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Der Flohmarkt ruft

Veröffentlicht: 13.05.2023

Ein wesentlicher Bestandteil unserer Frankreichreisen sind mittlerweile die Flohmärkte.
Es gibt die "brocantes", bei denen meist Profihändler mehr oder weniger echte Antiquitäten zu meist überzogenen Preisen meist an Touristen verscherbeln. Wenn man sich auskennt, kann sich der Weg lohnen, aber unsere Träume werden hier nicht angeboten und schon gar nicht in unserer Preisklasse.

"Les puces du canal" in Lyon

Dann haben wir die "marchés aux puces". Diese sind sehr gut vergleichbar mit deutschen Flohmärkten und finden oft auf Supermarktparkings, Sport- oder Festplätzen statt. Private Verkäufer mischen sich mit Profihändlern und die Standpreise sind mit 1-2 Euro pro Meter moderat und im Vergleich zu deutschen Veranstaltungen lächerlich.

Dieser Kocher ist sooooo schön grün!

Und es gibt die "vide greniers". Dafür werden in der Regel in kleinen Städtchen oder Dörfern ganze Durchgangsstraßen gesperrt, die Einwohner leeren ihre Dachböden, wie der französische Name nahelegt und versuchen das Zeugs weitestgehend loszuwerden. Das Wichtigste ist, bloß nicht wieder was in den Keller oder auf den Speicher zurückschleppen zu müssen. Da werden Schätzchen auch schon mal für 10, 20 oder 50 Cent verhökert.

Schätze im Elsass

Nachdem uns der Mistral im Süden die Flöhe vor der Nase weggepustet hat, wollen wir während unserer Rückfahrt das Osterwochenende für ein paar Schnäppchenjagden nutzen.
Am Samstagmorgen steht Lyon auf Programm.
Bei "Les puces du Canal" handelt es sich um den zweitgrößten Flohmarkt in ganz Frankreich. In alten Lagerhallen am Rhônekanal kann man in 200 "Boutiquen" alten Kram aller Art finden. Auf den Außenflächen gibt es weiteren Platz für bis zu 400 Stände und zur Stärkung fehlen auch die typisch französischen Bars nicht.

Le cerf du Lyon

Man wirbt mit Antiquitäten, Design und Kunst, als Paradies für Schnäppchenjäger.
Natürlich ist uns bei der Vorbereitung schon klar, dass das nicht unsere Baustelle sein wird, aber wir sind neugierig, es liegt auf dem Weg und also suchen wir uns in der Nähe einen Schlafplatz, um morgens bald am Ort der Wünsche sein zu können.

Rund um die große Stadt Lyon gibt es nicht so viele Stehplätze am Feldweg und einer der wenigen, den wir für die Nacht erwählt haben, ist bei unserer späten abendlichen Ankunft schon besetzt. Komisch, der weiße Transporter war in der gleichen Position schon auf dem Satellitenbild zu sehen. Love-Mobil oder Erntehelferbehausung?
Aber was hilfts, es muss ein anderes Örtchen her.

"Les puces du canal" in Lyon

Die Augen fallen nach der langen Fahrt aus den warmen Alpillen langsam zu, also wählen wir das Einfachste: der Parking de la gare in Miribel ist wohl nicht für seine ausgesprochene Stille bekannt, LKWs und TGVs rasen rechts und links an uns vorbei. Aber es ist genügend Platz für das Château und bis zu den "puces du canal" sind es nur 14km, auch wenn wir für die Ausfahrt die Einbahnstraße in den frühen Morgenstunden verkehrt herum nehmen müssen.

Wie vermutet entpuppt sich dieser Flohmarkt eher als Touristenfalle. Vor allem Briten, Schweizer, Belgier und Deutsche zahlen die 4€ Parkgebühr und lassen sich von den Phantasiepreisen nicht erschrecken. Kreditkartenzahlung jederzeit und allerorts möglich. Schade, dass viele der Boutiquen an diesem Samstag nicht geöffnet sind, denn zum Staunen lohnt sich der Weg allemal. Was es nicht alles zu bewundern gibt: edles Porzellan, alte Ölschinken, protzige Louis14-Möbel, farbige Lampenschirme, abgeschabte Sessel, bunte Gläser, imposante Hirschköpfe, riesige Bauerntische, klapprige Vespas - ach, ich kann gar nicht alles aufzählen. Die Lädchen in den Hallen sind wie gemütliche Wohnzimmer liebevoll eingerichtet oder über und über bis zur Decke vollgerümpelt mit altem Kram.
Es gibt so viel zu sehen, dass wir ganz vergessen, Fotos zu schießen. Schaut euch einfach die Bilder im Netz an oder fahrt vorbei, wenn ihr in der Nähe seid.

"Les puces du canal" in Lyon

Nach zwei Stunden des Staunens setzen wir uns ermattet in die nächste Bar, um einen wohlverdienten Café au lait zu trinken. Hier haben sich wie es scheint die Händler versammelt, deren Buden gerade noch geschlossen waren. Bei einem Pastis zocken sie mit Spielkarten und bunten Plastikjetons irgendein Geschäft aus. Den ernsten Minen nach zu urteilen, geht es um erhebliche Summen, die vermutlich später vor der Tür in harte Francs gewechselt werden.
Wir müssen jedoch weiter Richtung Norden. Morgen wartet ein Puce in der Bresse auf uns.

Marché aux puces in Marboz

Marboz ist nur 100km von Lyon entfernt und verfügt über einen sandigen Festplatz, auf dem am Ostersonntagmorgen bis zu 300 Flohmarktstände Platz finden.
Wir entscheiden uns heute für den Parkplatz hinter dem örtlichen Friedhof als Standort für die Nacht. Die Chancen stehen gut, dass wir etwas Ruhe finden und am Morgen für den Markt unser langes Fahrzeug einfach stehen lassen können.
Von hier oben schauen wir auf die Seniorenresidenz, auch wenn die spätabendlichen Geräusche eher auf Kindergeschrei schließen lassen. Vielleicht findet ja ein generationsübergreifendes Fest statt?

Pünktlich um 23:00 Uhr endet das Gekreisch und tiefe Bässe setzen ein. Buumm-buuumm-buuuumm... So langsam begreifen wir: in direkter Nachbarschaft des Pflegeheims liegt la salle de fête und jetzt ist die Disco in vollem Gange.
Nun, es ist nicht das erste Mal auf dieser Tour: Stöpsel in die Ohren und gute Nacht!

Schlafplatz am Friedhof in Marboz

Morgens um 5:00 Uhr beginnen die ersten Händler auf dem staubigen Dorfplatz am Fuße des Altersheims ihre Waren auszuladen. Autos brummen, Türen klappen, Tischbeine klimpern, Kisten klappern, Pavillons fleddern auseinander, Menschen rufen sich Grüße zu. Hoffentlich konnten die älteren Herrschaften alle ihre Hörgeräte ausschalten...

Wir sind pünktlich um 8:00 Uhr auf dem Gelände und es herrscht bereits reges Gedränge. Eine bunte Mischung aus Profis und Privaten hat sich hier versammelt und es gibt wie immer Dinge, die die Welt eigentlich nicht mehr braucht. Und ihr werdet es nicht glauben: Zappa lässt allen Ernstes einen 6x9-Durst-Profi-Vergrößerer mit sämtlichem Zubehör für ganz kleines Geld stehen. Ich hatte schon befürchtet, der kommt in mein Bett. Trotzdem schleppt er allerhand Zeugs mit und zum guten Schluß, nach einer halben Stunde Bedenkzeit geht der zweiflammige Spirituskocher doch noch mit für die Sammlung der wunderbaren Kochgeräte. Aber nur, weil ich das Grün soooo schön finde.
Nun müssen wir jedoch weiter Richtung Norden. Morgen wartet der vide grenier im Elsass auf uns.

Dieser Kocher ist sooooo schön grün!

Diese Veranstaltungen genießen bei uns beiden mittlerweile Kultstatus. Keine Reise ohne Dorfflohmarkt im Elsass! Dafür nimmt Zappa sogar eine achtstündige Nonstop-Heimfahrt in Kauf.
Ganze Ortschaften werden für den Verkehr komplett gesperrt, lange Straßen sind vollgestopft mit Schätzen und die Einwohner vertagen ihr Dorfleben für diesen einen Sonntag im Jahr nach draußen.

Vide grenier en Alsace

Die guten Erfahrungen aus der Bresse locken uns auch in Epfig zum Friedhof. Doch hier müssen wir am späten Abend feststellen, dass die Anwohner ihre Fahrzeug schon aus der gesperrten Zone entfernt und auf diesem Parkplatz abgestellt haben.
Wieder ist zur Schlafenszeit eine neue Lösung fällig!
Wir drehen im örtlichen Kreisel ein paar Runden.

Le sanglier d'Alsace

 
Auf dem parking vor dem SuperU stehen schon zwei Wohnmobile ziemlich schief und kopflastig, doch das kommt für uns nicht in Frage, so können wir nicht gut schlafen.
Nicht weit entfernt stehen die Altglascontainer mit viel halbwegs geradem Platz davor. Das wird gehen bis morgen früh, schließlich wird in der Nacht zum Ostermontag niemand auf die Idee kommen, seine Flaschen zu entsorgen.
Denkste! Um 5:00 Uhr wird Zappa vom typischen Geräusch zerpringenden Glases geweckt! Gut, dass die Behälter durch den Generalstreik bis oben hin voll sind, da scheppert es nicht ganz so laut. Ich höre jedenfalls nix...

Schlafplatz am Altglas in Epfig

Um 7:00 klingelt der Wecker und beim Kaffee können wir die Pilgerscharen beobachten, die kreuz und quer um uns herum das ganze Dorf wild und ohne Regel zuparken. Bewaffnet mit riesigen Rucksäcken, bunten Hackenporsches, strapazierfähigen Rollkoffern, farbigen Einkaufstüten, Körben und Taschen aller Art eilen die Elsässer in den frühen Morgenstunden in das Städtchen auf der Suche nach dem großen Glück!

Morgens um 8:00 Uhr in Epfig

Da bleibt uns das Croissant im Halse stecken. Nun aber flott, sonst sind alle Kostbarkeiten weggeschnappt. Um 8:00 Uhr ist die Gasse schon vollkommen verstopft, ein Gedränge und Geschiebe, es ist kaum ein Vordringen an die Stände möglich. Deutsches Sicherheitsdenken gibt es im Elsass nicht. Der Meister an meiner Seite vergisst zum Glück bald die Vorschriften von Feuerwehrzufahrten und Fluchtwegen, die hier sowieso nicht in seine Zuständigkeit fallen und widmet sich ganz dem Secondhandkonsum.

Toute la ville Epfig

Schwer bepackt kehren wir nach Stunden zum Schlößchen zurück.
Hier nun das Ergebnis eines erfolgreichen Oster-Wochenendes:
ein Teekännchen, zwei antike Hobel, die jeden Schreiner vor Neid erblassen lassen, drei riesige uralte Messingwasserhähne, eine große Laboruhr, ein gigantischer gußeiserner Wok-Kocher, garantiert 20kg schwer, ein wunderbarer Sonnenspiegel, drei alte Kameras, ein Franzose, passend für jede Werkzeugkiste, eine emaillierte Hängelampe mit einer Patina aus Bressehuhnkacka, eine Sturmpetroliumlampe, ein farbenfrohes Täschchen, eine voll coole Drahtbiegezange und die obligatorische Lampe. Zappas absolutes Highlight ist die historische Fotolaborleuchte mit Kerze und roter Glasscheibe.

Dachstein im Elsass

Jetzt müssen wir jedoch weiter Richtung Norden. Morgen wartet die Arbeit auf uns. Der Weg ist weit und der Caravan verhindert eine wilde Autofahrt. Doch das Elsass ist nicht aus der Welt und die nächsten Feiertage kommen ganz bestimmt.


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