.


Die 6 Kartyden tragen das Dach der Korenhalle des Erechtheions.


Da war es gut, dass wir in einer Ausstellung über Technologien der alten Griechen einen Überblick über die Tragweite der Forschung und Erkenntnisse der damaligen Zeit und deren Einfluss auf die heute noch erhaltenen Bauwerke bekamen.

Die Philosopie der griechischen Antike war eben nicht nur Philosopie, sondern auch Mathematik und Geometrie, Mechanik und Ingenieurskunst, Medizin, Physik, Biologie, Astronomie, Architektur und vieles mehr. Die griechischen Philosophen setzten sich zum ersten Mal ohne theologische Theorien mit der Welt auseinander und wollten natürliche Phänomene nicht nur beobachten, sondern auch erklären können. Dieser Ansatz bildet immernoch die Grundlage für jede Wissenschaft und es gelang den Griechen für die damalige Zeit herausragende Erkenntnisse zu gewinnen, die auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen und die einzelnen Fachbereich beeinflussen.

Mediziner zum Beispiel schwören bis heute den Hippokratischen Eid, Hippokrates war einer der ersten, der den Gedanken ablehnte, dass Krankheit eine göttliche Strafe ist.

Mit dem Satz des Thales und dem Satz des Pythagoras ist wohl jeder zu Schulzeiten im Matheunterricht einmal in Kontakt gekommen. Aber das Wissen blieb damals nicht nur bloße Theorie, sondern wurde geschickt auch im Alltag eingesetzt. So berechnete Thales von Milet mit Hilfe ihres

Schattens die Höhe der Cheops-Pyramiden und schon früh wurde versucht, die Abstände von Himmelskörpern zu bestimmen. Diese Beobachtungen waren so genau, dass die Griechen früh glaubten, die Erde sei rund und Aristarchus erfand als erstes ein Modell, in dem die Erde um die Sonne kreiste.


Ruinen der römischen Agora, links oben kann man Teile der Akropolis erspähen.


Aber auch über abstraktere, physikalische Probleme wurde nachgedacht. Erste Theorien zur Zusammensetzung der Materie waren die vier Elemente oder Aristoteles Ansatz, nachdem die Welt aus heiß, kalt, nass und trocken bestände. Leucippus und Democritus hatten die erstaunlich fortschrittliche Idee, dass Materie aus unsichtbaren Teilchen besteht, die im leeren Raum umherwandern und neue Körper und Universen formen. Das Wort „Atom“ kommt aus dem Griechischen - „a-toma“ bedeutet so viel wie unteilbar. Auch von der Schöpfung der Erde durch einen Gott wurde Abstand genommen, die Philosophen glaubten stattdessen, dass der Kosmos aus einer ersten Substanz wie zum Beispiel, Wasser, Feuer, Luft oder gar der Unendlichkeit entstanden sei (gar nicht so weit weg von schwarzen Löchern und dem Urknall, oder?).

Ganz irdische Probleme verlangten ebenso nach einer Lösung. Archimedes erfand die berühmte Archimedische Schraube, mit deren Hilfe man Wasser nach oben pumpen kann. Zur schnelleren und sichereren Übermittlung von Nachrichten ersannen die Griechen Techniken mit auditiven und visuellen Signalen und Code-Systemen. Eines der bekanntesten waren bemannte Türme zwischen Städten, auf denen ein Feuer angezündet werden konnte. So konnte eine vorher definierte Nachricht immer weitergegeben werden und in kurzer Zeit große Distanz zurücklegen. Man sagt, dass die Nachricht vom Fall Trojas Mykene auf diese Weise innerhalb einer Nacht erreichte.


Der berühmt-berüchtigte Parthenon oder besser was von ihm übrig geblieben ist.


Die fortschrittliche Architektur baute auf diesen mathematischen Kenntnissen und den entwicklten Technologien auf. Ihre Bauwerke waren Sinnbilder der Macht. Die Errichtung der Gebäude auf der Akropolis zum Beispiel demonstrierte die technische und intellektuelle Überlegenheit der Athener. Das Paradestück war der Parthenon mit seinem Marmor-Dach, den kunstvollen Bildhauereien und den einzeln abgestimmten Säulen, die nach oben hin etwas breiter werden und so dem Tempel ein noch größeres, imposanteres Aussehen verliehen. 

Die Akropolis gilt als das „Must-See“ in Athen, wobei zu sagen ist, dass viele griechische Städte eine Akropolis haben. Das bedeutet nämlich nur so viel wie „Hochstadt“ und war in der Regel eine Wehranlage auf einem nahe der Stadt gelegenen Berg. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Rolle der Festung eher zu einem Heiligtum, in dem verschieden Gottheiten verehrt wurden. Bei der Athener Akropolis war das nicht anders. Der 156 Meter hohe Felssockel, der nur von einer Seite her zugänglich ist, war prädistiniert für einen Burgberg. Über vier Jahrtausende standen dort Bauten mit verschiedensten Funktionen. Die ältesten Spuren auf der Akropolis stammen aus mykenischer Zeit (über deren Kultur wir ja im letzen Blogeintrag bereits einiges gelernt haben) etwa zwei Jahrtausende vor Christus. Damals stand auf dem höchsten Punkt der Palast des Königs. Danach entwickelte sich die Akropolis immer mehr zu einem Heiligtum für verschiedene Gottheiten, die mit Altaren und Statuen verehrt wurden. Im sechsten Jahrhundert vor Christus wurde schließlich der erste Tempel für die Göttin Athene errichtet, dem immer mehr Tempel und Heiligtümer folgten. Nach einer Niederlage gegen die Perser blieben davon allerdings nur Ruinen. Diese wurden lange Zeit als eine Art Mahnmal so belassen, bis 450 vor Christus, bereits während der Demokratie, die vier Bauten errichtet wurden, die wir auch heute noch auf der Akropolis bewundern können. In der politischen Landschaft gab es damals zwei Grundideen, die sich in der Neubebauung der Akropolis widerspiegeln. Der Parthenon und die Propyläen gelten als eher progressivdemokratische Bauwerke, Erechtheion und Nike-Tempel als konservativ-rückwärts gewandt. 


Der monumentale Eingangsbereich zur Akropolis, die Propyläen.


Diese Bauwerke gemeinsam mit dem Beule-Tor prägen maßgeblich das Bild, das wir heute von den letzten beiden Jahrhunderten der Antike haben. Nach diesem Idealbild sind und werden sie restauriert (viele Teile sind noch eine Art Baustelle), was nicht nur auf Zustimmung stößt. Kritiker bezeichnen die Akropolis als eine künstliche Ruine, denn in den letzen 160 Jahren wurde alles abgerissen, was nicht ins antike Bild passte. Vor noch 200 Jahren war die Akropolis eine lebendige Stadt. Im Parthenon stand eine Mosche mit Minarett, in den antiken Gemäuern befand sich ein Palast mit Harem, wo früher Ställe, Häuser und Gärten waren, ist heute nackter Stein, wo man heutzutage nicht mal ein belegtes Brot essen darf, lebten einmal Menschen und Tiere. Ob man diese radikale Restaurierung gut findet, bleibt jedem selbst überlassen. Zugegebener Maßen wirkt die Akropolis sehr atmosphärisch und das trotz strenger Aufseher mit Trillerpfeifen (Hallo, Freibadgefühl). 


Motive aus Athen, aufgenommen von der deutschen Besatzung.


Bei so viel Charme vergisst man leicht, dass Griechenland noch mehr Vergangenheit hat als die Antike. Im zweiten Weltkrieg zum Beispiel war Athen ab April 1941 von deutschen Soldaten besetzt, die sogar eine Hakenkreuz-Flagge auf der Akropolis hissten. Im Gegensatz zu Piräus wurde die Altstadt Athens nicht bombardiert und so blieben die historischen Gebäude erhalten. Eine Fotoausstellung in der römischen Agora stellte Aufnahmen deutscher Soldaten aus, die ganz „harmlose“, touristische Motive zeigen. Die Truppenbetreuung von Kraft durch Freude organisierte für die stationierten Soldaten Vorführungen in der Oper und im Theater, Konzerte im Oden von Herodes Attikus und drehte sogar Kinofilme in Athen. Eine berührende Ausstellung, die mich mit beklommenem Gefühl an das Fotoalbum denken ließ, dass mein eigener Urgroßvater während seiner Kriegszeit in Frankreich gestaltete. 


Jan vor dem Odeon Herodes Attikus und den vielen Häusern Athens.


Diese Erinnerung an den Weltkrieg lenkte unseren Blick aber auch erfolgreich auf das vielleicht größte Gut, dass die alten Griechen uns hinterlassen haben: die Demokratie. Auch in der aktuellen politischen Lage tut es manchmal Not, an die Wiege der Demokratie und was wir ihr zu verdanken haben, zurückzudenken. Wir finden es toll, dass daher alle antiken Stätten und Museen in Griechenland, die wir besichtigten, freien Eintritt für EU-Studenten boten (und das nicht nur aus finanzieller Sicht). 

In Athen entwickelte sich damals ein radikaldemokratischer Staat mit einer Volksversammlung, in der alle männlichen freien Vollbürger mitentscheiden und eigene Ideen einbringen durften. Es gab ein ausgeklügeltes Zufallssystem bei der Vergabe von Ämtern und gewählte Volksvertreter. Der „Platz der Verfassung“, also der Sintagma-Platz, an dem auch das griechische Parlament liegt, wird heute noch (zusammen mit dem Grab des unbekannten Soldaten) feierlich rund um die Uhr vom griechischen Militär bewacht. Ein schönes Symbol, auch wenn die bunten Uniformen, die Puschel auf den Schuhen der Soldaten und das ballettartige Ritual beim Wachwechsel der Sache ein bisschen die Ernsthaftigkeit nimmt. 


Die Schrittfolge der Wachablösung wäre uns zu kompliziert..


Alles in allem ist unser Fazit für Athen durchwachsen. Vielleicht waren unsere Erwartungen nach all den Lobeshymnen etwas zu hoch, aber abseits der Akropolis wirkten Straßen und Häuser häufig wenig ansprechend. Es war sicher auch unserer Unterkunft geschuldet, dass wir uns in Athen nicht wirklich wohl fühlten. Wir hatten Angst, Gretchen in so einer großen Stadt tagsüber unbeaufsichtigt zu lassen und standen daher so lange wie noch nie auf einem Campingplatz. Das war nicht nur teuer, sondern auch ziemlich unpraktisch, da wir immer erst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fahren mussten (außerdem waren die Besitzer ziemlich unfreundlich). Wobei man sagen muss, dass Autofahren in Athen zwischen all den verrückten Überholmanövern und Rollerfahrern ohne Helm auch keine Freude ist. 


Blick von der Akropolis über Athen, links liegt die römische Agora.


Die Akropolis selbst war so beeindruckend wie angenommen, aber die restlichen Ruinen, die wir besichtigten, unterschieden sich nicht so sehr von anderen in Griechenland. Vielleicht haben wir mittlerweile auch einfach schon zu viele davon gesehen und tun uns schwer, Informationen aufzunehmen. Wir sind schon so lange unterwegs und ich glaube, unser Speicher für neue Eindrücke ist langsam voll – nicht nur für Ruinen, sondern auch für alles andere. Trotz allem haben wir (wie ihr vielleicht im oberen Teil gemerkt habt) einiges gelernt. Nach fast fünf Monaten unterwegs merken wir langsam, dass Reisen und Sightseeing auch ziemlich anstrengend sein kann und wir freuen uns beinahe darauf, uns Zuhause zu „erholen ". 


Es liegen noch gute drei Wochen vor uns, die wir so entspannt wie möglich verbringen wollen. Eine Insel wie Kreta erschien uns dafür genau richtig und so setzten wir gemeinsam mit Nico und Johanna nachts mit der Fähre über. Strand wir kommen. 


Bis dahin, heureka on! 

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