Veröffentlicht: 02.09.2023
Nach sechs gemeinsamen Wochen quer durch Tschechien, Slowakei, Ukraine und Rumänien bin ich plötzlich allein unterwegs. Wir wussten von vorn herein, dass Kathleen nochmal nach Deutschland zurück muss, einfacher hat es den Abschied aber nicht gemacht.
In der Zeit, bis wir uns in Istanbul wiedersehen werden, bin ich auf dem E3 zwischen Reşiţa und dem Eisernen Tor, wo die Donau zwischen Serbien und Rumänien durch die Karpaten bricht, unterwegs. Hier kommt das Zelt wieder zum Einsatz und nach den ersten beiden Tagen bis ich sehr gespannt, welche neuen Bekanntschaften ich bis Orşova noch machen werde.
Tag 1: Aus dem Nachtzug auf die Via Transilvanica
Da ich nur 10 Tage Zeit für knapp 190km habe, stürze ich mich aus dem Nachtzug um 8:00 Uhr in der früh gleich auf den Weg nach Süden – also nachdem ich mich mit allen nötigen Vorräten eingedeckt und natürlich an der kleinen Bäckerei für ein ordentliches Frühstück Station gemacht habe. Ein freundlicher Rumäne fängt mich am Stadtrand von Reşiţa erstmal ein als ich – mit Blick auf die Wanderapp – vergeblich nach dem Aufstieg suche. Er erklärt mir, dass es einen viel besseren Weg gibt, führt mich 300m zurück und lässt mich mit besten Wünschen am Fuß einer steilen Betontreppe zurück – mir schwant Böses. Nach den ersten beschwerlichen 100 Höhenmetern, wurde ich mit einem Ausblick auf Reşiţa belohnt, bevor es dann weiter und weiter bergauf ging, zum Glück jetzt deutlich weniger steil.
Nach einer Weile wurde ich von der Via Transilvanica überrascht, die mir bis zu Beginn des zweiten Tages mit ihren kunstvoll gestalteten Wegsteinen den Tag versüßen sollte.
Ich hatte keine genaue Vorstellung davon, wo ich heute mein Zelt aufschlagen will, ich hatte mir vorgenommen ca. die Hälfte der 40km bis Anina zu schaffen. Um so erfreuter nahm ich den Hinweis eines Parkrangers auf, der mir sagte, dass man vor der Höhle Peştera Cormanic schön zelten könne und es da gutes Wasser gäbe. Vom vielen Schotter auf den Wegen brummten die Füße zwar schon ordentlich, aber das klang dann doch so verlockend, dass ich noch ein gutes halbes Stündchen mehr drangehangen habe.
Tag 2: Auf dem Bahndamm über Stock und Stein
An der Peştera Cormanic bin ich auf dem E3 angekommen. Zur Freude meiner Beine schien er über einen alten Bahndamm zu führen, was wenige Höhenmeter und keine steilen Auf- oder Abstiege versprach. Da der Bahndamm, der, wie ich später erfahren sollte, über hundert Jahre alt ist, jedoch seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt wird, haben herabgestützte Felsen und umgekippte Bäume über viele Kilometer einen Hindernisparcours gebildet – wenn man seinen gesamten Hausstand auf dem Rücken hat (ich fühle mich gelegentlich wie ein laufender Gemischtwarenhandel) ist das natürlich eine besondere Freude. Hinzu kamen vier Flussquerungen: drei davon weniger als knöcheltief und eine in ca. 20m Höhe über eine alte Bahnbrücke, von der lediglich das Metallskelett verblieben war: ein 15cm breiter Stahlträger zum laufen und das Geländer gerade außer Griffweite.
Kurz vor Anina führte der E3 dann vom Bahndamm auf eine Schotterstraße. Als ein vorbeifahrender Kleinwagen anhielt und der Fahrer fragte, ob er mich die 2km bis Anina mitnehmen könne, habe ich nicht lange überlegt und die Kraxe neben den in Osteuropa allgegenwärtigen Rasentrimmer in den Kofferraum gepresst.
Anina gab sich schnell als ehemaliger Bergbauort zu erkennen. Als Erzgebirger erkennt man Fördertürme, Kauen und Abraumhalden schon von Weitem. In meiner Unterkunft lernte ich noch einen alten Bergmann (oder Kumpel) kennen, der mir bei dem einen oder anderen Bier viel über die Geschichte des Ortes erzählt hat. Bis zu einer tödlichen Methanexplosion untertage wurde hier Steinkohle gefördert. 2006 war der Bergbau hier plötzlich beendet. Von einst ca. 22.000 Menschen leben heute lediglich noch gut 5.000 in der Stadt. Der Bergmann ist auch weitergezogen, lebt heute in Österreich, kommt aber jedes Jahr zu Besuch hierher. Früher hatte er mit seiner Familie hier ein kleines Haus. Aktuell sucht er nach einer Wohnung, denn für ihn steht fest, er will hier in Rumänien die letzten Tage seines Lebens verbringen.
Robert