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Sieben Fässer Wein

Veröffentlicht: 25.09.2024

Es ist Erntezeit und wir packen unter provenzalischer Sonne ein wenig mit an, die süßen Trauben von den Rebstöcken zu schneiden.

Platz im Wein

Auf dem Weg in den schönen Lubéron sammeln wir auf ein Neues Erfahrungen rund um die Lyoner Autobahn.
Wir wollen Richtung Grenoble fahren und wissen, dass hierfür der Zubringer zum Lyoner Flughafen genommen werden muss, der eine Extragebühr kostet. Aber was solls.

Als die Mautstation in Sicht kommt, zahlen wir zähneknirschend die 3,80€, nachdem wir für die bisherigen 350 Kilometer 35€ löhnen durften. Der Cravan kostet auch extra.
Beim Verlassen der Zahlstelle grüßen uns Schilder, die die Städte Bourg-en-Bresse und Besançon anküngigen. Ääähm - da kommen wir doch gerade her!?

Kopfschüttelnd wird uns klar, dass wir die Spur links neben der Zahlstation hätten nehmen müssen. Nun fahren wir also die 15 Kilometer bis zur nächsten Ausfahrt, zahlen 1,50€, drehen im Kreisel eine Runde, zahlen noch einmal 1,00€, um wieder auf die Bahn zu kommen und dann am Ende der heutigen Tour 3,80€, um zu unserem Schlafplatz am Étang zu gelangen.
So wird das nie was mit der ersten Million!

Lac privée
Nun aber Weinernte im Lubéron.

Helfende Hände werden immer gern gesehen und kleine einführende Hinweise schaden nicht

1. Die Reben immer weit von der Schnittstelle anfassen! Die Scheren sind scharf und schneiden nicht nur den Wein, sondern auch gern in die Finger. Dass das weh tut, diese Erfahrung habe ich schon vor etwa 15 Jahren sammeln müssen und kann mich gut an die Schmerzen erinnern.
Scharfe Scheren

2. Die Weinstöcke werden nur von einer Seite bearbeitet.
Weil man die Hände des Anderen durch das dichte Laub meist nicht sieht und die Scheren scharf sind. Und zack! Ist der Finger ab und verändert den Geschmack des späteren guten Tropfens.

Syrah

3. Die ganz kleinen Reben bleiben dran oder wandern in den Magen.
Die sind später gewachsen und für den Wein zu sauer. Mir schmecken sie trotzdem!

4. Aufpassen, dass kein Schimmel an den Trauben ist. Der verdirbt den Wein.

Kooperativer Weinberg


5. Lasst euch nichts vormachen: auch der beste Biowein ist nicht vegetarisch, geschweigen denn vergan! Ich versuche zwar, alle kleinen Schnecken von den Trauben zu schütteln, aber absolut gelingt das nicht. Ganz abgesehen von den Ohrenkneifern, Ameisen, Käfern, Wanzen, Spinnen und wer noch so in den Reben wohnt - sie gelangen alle gnadenlos mit in die Presse und werden am Ende vergoren.

Sand-Heideschnecken

Das wars aber auch schon, jetzt kanns losgehen.
Wir haben Glück, müssen nicht in den ganz frühen Morgenstunden in den Weißwein und können erst mal in aller Ruhe unseren Kaffee trinken.
Dann ist aber nach einer Stunde der erste Hänger fix mit rotem Syrah gefüllt und muss in die Presse, in der aber gerade noch die weißen Trauben entsaftet werden. Diese gähren schneller und müssen deshalb flott verarbeitet werden.

Weinpresse

Hier wird nicht nur noch per Hand geerntet, sondern der Wein auch selbst hergestellt.
Der gepresste Saft wird in riesige 3000l-Edelstahltanks gepumpt, in denen die Gärung überwacht wird. Die Temperatur muss kontrolliert werden und der Alkoholgehalt gemessen. Dann wird der Tropfen in Holzfässern für zwei bis drei Jahre gelagert, um danach in Flaschen mit dekorativen Etiketten abgefüllt zu werden.

Gärtanks

Der Wein der alternativen Kooperative kann auf dem Hof Cabrery direkt oder auf den umliegenden Wochenmärkten gekauft werden - kleine Werbeeinblendung...

Am Nachmittag unterstützt uns der immernoch kränkelnde Zappa mit ein paar Eimern Trauben, statt des geplanten kleinen Spaziergangs, um keine Selbsterfahrungsgelegenheit auszulassen und überwacht die Rettung der kleinen weißen Sand-Heideschnecken mit höchster Aufmerksamkeit. Ich schneide mich zum guten Schluss doch noch mit der scharfen Schere, aber nur ein kleines bisschen, so dass mein Blut den späteren Wein nicht zu sehr verwässert.
Zum Trost gehe ich zum Feierabend ein paar Reben ohne Schnecken stoppeln.

Nachlese

Wir haben sogar das Glück, das diesjährige Weinfest mitzuerleben. Die edlen Tropfen fließen in Strömen, köstliche Delikatessen werden aufgetafelt, auf dem Grill brutzeln pikante Merguez, zarte Lammwürstchen und delikates Biofleisch.

Vor der Fête

Beinahe hätten wir als Beitrag zum Festmahl frische Wildschweinkeule liefern können.
Die diesjährige Jagd ist auch in den Wäldern des Lubéron eröffnet. Überall hört man das Geballer, orangene Warnkappen leuchten im dunklen Grün der Hänge und weitsichtbare Schilder machen sorglose Spaziergänger auf la chasse aufmerksam.
Bei einem abendlichen Ausflug überqueren im Licht der Kangooscheinwerfer vier halbstarke Wildschweine sehr gemütlich die Straße. Gut, dass die Serpentinen nur im Schritttempo gefahren werden können.

Attention les sangliers!

Am folgenden Nachmittag rast ein bombastisches sanglier, riesig wie eine Kuh vor unserer Stoßstange von rechts nach links über den Weg, im unsäglichem Schweinsgalopp! Wäre der kleine rote Fiat vor uns gefahren, hätte das Tier ihn platt gemacht, Obelix hätte seine wahre Freude gehabt. Erwischt haben wir es nicht - zum Glück...

Bei der Fête

Drei leidenschaftliche Barden unterhalten die Weinfestmenge unplugged mit traditionellen provenzalischen Weisen auf mittelalterlichen Instrumenten wie Kontrabass, Renaissance-Laute und Tambourine, bis dann zur späten Stunde eine sehr angesagte Kombo aus Marseille krachend-schrägen 80er-Jahre Avantgarde-Techno schrammelt und die Party bis in die frühen Morgenstunden zum krönenden Abschluss zu bringt.

Les chats

Das erleben wir nicht mehr. Wir wollen am Sonntag auf die Dorflohmärkte der Umgebung und es fehlt uns wohl auch an den passenden Drogen.

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