Veröffentlicht: 21.09.2023
Es ist Mitte September, beste Reisezeit und wir haben vier Wochen Urlaub. Nein, das sind keine neun endlos scheinende Wochen wie im letzten Sommer, aber immerhin.
Der Herbst wird mit großen Schritten nahen, doch Sardinien haben wir auch in diesem Jahr und damit zum vierten Mal aus dem Programm genommen. Familiäre Verhältnisse könnten für kurzfristige Rückrufe sorgen und dann wäre es kontraproduktiv, von einer Insel wegschwimmen zu müssen. Also nehmen wir das Château ins Schlepptau, an dem Zappa die Trommelbremsen in tagelanger Bastelarbeit mit neuen Belegen besohlt hat, die nun auch nicht mehr quietschen und machen eine Reise, von der wir in höchstens zwei Tagen problemlos wieder daheim sein können.
Nun sind wir etwas ziel- und planlos zum dritten Mal in diesem Jahr im schönen Frankreich unterwegs.
Na ja, nicht komplett ziellos, zumindest stehen spätsommerliche vide greniers auf dem Reiseplan. Und auch die deutsche Autobahn müssen wir noch in Niedersachsen zwei Mal verlassen, weil Zappa schon nach wenigen Kilometern alte Kameras einsammeln muss.
Der erste Dorfflohmarkt findet am Sonntag in einem Vorort von Mulhouse mit Blick auf den Grand Ballon d'Alsace statt. Nachdem wir an diesem, noch einmal wunderbar warmen Samstag Sonne unter hessischen Äppel-Bäumen tanken, bremst ein Stau bei Karlsruhe unsere ohnehin nicht sehr flotte Reise ein wenig aus. Zum Abendessen gibt es Währendderfahrtstulle und Zappa ist sehr traurig, weil eigentlich sollte es heute Fischcurry nach Bombay-Art geben.
Als wir Mulhouse endlich erreichen, herrscht im Flohmarkt-Örtchen finsterste Nacht, der erwählte Schlaf- und Parkplatz ist groß genug für Caravan und Räuberhöhle und eine entspannte Stille legt sich übers Land, so dass wir uns auf den erholsamen Schlaf freuen.
Und jahaaa! Wir wissen, dass wir direkt an den Bahngleisen stehen. Doch wer rechnet denn am Sonntagmorgen um 5:00 Uhr mit einem Geratter, Getöse und Gedonner, das einem die Stöpsel aus den Ohren und den Schnorchel von der Nase katapultiert? Beide sitzen wir aufrecht im Bett und starren uns mit weit aufgerissenen Augen an! So plötzlich, wie der ohrenbetäubende Lärm einsetzt, verstummt er auch wieder. Was war das denn?
Vom Klang her der gigantische Maismähdrescher, der uns auf der Fahrt am Wegesrand ins Auge gefallen ist. Hat der Bauer neben uns gehalten und donnert sogleich erbost an die Wohnwagentür, weil wir in seinem Weg oder auf seinem Abstellplatz stehen?
Vorsichtig schleiche ich zur Tür und linse hinaus, jeden Augenblick mit der Schimpftirade von Monsieur Agriculteur rechnend.
Doch zu meiner Überraschung sehe ich nichts! Rein gar nichts! Kein Mähdrescher, kein Riesentraktor, kein Panzer, kein erboster Landbewohner! Nur gähnende Leere auf den Gleisen in direkter Nachbarschaft. Zappa meint, es müsse sich um eine einzelne Lok im Tiefflug gehandelt haben.
Es ist noch Schlafenszeit übrig, also schließen wir die Augen wieder. Doch mit vor Schreck pochendem Herzen und Phantasien von Maschinenmonstern á la Transformers finden wir nicht so schnell ins Reich der Träume zurück. Als ich endlich eingenickert bin, bimmeln mich die Dorfglocken mit unermüdlichem und tösendem Geläut sofort wieder aus dem Schlaf.
Morgens um 6:00 Uhr! Katholische Sitten und Gebräuche werde ich wohl nie so richtig verstehen. Als dann noch sämtliche Dorfhähne ihre Hälse um die Wette heiser krähen, geben wir endgültig auf. Denn wie wir aus Erfahrung wissen, sind Elsässer mit Hackenporsche und Klimpergeld gern sehr früh auf den Flohmärkten unterwegs und kaufen alle Schätze weg.
Zappa steht ihnen aber in Nichts nach und zack! sind weitere alte Kameras neben Filtergerassel in seinen Taschen verschwunden.
Wir lernen an diesem schönen spätsommerichen Sonntag auch endlich, dass die Geschwindigkeitsbremsschwellen in französischen Kommunen auch "Eselsbuckel" genannt werden.
Und wir lernen, dass Marmeladengläser auch im Wohnwagenkühlschrank ordnungsgemäß und nicht wie im Kurzschen Haushalt liederlich und ungenau verschlossen werden sollten. Ansonsten muss die leckere Erdbeerkonfiture aus allen Ecken und Ritzen gefischt werden und kann nicht mehr aufs Croissant.
Nun sitzen wir in der Sonne am Ufer des Doubs im Franche-Comté und lassen den Tag ausklingen. Wohin die Reise uns in den nächsten vier Wochen noch führt? Wir werden sehen...