Veröffentlicht: 06.04.2023
Das Wochenende steht vor der Tür und damit ist endlich wieder Flohmarktzeit. Nach monatelanger Winterabstinenz liegt es nahe, die Saison in Frankreich zu eröffnen.
Für die wunderbaren vide-greniers in den kleinen Dörfern ist es leider noch zu früh im Jahr, aber hier und da gibt es den marché aux puces und das ist auch nicht zu verachten.
Schon am Freitagabend führt uns deshalb die Reise mit einem klitzekleinen, ungeahnten Umweg durch den Gorge de la Nesque zum Aerodrome nahe Carpentras, um nicht am nächsten Morgen wertvolle Zeit mit einer Autofahrt oder schlimmer, mit der Parkplatzsuche für unser 12 Meter langes Gespann zu vergeuden.
Dort angekommen, müssen wir jedoch feststellen, dass nicht konkret auszumachen ist, wo genau der Flohmarkt stattfinden wird.
Verbringen wir nun die Nacht auf dem Parking des kleinen Flugplatzes, kann es passieren, dass uns Morgens um 5:00 Uhr die ersten Händler erbost von ihrem Areal verscheuchen. Wo Besucher parken können, wird uns ebenfalls nicht klar.
Also stellen wir uns auf eine Ausweichfläche zwischen den beiden Zufahrtsstrassen, wo das Chateau auch am nächsten Tag stehen bleiben kann. Mit dem Verkehrslärm, der nur zwischen 3:00 und 5:00 Uhr Nachts aufhört, werden wir nun schlafen - Ohrenstöpsel rein und gute Nacht! Für den Flohmarkt müssen eben Opfer gebracht werden.
Am Morgen sehen wir dann ein wenig gerädert, dass die Stände im Schatten immergrüner Steineichen aufgebaut sind und wir ohne Weiteres auf dem Aerodrome-Gelände hätten nächtigen können.
Am Sonntag lockt ein großer Puces in Orange. Allerdings ziehen wir uns für diese Nacht in die unsagbare Stille der Baronnies zurück. Wir wollen schließlich ausgeschlafen und verhandlungsfit sein.
Schon am frühen Morgen weckt uns ein strammes Lüftchen, das um den Wohnwagen bläst. Bis wir in Orange ankommen, hat sich dieses in einen ausgewachsenen Mistral gemausert. Der listige Nordwind wirbelt so manchen Stand durcheinander und Händler wie Besucher eilen davonfliegenden Schätzen hinterher.
Ich kaufe bei Madame ein paar rotgestreifte Espandrillos. Das heisst, erst mal nur einen, den zweiten hat sie gut versteckt, damit niemand auf unlautere Ideen kommt und möglicherweise vergisst, den Euro dafür zu bezahlen. Während sie bemüht ist, sich daran zu erinnern, wo der linke Latsch untergekommen sein könnte, wirbelt der Sturm diverse Artikel wie aparte Seidentücher, bunte Plastikschüsseln oder glitzernde Sammelkarten von ihrem Tisch. Nachdem wir etwa 10 Minuten gemeinsam ihre Kostbarkeiten immer wieder eingesammelt haben, findet sie den anderen Sommerschuh dann auch in einer Tüte unter dem Stand.
Heute verkürzt der Mistral den Shoppingspaß immens, schon vor der Mittagszeit geben die Menschen auf, niemand hat mehr Lust den schönen Dingen hinterherzuhetzen. Beim Einpacken haut ein Campingtisch einer Händlerin eine fette Beule in den weißen Kleintransporter. Ob sich der Vormittag nun noch für sie gelohnt hat?
Wir wollen aber heute noch ans Meer. In mir entstehen leise Zweifel, ob der Weg bei Windstärke 6 mit Böen um die 80km/h wirklich sinnvoll ist. Wir haben Mistral am Strand in der Camargue schon erlebt, da kann schon mal das Blech wegfliegen.
Egal, beim letzten Spaziergang an die Rhonemündung hatten wir keinen Platz für Strandbeutegut
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und Mückenüberfälle sind bei diesen Wetterkapriolen nicht zu befürchten.
Natürlich haut uns der Orkan bei der Ankunft am Strand den Sand nur so um die Ohren, in die Augen und in alle Ritzen. Das Chateau wird gerüttelt und geschüttelt und wir beschließen, für die Nacht näher an die Dünen zu fahren, wo wir uns etwas mehr Schutz versprechen und sich bereits diverse Camper versammeln.
Und klar, es steht ja auf dem Tourplan: eine klitzekleine Stelle auf der Piste ist nicht so festgefahren wie der Rest und der Kangoo wühlt sich in den Sand ein. Eigentlich nicht schlimm, nur die Auflaufbremsen des Wohnwagens verklemmen sich beim Rückwärtsfahren und verhindern damit die Weiterfahrt. Och nööö.
Also aussteigen und im Sturmwind den Caravan abkoppeln. Neugierig beäugen uns die umliegenden herumsitzenden Wohnmobilisten. Herr Mega-Concorde aus dem Riesensuperluxuswohnmobil ein paar Meter entfernt, ist aber schon mit gutem Rat zur Stelle. Und auch mit Tat, er schiebt und buddelt mit und als alles nichts hilft, holt er hilfsbereiterweise den Hammer und haut mal fix auf die Felgen unseres Wohnwagens, nicht ohne Kommentar, dass das alles ja gepflegt sein muss. Zappa ist Kavalier und schweigt stille - denn der hilfsbereite Rentner kann ja nicht wissen, dass die Bremsen vor Fahrtantritt allerfeinst überholt wurden.
Zwei Damen gesellen sich später noch dazu, aber wir beheben das Problem locker zu dritt: einmal den Caravan vorn an der Deichsel angehoben und die Räder zwanzig Zentimeter über die Hochachse hin und herbewegt und schon dreht sich wieder alles wie frisch geschmiert.
Wir haben den Kangoo schon aus ganz anderen Löchern befreit, ganz zu schweigen vom Chateau
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Herr Mega-Concorde bemerkt noch im breitesten Schwäbisch, dass er schon darüber staunt, dass die Herren vor ihren Wohnmobilen weiter an ihren Bieren nuckeln, während ihre Frauen Hilfe anbieten.
Wir lassen das Geschoss für die Nacht nach der Befreiung einfach so stehen, mit dem Heck zum Mistral wird es nicht ganz so sehr durchgeschüttelt. Die Zwangsbelüftung am Dach des Caravans wird von Zappa noch schnell mit Gaffa zugetapet, damit die durch die Ritzen eindringenden Wanderdünen auf dem Strand bleiben.
Der Held schnippelt gerade ein paar Zwiebelchen als der eben noch Bier trinkende Herr Minicamper klopft. Er muss unbedingt wissen, was unser Kennzeichen bedeutet, sonst kann er wohl nicht schlafen. Und wo er schon mal da ist, erklärt er uns noch ganz genau, wie toll Frankeich ist, wie gut er hier Bescheid weiß und dass es beim Netto in Port-St-Louis sehr preiswerten Rotwein im 5L-Pappkarton gibt. Er hat sich sicherheitshalber bevorratet und klingt, als hätte er schon den einen oder anderen Liter konsumiert. Sein Hessisch ist leicht verwaschen.
Jetzt weiß ich wieder, weshalb ich stark beanspruchte Camperplätze tunlichst meide.