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Durch die Mitte Deutschlands

Veröffentlicht: 18.05.2020

Mein eigentlicher Plan für 2020 war:

Job kündigen und einen Sommer komplett genießen: viel reisen, Berlin im Sommer erleben.

Geplant waren eigentlich ein Osterurlaub in Andalusien,

eine Radtour nach Riga,

ein Segeltörn in Kroatien,

Sommerurlaub in Georgien (zweiter Versuch, nachdem wir den Plan im letzten Jahr wegen meines Unfalls nicht umsetzen konnten) und als Abschluss noch

eine mindestens 2monatige Reise nach Peru und Bolivien zusammen mit Anna, wenn sie ihr Abitur in der Tasche hat.

Na ja, gekündigt habe ich: nach über 11 Jahren hatte ich Ende März meinen letzten Arbeitstag. Trotzdem hätte der Zeitpunkt der Kündigung nicht schlechter gewählt worden sein in den letzten 75 Jahren, danke Corona! Nun gut, Spanien ist ausgefallen und die Radtour kann auch nicht stattfinden. Zudem sind seit März alle Grenzen zu und touristische Übernachtungen waren lange verboten auch innerhalb des eigenen Landes.

Also habe ich mich entschieden, ein Wohnmobil zu kaufen: das letzte haben wir 2014 verkauft und es wird mal wieder Zeit. Außerdem weiß niemand was man wann und wo machen kann. Lockerungen fangen jetzt ganz langsam an und mit dem Wohnmobil ist man unabhängig, flexibel und autark.

Aber auch mit dem Wohnmobil darf man die Republik nicht verlassen, also wohin? Die Frage war schnell beantwortet: das grüne Band hatte mich Schon lange fasziniert, aber mit welchem Gefährt kann man es bereisen? Mit dem Fahrrad ist es zu hügelig, mit der Schwalbe bekommt man sofort Bandscheibe, also ist Wohnmobil das perfekte Gefährt. Wir feiern seit 1989 den Mauerfall, aber das ist ja nur der kleinste Teil: nicht nur Berlin, ganz Deutschland war getrennt und zwar so, dass niemand auch nur ansatzweise diese Grenze passieren konnte, der nicht durfte. Neben Deutschland war eigentlich an dieser Stelle ganz Europa getrennt; und diese beknackte Trennlinie verlief quer durch unser Land, fast 1500 Kilometer weit. Als Wessi hatte ich mit der DDR und der innerdeutschen Grenze so gar keine Berührungspunkte.

Dankenswerterweise hat sich der BUND nach der Wende dieser Grenze angenommen und versucht, ein zusammenhängendes Naturschutzgebiet daraus zu machen und die touristische Nutzung zu ermöglichen. Denn die Grenze hat dafür gesorgt, dass sich auf einer ziemlichen Länge und auf 500 Meter Breite die Natur ungestört entfalten konnte, das grüne Band gehört zu den artenreichsten Regionen Europas.

Das mit der touristischen Erschließung hat wohl nicht ganz so gut geklappt, zumindest gibt es sehr wenig Literatur zum grünen Band und ein richtiges Band ist es auch nicht, denn es ist nicht durchgehend begehbar geschweige denn befahrbar.

Ok, nachdem also das Wohnmobil endlich abfahrbereit war, ging es los. Ziel war Ebmath an der tschechischen Grenze. Das ist zwar nicht innerdeutsch, aber die DDR hat der Grenzbemühungen ihres tschechischen Bruderstaates wohl nicht ganz ausgereicht und so fingen sie schon auf böhmisch/sächsischer Seite an, den Todesstreifen anzulegen.

So kam ich endlich nach über 300 Kilometer in Ebmath an. Hier soll das grüne Band losgehen und zwar hinter dem Dorf am Grenzfluss zu Tschechien. Na ja, Ebmath war zwar ein netter Weiler, aber natürlich nix zu sehen vom Wanderweg/Radweg grünes Band.

Stattdessen kommt man zum „Grenzfluss“, das sah so aus wie auf den Bildern zu sehen.

Ebmath
Schwammbach
na ja, weiterfahren und Schlafplatz für das Womo suchen: in Pabstleithen bin ich fündig geworden auf dem Parkplatz vor der Waldklause.

Dort habe ich dann noch einen Radweg gefunden:

Idyllisch aber nach ehemaliger Grenze oder gar Todesstreifen sah das jetzt nicht aus: immer wieder kleine Weiler, sanfte Hügel und Felder voller Raps.

Einzig gelegentliche Gedenktafeln, Zeitungsausschnitte und Grenztürme erinnern daran, dass hier einmal die bestbewachte Grenze der Welt verlief.

Unterwegs kreuzten sich die Radwege und auch die Bundesländer. Der Grenzverlauf verlief in einem ziemlichen Zickzack Muster und so hatte ich flugs die Orientierung verloren ob ich denn jetzt in Sachsen oder schon in Bayern bin. Egal, Orientierung nach Himmelsrichtung wird schon gehen, ich muss ja nur irgendwie zurück zur Waldklause kommen, vor der das Womo parkt.

Plötzlich, mitten im Wald stehe ich aber im Dreiländereck, und der Weg zurück ging durch Tschechien, was Ja eigentlich gesperrt ist. Zum Glück nicht im Wald, und so ging es ziemlich querfeldein zurück nach Pabstleithen. Nach dem erneuten überschreiten der Grenze und zurück auf deutschem Boden sah ich es dann: der alte Kolonnenweg, Lochbeton auf dem die Grenzer damals patrouilliert haben, mittlerweile ziemlich überwuchert aber immer noch da, keine 50 Meter neben dem Weg. Ebenso die Fahrzeugsperren. Also Ein Graben, dessen einer Rand mit Beton ausgegossen war, damit auch ja keine Fahrzeuge über die Grenze fahren konnten. Heutzutage unvorstellbar, aber noch gar nicht so lange her, als das alles noch im Einsatz war. Um auch ja keinen Vogtländer in Versuchung zu bringen, hat man übrigens 1974 über 50 Höfe evakuiert und abgerissen, die waren zu grenznah.....

Dreiländereck

Sonntags morgens bin ich dann los zur nächsten Etappe: Hirschberg war das Ziel. Das Womo habe ich auf dem großzügigen Parkplatz hinter dem Ledermuseum abgestellt.

Hirschberg ist ein Ort an einer großen Saaleschleife, wunderschön gelegen. Zu DDR Zeiten allerdings gar nicht schön, denn der Ort wurde frühzeitig abgegrenzt, was u. a. Zur Folge hatte, dass 500 westdeutsche Beschäftigte in der dortigen Lederfabrik ihre Arbeit verloren. Mittlerweile ist die Saaleschleife Teil des Saale-Orla Wanderwegs, den ich mit dem Rad genommen habe.

Ich wollte die Saale entlang Richtung Mödlareuth, was ich auch gemacht habe, allerdings musste ich sehr viel schieben: sehr steile Abschnitte, wurzelige Waldwege und kilometerweiter Kolonnenweg mit Lochbeton. Trotzdem eine landschaftlich unfassbar schöne Gegend. Erstes Etappenziel war Mödlareuth. Davon hatte ich noch nie gehört; die Amerikaner hatten dieses kleine Dorf Little Berlin genannt, weil auch das durch die Grenze getrennt war: ein Teil lag in Thüringen, der andere in Bayern. Bis Kriegsende war das ziemlich egal, danach beanspruchte die DDR den östlichen Teil für sich und baute die Grenze unmittelbar an den Fluss, der das Dorf trennte. Das hatte offenbar eine ziemliche Anziehungskraft, zu Zeiten der Trennung Deutschlands kamen 50.000 Besucher jährlich um Little Berlin zu besuchen, darunter George Bush, Karl Carstens und sogar der Papst.

Das Ganze ist sehr anschaulich dokumentiert in einem Museum, das die alte Grenze noch ein Stück weit aufrecht erhält um den Irrsinn sichtbar zu machen.

Im Anschluss ging es weiter das grüne Band entlang bis Trogen und von dort zurück nach Hirschberg, zum Glück komplett Radweg und Straße, kein Lochbeton mehr. Leicht abseits des Weges liegt noch der Drei Freistaatenstein, wo sich Sachsen, Thüringen und Bayern treffen.

Wenn man Brandenburg zum Radeln gewohnt ist, ist das ewige auf und ab zwar schön anzusehen aber echt anstrengend.

Ein bisschen erinnert mich das fahren an die Anden: man ist zwar ewig unterwegs, macht aber wenig Strecke.

Am Womo angekommen, lecker gekocht und entschieden, morgen noch eine Tour von Hirschberg aus zu machen: die Saale weiter in die andere Richtung bis zum sagenumwobenen Höllental.

Gesagt getan, am nächsten Tag ging es nach dem Frühstück los, vorbei an einer alten Papierfabrik direkt am Saaleufer mit ziemlich vielen Steigungen und Abfahrten, zu großen Teilen wieder auf dem Kolonnenweg. Zwischendurch kam ich am Wanderdrehkreuz in Blankenstein vorbei, wo sich gleich 5 Wanderwege kreuzen, unter anderen der Rennsteig. Auch eine Aussichtsplattform über das Saaletal bei Pottinga liegt auf dem Weg und lädt zum Pause machen ein um die tolle Landschaft zu geniessen.

Und plötzlich steht eine alte Eisenbahn vor mir: der Eingang ins Höllental. Das vorgelagerte Bergbaumuseum Friedrich Wilhelm Stollen war leider geschlossen. Das durchfahren des Höllentals war nochmal ein Highlight: eine 170 Meter tiefe Schlucht, in deren Mitte die Selbitz fließt.

Aussichtsplattform Pottinga
Saaletal

Kehrt gemacht und zurück zum Womo. Die Tatsache, dass ich immer zum Auto zurück muss, also quasi Rundtouren mache, führt dazu, dass ich nur langsam vorankomme. Also wird der Nachmittag genutzt um einzukaufen und Strecke zu machen. Nächste Station ist Neuhaus Schierschnitz.

Der Weg durch die Schiefergegend ist wirklich toll aber danach wird die Gegend bewohnter mit einer Menge Industrie, also nix mit Idylle. Also fahre ich nach drei Tagen mal einen richtigen Womo Stellplatz an. Strom und Wasser auffüllen und ablassen ist auch ganz gut!

Dienstag, 19.Mai:

Heute ging es hinter dem kleinen Ort Bächlein ab zur Grenze: diese war gar nicht mehr zu erkennen, ich war mitten auf einer Wiese, die Bayern und Thüringen trennt,

Landesgrenze Bayern - Thüringen

sie führte in einen Wald in dem man dann noch den Grenzstreifen erkennen konnte, aber erstaunlich wie sich die Natur zurück entwickelt, meterhohe Bäume sind entlang des Todesstreifens gewachsen.

Kolonnenweg back to nature

Nach einiger anstrengender Zeit wurde der Kolonnenweg wieder normal begehbar und war auch als Wanderweg ausgeschildert, aber wie gestern sehr viel auf und ab, was nicht besonders angenehm mit dem Fahrrad ist.

In Liebau bin ich dann ein Stück auf den mehr oder weniger parallel verlaufenden Fahrradweg ausgewichen. Liebau war ein Ziel, das wieder mal den Irrsinn der DDR aufzeigt: ein kleines Dorf an der Grenze, das 1952 evakuiert werden sollte und alle Bewohner sollten ins Landesinnere umgesiedelt werden. Der Bürgermeister hatte das allerdings rausbekommen und so entschloss sich das komplette Dorf zur Flucht in den Westen, noch in derselben Nacht. 1975 wurde das Dorf dann komplett abgerissen, nun erinnert lediglich ein Gedenkstein daran, zu sehen ist von Liebau nichts mehr.

Weiter ging es dann zum Froschgrundstausee, über den höchsten Berg der bisherigen Tour....

Von dort bin ich zurück zum Stellplatz nach Mitwitz, längster Teil bislang, ca. 70 km. Achja, in Neustadt bei Coburg habe ich Rast gemacht, die bislang hässlichste Stadt Bayerns....

Mittwoch ging es dann erstmal in die Werkstatt und in den Campingshop, neuer Wasserhahn für die Spüle eingebaut. In Bad Rodach habe ich Halt gemacht und von dort weiter auf und ab die ehemalige Grenze abgefahren, hier ein paar Impressionen:

Grenzmauer in Görsdorf
Grenzturm

Im idyllischen Heldburg habe ich die Nacht verbracht mit Blick auf die Veste Heldburg. Die habe ich dann morgens besichtigt:

Veste Heldburg

Danach ging es weiter mit dem Womo um etwas Strecke zu machen; am deutsch deutschen Freilichtmuseum vorbei, Badestopp und anbaden inklusive

Am Womo Stellplatz Seeba habe ich halt gemacht, etwas abseits vom grünen Band aber sehr idyllisch.

Abendbrot
Von dort aus ging es in die Rhön. Die Landschaft ist weiterhin traumhaft schön, aber der Weg entlang der Grenze war recht kompliziert und so habe ich mich fürchterlich verheddert. In einem extrem zugewachsenen und steil abwärts führenden Teil des Kolonnenwegs habe ich mich dann so festgefahren, dass meinem Vorderreifen die Luft ausging. Und das 15 km vom Womo entfernt ohne ÖPNV geschweige denn Taxi. Nach 2 km Schieben und arg depressiver Grundstimmung kam mir zum Glück ein Wandererpärchen entgegen und der Mann nahm mich mit zu sich nach Hause und hat mich inklusive Fahrrad zum Womo gebracht; was ein Glück!!!
Leider hat das flicken nicht funktioniert und der Ersatzschlauch war auch hinüber. Zu allem Übel fing es auch noch an zu regnen, so dass ich mich recht früh in meine rollendes Heim verziehen musste, wo ich recht schnell eingeschlafen bin.....
Am Samstag früh bin ich dann aufgebrochen nach Meiningen. Ein nettes kleines Städtchen in dem ich mich mit allem versorgen konnte.
Trotzdem wollte ich noch die ganzen Hotspots der Langen Rhön sehen und so bin ich per Womo zum Ellenbogen gefahren, einem spektakulären Aussichtspunkt auf über 700m, wo ich dann auch mein Fahrrad wieder auf Vordermann gebracht habe.
Die Rhön zeigte sich aber wohl typisch: Rauh, windig und, zumindest vormittags, verregnet. Und auf 700 m ist es auch Ende Mai recht frisch....
Nach dem Besuch auf dem Aussichtsturm bin ich dann doch noch über die Höhenzüge der Rhön geradelt, über ein weiteres Mahnmal mit Grenzturm bis hin zum schwarzen Moor, inklusive Rundweg. Ist ein richtig schönes Mittelgebirge, zwar auch immer auf und ab aber wesentlich weniger steil als im vorherigen Teil der Route.
Zurück bin ich dann recht viel Kolonnenweg gefahren, also richtig Grenze und Gerüttel. Dann ging es mit dem Womo zum nächsten Ziel: Tann. Übrigens bereits in Hessen, also das nächste Bundesland liegt an. Ein sehr schöner kleiner Ort mit Burg und Freilichtmuseum mitten in der Stadt. Direkt am Ortsrand ist sogar ein Womostellplatz, allerdings der lausigste der bisherigen Tour....


Aussichtsturm Ellenbogen, Rhön
Schwarzes Moor

Hier geht’s zu Teil 2 der Tour:

https://vakantio.de/das-grune-band/das-grune-band-woche-2








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