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Red red wine

Veröffentlicht: 18.10.2024

Unsere letzte Reisewoche bricht unausweichlich an, während sich das Wetterglück offensichtlich an anderen Plätzen ausbreitet. 

Am Samstagmorgen fällt zu allem Verdruss Zappas wöchentlicher Lieblingsflohmarkt aus. Schuld ist der immer noch heftig wehende Mistral. Nach der Nacht auf dem bekannt-romantischen Platz vor dem kleinen Flugplatz in Carpentras wollen wir aber nicht so leicht Kleinbei geben und fahren mit dem Kaffee in der Hand weiter bis vor die Tore Avignons.

La Sône
Hier wird auf einem staubigen Platz zwischen Bahngleisen und wiederum Aerodrom mit allerlei Schüttware gehandelt. Überwiegend Menschen mit nordafrikanischem Migrationshintergrund feilschen, hökern und hausieren beim Sound der landenden Sportflugzeuge, probegestarteter Kettensägen und rasend schnell vorbeizischender TGVs. Donnerwetter, da kann sich die Deutsche Bahn aber mal ne Scheibe abschneiden!
Château in La Sône
Ganz am Ende wird Obst und Gemüse verkauft und maghrebinische Marktschreier verscheuern alles, was grün, farbig und bunt ist mit viel Getöse und Alarm.Voll beladen mit Salat und roten Zwiebeln, aber ohne Petersilie erwartet uns am Reisemobil ein ausgewachsenens Verkehrschaos. Ein dicker Bouchon verstopft die enge Zu- und Abfahrtsgasse und die zwei Jungs, die den Verkehr ordnen sollen, sind vollkommen überfordert und räumen verzweifelt das Feld. 
Verkehrschaos nach dem Flohmarkt
Wir kommen hier jetzt sowieso nicht weg. Es ist Midi, wir machen es uns im Mistral gemütlich und verfolgen das Schauspiel um uns herum mit großer Anteilnahme. Vielstimmiges und -sprachiges Gefluche, lautstarkes Gehupe und wildeste Wendemanöver lassen den Vormittag unterhaltsam ausklingen. 
Bouchon!
Auch am Nachmittag am Ufer der Rhône wird Programm geboten. Zwei junge Frauen mit vielen Tatoos und Dreadlocks laden aus ihrem Kofferraum Kettensäge und schweres Gerät und zerteilen das angeschwemmte Holz an der Barrage für den Winter und den heimischen Ofen.

Wenig später gesellt sich ein junger Mann mit vielen Tatoos und ohne Haare dazu. Er reist mit Hänger und Kettensäge an und nimmt sich gleich die dicken Stämme vor. Er hat auch die Spaltaxt dabei und lässt die Muskeln spielen.

La Sône an der Isère
Monsieur Soleil versucht derweil, sich bei seinem Sonnentanz vom Sound der Maschinen nicht ablenken zu lassen. Er steht auf der untersten Treppenstufe der Anlage, nur mit Badehose bekleidet und für einen Moment befürchten wir, er will ins tosende Wasser springen. Alle fünf Tore der Staumauer sind weit geöffnet, der Fluß ist außer Rand und Band, hier zu schwimmmen käme einem Bad im Höllenschlund gleich und ist auch strengstens verboten. Aber nun, wir sind in Frankreich... 
Mauer-Zimbelkraut

Beide stehen wir in Alarmbereitschaft, um Monsieur von seinem Vorhaben abzuhalten! Doch der Herr vollführt seine Sonnenanbetung unbeirrt weiter, flattert mit den Armen, schwingt mit den Hüften, hebt elegant das Bein. Zwischenzeitlich gibt er Monsieur Spaltaxt unbezahlbare Tipps und sehr wertvolle Hinweise zum Umgang mit dem Werkzeug.

Mit Sonnenuntergang ist auch das Spektakel am Fluß vorbei und es kehrt wieder Ruhe ein. Nur das wilde Tosen des Wassers, das aus der Barrage sprudelt ist noch zu hören. Doch uns zieht es weiter Richtung Norden.
La Sône
Am Sonntagmorgen findet nahe Valence ein Flohmarkt statt, auf dem wir im letzten Jahr bereits unendlich viele Schätze entdecken konnten. Die Sonne schien warm vom blauen Himmel, die Menschen hatten gute Laune und sogar noch in den späten Stunden nach dem Mittag gab es noch einige Herrlichkeiten zu erwerben.

Die Wetteraussichten sind heute nicht so berauschend, doch der wahre Enthusiast lässt sich von solchen Unerheblichkeiten nicht verhindern. Und so werden in den frühesten Morgenstunden die Dinge, Kleinode und Kostbarkeiten ausgepackt. 

Château in La Sône
Als wir gegen 8:00 Uhr starten tröpfelt es leicht aus dem dunkel bewölkten Firmament. Ein ordentlicher Wind weht um die Ecke und lässt mich frösteln. Noch herrscht optimistische, fröhliche Stimmung an den Ständen. Doch es dauert nicht lange und wir stellen fest, dass der Wetterbericht heute Recht behält und nach einer Stunde sind wir alle sehr nass und durchgefroren. 


In Nullkommanix ist alles wieder eingepackt, die schönen Sachen sind in den Autos verschwunden, gehen zu Hause in den Keller und werden im nächsten Jahr erst wieder feilgeboten. Das ist jetzt für uns alle sehr dramatisch und ich koche uns einen wärmenden Tee aus der Elefantenkiste vom letzten Flohmarkt.

Feierabendstimmung im Mistral
So langsam wird es Zeit, uns auf den Heimweg zu machen. Die Wetterfrösche machen ein bisschen schlechte Laune, aber wir lassen sie uns nicht verderben und rollen über die Weinstraßen im Beaujolais und Burgund durch liebliche Landschaften. Der Wein färbt sich gelb und rot, das Laub in den Wäldern wird langsam bunt, die Schwalben sind schon weit im Süden, der Herbst ist da.
Beaujolais
Sehr französische Dörfchen mit den typischen Häusern aus den dicken Steinen der Region wechseln sich mit weiten Weinbergen und dichten Mischwäldern ab. Ein Château reiht sich ans nächste, nicht alle in dem prachtvollen Zustand, wie man es von der Loire kennt. Fehlende Dachziegel, hängende Regenrinnen, löchrige Außenmauern zeugen hier und da von einigem Sanierungsstau. 
Château de Pierreclos
Es lässt sich nicht verhindern, dass Zappa, den Wohnwagen in Fleurie den schroff-unebenen Weg zur Kapelle hochzieht. Die schmale Gasse ist wirklich sehr steil und zum Glück sehe ich erst am nächsten Morgen auf dem Rückweg das Verbotsschild der Zufahrt für Caravans. Wahrscheinlich sind schon einige auf halbem Weg hängen geblieben und mussten rückwärts wieder runter rollen.
Beaujolais

Aber der Kangoo zerrt den Mistral auf den Hügel zur Heiligen und wir werden mit einem unvergleichlichen Panorama belohnt. Der Blick über das Beaujolais bis hin zur Saône ist atemberaubend. Und am Abend werden wir mit einem überwältigenden Alpenglühen beschenkt. Der 250km entfernte Mont Blonc leuchtet im gleißenden Abendrot und beweist auch über diese Entfernung seine Mächtigkeit.

Alpenglühen am 250 km entfernten Mont Blanc
Unser Château Mistral macht auf dieser Reise seinem Namen alle Ehre. Nach strammem Sturm aus Südwest am Meer und dem kalten Nordwind aus dem Rhônetal umtost uns nun auch Exhurrikan Kirk mit stärksten Böen.

Eine ganze Nacht lang trommeln Wolkenbrüche auf unser Blechdach, nachdem am frühen Abend ein intensives Gewitter mit kräftigem Blitz und grollendem Donner das Tiefdruckgebiet eingeläutet hat. Kirk rüttelt mit 90kmh ein weiteres Mal an unserem rollenden Zuhause, dass es nur so klappert und scheppert.

Im Moor Tourbière du Couty
Nach einem Tag durch Wind und Wetter wollen wir am Ufer der Saône den Abend ausklingen lassen. Doch der schöne sonnige Platz vom letzten Jahr ist vollständig überflutet, auf dem Fluß rollen meterhohe Wellen wie neulich auf dem Mittelmeer und Monsieur Hunderunde meint, es wäre sicherer für uns, für die Nacht einen Platz auf den umliegenden Hügeln zu suchen. Aber nicht unter Bäumen, der Sturm ist noch nicht vorbei und es sind wieder Gewitter im Anmarsch!
Plätzchen an der Saône Ende September 2023
Der gleiche Platz Anfang Oktober 2024

Wir sind auf dieser Tour wirklich glücklich, im Mistral reisen zu können. Nur in der Räuberhöhle hätten wir wohl schon vor zwei Wochen den Wetterkapriolen Kleinbei gegeben, die Zelte abgebrochen, die Flinte ins Korn geworfen, in den Sack gehauen. Sturm, Regen, Gewitter, Wolken, Kälte, jede Menge Unwetter, das geht nur auf dem gemütlichen Elddis-Sofa und mit Maxol Monte Carlo 3000.

In 450m Höhe
Der Kangoo bringt uns zuverlässig über alle Berge, durch jegliche Orkane, jede riesige Pfütze und sämtliche matschige Ackerwege, wie ihr sicher schon bemerkt habt. Das Vertrauen ist unumwunden wiederhergestellt. 

Doch plötzlich: Oooooh neiiiin! Ohnein - ohnein - ohnein! Auf einer verlassenen Wald- und Wiesenstraße im Nirgendwo des Burgund leuchtet auf einmal der unsägliche Schraubenschlüssel auf! Wir reißen die Augen auf und können es nicht fassen. Der elende, vermaledeite, gräßliche Schraubenschlüssel!

Doch bevor ich die ADAC-App in Anspruch nehmen muss, klärt sich schnell auf, dass lediglich der Ölstand zu niedrig ist. Puh! Man muss ja auch mal Glück haben, oder?

Burgund
Zu bedauern sind am Ende lediglich unsere schweren Verluste:

ein Füßchen eines sensationellen, phänomenalen, unvergleichlichen Highend-Yamaha-Profiverstärker für den vollen und perfekten Sound im Homecinema, zwei kostbare, sündhaft teure, beinahe in Gold aufzuwiegende Briefmarken, eine knackig-frische, gesunde, köstliche Porreestange von Monsieur Persil und die Klappe für die Wohnwagenbatterie, die Zappa aber im Morgengrauen in Regen, Nebel und Schmutz findet und wieder an die Vorrichtung basteln kann. 

Beaujolais

Jetzt geht es nach Hause, schließlich wartet - wie immer -  jede Menge Arbeit auf uns. 

Aber zuerst braucht der Twingo ein paar neue Sicherungen...

Antworten (1)

Frank
Hallo Ihr zwei! Schön, dass Ihr wieder gesund und munter in der Heimat angekommen seid :-) Wir waren schon besorgt, da in Südfrankreich ja aktuell wieder schwere Überschwemmungen auftreten. Danke für die packenden Reiseberichte! Auf bald! Viele Grüße, Frank & Jana

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