Veröffentlicht: 11.09.2022
Was kann aus einem Tag werden, der damit beginnt, dass 328 Gramm Haferflocken aus den Tiefen des Minicampers gesammelt werden müssen, weil die Tüte unsachgemäß unverschlossen ist? Und wenn zwei unabdingbar wichtige Schrauben an der italienischen Stella-Espressokanne fehlen, so dass Deckel und Henkel nicht halten? Zappas schnelle Reparatur mit Strippe und Draht ist auf Grund fehlender Koffeein-Zufuhr nicht gründlich durchdacht, die heiße Kanne rutscht mit klapperndem Wackeldeckel aus der Hand, das kostbare, sehr heisse Gebräu ergießt sich auf den Asphalt!
Und wenn durch Mangel an morgendlicher Wachwerddroge das immer schon brisante Öffnen des Joghurtbechers völlig aus dem Ruder läuft und sich das Milcherzeugnis wie Kladderradatsch auf der Schmusedecke ausbreitet? Ein ordentlicher Klecks landet im Ärmel des einzigen warmen Pullovers!
Es kann eigentlich nur noch besser werden.
Die Nacht haben wir auf dem Parkplatz des Informationszentrums des Naturparks Bardenas Reales verbracht. Vor fünf Jahren sind wir hier zufällig gelandet. Und die Landschaft ist wirklich sehr beeindruckend, so sehr, dass wir ein zweites Mal hierher kommen.
Die Halbwüste kann auf einem Rundweg mit dem Auto durchquert werden. Es geht natürlich auch mit dem Rad oder zu Fuß, dabei sollte aber dringend bedacht werden, dass kein einziger Baum, Strauch oder Busch Schatten spenden und in der Regel die Sonne fröhlich und wärmend vom Himmel brennt. Und es sehr staubig ist.
In einer Halbwüste fällt kaum mehr Niederschlag als in einer Wüste. Die Vegetation ist sehr karg, es gibt nur wenig Macchia, entwurzelte Sträucher rollen in böigen Luftzügen wie im wilden Westen über das trockene Land. Ein steter Wind wirbelt unentwegt wild tanzende Staubteufel auf.
Wir entscheiden uns für die Tour mit der Räuberhöhle in den frühen, noch kühlen Morgenstunden, gleich nach den Schweizern.
Die Natur hat in Millionen Jahren durch Erosion irrationale Gebilde geschaffen. Sonne, Wind und wohl auch ein wenig Feuchtigkeit haben aus ockerfarbenem Lehm eine bizarre Landschaft gebildet.
Im Kangoo entsteht schnell eine dünne Staubschicht auf den Armaturen, Schaltern, Sitzen, im Bettzeug, auf der Kochkiste, auf der Reisebande, überall.
Eigentlich sind die Erlebnisse kaum in angemessene Worte zu fassen. Wir fahren auf sandigen Holperpisten zwischen Sandstein- und Kalksteinfelsen hindurch. Eine Mondlandschaft, auf der Wolkengebilde durch Licht- und Schattenspiele immer wieder neue Eindrücke entstehen lassen.
Die Staubschicht wächst, der Blick durch die Fenster ist vernebelt.
In Nasen, Ohren, zwischen den Zähnen, auf den Köpfen knirscht es.
Immer wieder steigen wir aus und bewundern die absonderlichen Formen und abenteuerlichen Gestalten, die die Naturgewalten haben entstehen lassen.
Auch hier wurden schon Filme gedreht, was nicht verwundert.
Ich spüre den Staub zwischen den Zehen und unter den Fingernägeln.
Im Laufe des Vormittags finden wir uns auf einer Piste abseits des Rundwegs wieder und legen eine Mittagspause ein. 90% der Fahrzeuge haben französische Kennzeichen, der Rest setzt sich aus Deutschen, Belgiern, Spaniern, Schweizern am Morgen und einem Polen zusammen. Viele heizen mit einem abartigen Tempo durch den Naturpark. Vermutlich vernebeln die aufgewirbelten Staubmassen dem Cliofahrer das Gehirn und er wähnt sich im Nirgendwo zwischen Paris und Dakar.
Die Staubschicht im Kangoo hat jetzt etwa 5cm Höhe, Staub liegt auf den bocadillos, ist in der Wasserflasche, die Haare verfilzen.
Im Pferdekutschen-Modus bummeln wir durch diesen unbeschreiblichen, ungewöhnlichen, bemerkenswerten Landstrich. Der Wind weht kräftig um die Nasen und lässt die Temperaturen erträglich werden und den Staub aufwirbeln. Nach fast 12 Stunden Erlebnis in dieser überwältigenden Einöde sind wir völlig ausgepowert, beeindruckt und glücklich.
Überall ist Staub, eine dicke Schicht überzieht den Wagen, in allen Ecken und Ritzen knirscht es, die Augen lassen sich kaum noch öffnen, die Kopfhaut juckt zum Verrücktwerden, im Bett sind staubige Berge.
Das ist bestimmt nicht unser letzter Besuch in den Bardenas Reales.
Wie der Tag zu Ende geht? Der Wind frischt in den Abendstunden kräftig auf und wirbelt kleine Staubwölckchen herum. Wir finden einen Platz für die Nacht auf einer inzwischen recht stürmischen Bergkuppe.
Eine Böe haut die Schale mit den selbstgeernteten Brombeeren vom Tisch und den Klappstuhl mit meiner, für die Kühle bereit gelegten Decke in die in Mojosauce eingelegten Oliven.
Jetzt geleitet mich neben nicht mehr ganz frischem Joghurtduft das intensive Aroma der kanarischen Würzpaste in einen staubigen Schlaf.