Cassiopeia
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Die Drahtesel-Odyssee Teil 1 - Laos

Veröffentlicht: 21.02.2024

Nachdem mein Fahrrad und ich mit einem kleinen Boot an mehreren kleinen Inseln auf einem Fischerboot vorbei navigiert wurden, machte ich mich zuerst einmal auf die Suche nach einer Hängematte. Die fande ich auch überraschend schnell und sie löste bei mir jedoch bedenken aus, da sie statt dem Mückennetz, welches ich haben wollte, lediglich aus ein paar Streben bestand, welche nicht nur alles hineinlässt, sondern auch das Gewicht so punktuell verteilt, dass man wie ein Stück Fleisch langsam zerschnitten wird.

Und jetzt begann die Odyssee, 1400km, 37°C im Schatten (welcher nicht existierte) und ein wackliger Drahtesel, auf den ich alles setzte, dass er mich hier heile durchbringt. Ich habe noch nie so viel geschwitzt und getrunken wie in den letzten zehn Tagen. Ich bin meistens wie ein nasses Stück Seife unterwegs, dass einem aus der Hand rutscht (rieche leider nur nicht so gut) und trinke meistens 5-6L pro Tag. Meinen Elektrolythaushalt reguliere ich vorallem mit Sojasauce die ich auf die riesen Mengen Reis täglich schütte.

Die ersten Tage führten mich vorallem über elend lange gerade Straßen, die an die Route 66 erinnern, und an trockenen und dürren Landschaften vorbei. Kilometerweit verbrannte Felder waren hierbei keinerlei Sonderbares. Die Bauern verbrennen hier saisonal an den trockensten Zeiten des Jahres die Reisfelder um den Boden fruchtbarer zu machen. Der Rauch zieht hunderte Kilometer nordwestlich und trübt selbst noch in Chiang Mai in Thailand den Himmel. Am Ende des ersten Tages holte ich mir einen riesigen Sonnenbrand auf dem Rücken, welcher die Hängematte noch unbequemer machte und ich so lieber einfach ohne alles auf dem Boden schlief.

Die Landschaft veränderte sich entgegen meiner Erwartungen allerdings nicht, zumindest vorerst. Die einzigen Wasservorräte waren kleine geschrumpfte Tümpel mit braun-grauen Wasser. Da das Wasser jedoch weniger Schmutz hatte, als ich Staub auf meiner Haut am Ende des Tages, nutze ich das Wasser trotzdem zum abwaschen. Während ich mich Abends dann mit der Musik von Ennio Morricone abwaschte, kam ein Mönch mit seiner knallorangenen Robe heiter aus dem Nichts und bot mir an mit ihm und seinen anderen Gläubigern im Tempel zu schlafen. Ich folgte ihm amüsiert zum Tempel wo er mich zum Beten brachte, mich segnete und wir uns lachend mit der Sprachbarriere unterhielten, die es unmöglich machte auch nur eine Information mit Sicherheit zu vermitteln. Ich schenkte ihm dann noch ein paar Kekse und ein Bild von mir mit meiner Nichte Lara, wie ich sie auf dem Arm halte. Das wiederum führte dazu, dass er sich das Bild minutenlang interessiert anschaute und dachte dass ich Vater sei und ein Bild von meiner Frau sehen wollte.

Die Zeit auf dem Fahrrad verbrachte ich meistens damit mein Medizin-Hörbuch "Outlived" zu hören, welches sich mit Präventionsmedizin beschäftigt, Geschichts- und Anthropologie-daten und Fakten zu lernen, die Landschaft zu genießen und natürlich viel zu winken. Noch nie sah ich so viele Kinder auf die Straße laufen um jemanden zu Grüßen, ich fühlte wie die Queen. Lachend und schreiend wedelten die Kinder ihre kleinen Hände und holten sich ein High-Five bei mir ab, während die Erwachsenen überraschend zu mir blickten und mit einem großen Grinsen ebenfalls die Hand hoben und mir "Sabaidee" (Hallo aus Lao) zufriefen. Die Laoten sind bis jetzt die nettesten Menschen die ich kennenlernen durfte. Sie erscheinen nicht beim Vorbeifahren so super höflich, sie sind es auch bei längerem Kontakt. Selbst wenn ich viel zu viel Geld gebe um mein Essen zu bezahlen, weil ich nicht verstanden habe wie viel es kostete, wurde mir bis jetzt immer Geld zurückgegeben und häufig auch noch eine Kleinigkeit geschenkt, wie z.B. Früchte oder Wasser. Meine Art des Reisens, also momentan mit dem Fahrrad, hat aber auch eindeutig einen positiven Einfluss darauf, wie ich wahrgenommen werde, das spüre ich.

Kurz bevor ich bei meiner ersten Zwischenetappe nach sechs Tagen ankam, suchte ich verzweifelt nach etwas Essbaren auf dem langen Weg und fand mich plötzlich vor einer langen Tafel mit vielen Laoten, die gerade das chinesische Neujahr feierten und mich sofort einluden. Wir lachten, tanzten, speisten und ich hielt einmal alle Kinder, damit sie von uns ein Bild machen können. Auch wenn ich diesen Umgang immer noch grundsätzlich schwierig finde, so wäre ich durch das Essen und ihre Gastfreundschaft auch bereit gewesen alle Erwachsenen einmal zu halten, wenn es hätte sein müssen.

Ich merke ziemlich, dass seitdem ich mit dem Fahrrad unterwegs, ich mich in meinen Blogbeiträgen nicht mehr so ausleben oder entfalten konnte, da ich Abends einfach viel zu fertig war, als dass ich meiner Kreativität und Schreibelust freien Lauf hätte lassen können. Stattdessen war ich Abends, aber auch tagsüber viel damit beschäftigt über mein Studium nachzudenken. Bzw. wie ich meine Chancen am besten und taktischsten erhöhen kann um einen Platz zu bekommen. Somit verbrachte ich meine Mittagspausen meist mit der Recherche über Auslandsstudiengänge, der Landarztquote, dem Studium beim Bund und mit den Daten der kommenden TMS-Durchgänge und natürlich mit der großen Fragen: "Was wenn es nicht funktioniert?" Neben Plan A überlegte ich mir also erneut einen Plan B und C und redete viel mit meiner Tante, welche mich seit Jahren tatkräftig und liebevoll dabei unterstützt den Platz zu bekommen. Vielen lieben Dank auch hier nocheinmal explizit an dich Anke!!!

Somit blieb auch einfach nicht so viel Zeit um über andere Sachen nachzudenken, was aber auch vollkommen okay und gut war. Somit konnte ich mich halt auf essentielle und wichtige Sachen konzentrieren, die meine nicht allzu ferne Zukunft beeinflussen.

Ich entschied mich nach dem 6. Tag dann mal eine Pause einzulegen, da mein Körper sie innigst verlangte und ich des öfteren den Tip bekam an einem bestimmten Ort vorbeizuschauen an dem man hervorragend klettern kann, und wie der Zufall es so wollte lag dieses Tal direkt auf meinem Weg! Zugegeben, es war eine interessante Weise den Körper zu erholen, da ich in den kommenden 3 Tagen zwar meinen Beinen ein wenig Pause gönnte, aber meinen Oberkörper und die Arme zu einem ähnlichen Erschöpfungszustand brachte.

In dem Tal, 16km von der Stadt Thakhek entfernt, lagen über 550 Sportkletterrouten, welche Kletterer aus der ganzen Welt anzogen. Ich rutschte hier von meiner bekannten Backpacker-Community plötzlich in eine passionierte Klettercommunity, die genau wie alle sozialen Gruppen auch Lieblingsgesprächsthemen und Charaktereigenschaften haben. Jetzt ging es nicht mehr um die Fragen "Wo kommst du her?", "Wo warst du schon?" und "wo willst du noch hin?", sondern um "ich habe heute morgen eine 7a+ im Vorstieg gepackt und ich sage dir, die Griffe waren so spitz.". Kurzgesagt, ich fühlte mich wie ein Außenseiter der in eine neue Welt kam. Ja, ich habe ein wenig Klettererfahrung, vor allem aber im Bereich des Bouldern und mein letztes Seilklettern ist jetzt auch schon 5 Jahre her. Zum Glück traf ich dort dann aber Marlon, ein richtig netten Berliner, der mir wieder alles step-by-step beibrachte und ich ihm dafür abends ein, zwei Bier und das Abendessen ausgab. Die kommenden Tage verbrachte ich nur damit an der Wand zu kleben oder andere dabei zu sichern an der Wand zu kleben. Es dauerte ein wenig und der Prozess ist auch jetzt noch nicht zu ende, an dem ich mich wirklich vertraut oder komplett sicher mit den verschiedenen Kletterequipment fühlte. Es ist nicht das ich in das Equipment selbst kein Vertrauen hatte, ich war mir jedes Mal als ich mich zurücklehnte sicher, dass weder mein Gurt, noch das Seil oder die Anker reißen würden. Die Unsicherheit resultierte vielmehr aus dem menschlichen Versagen. Sicherheit steht beim Klettern über allem und umfasst zahlreiche Einzelheiten, die nur in ihrer vollen Summe klettern sicher macht. Und diese Summe kann man schier nicht binnen drei Tagen lernen, geschweige denn zu einer Routine entwickeln lassen.

Am Ende traf ich Abends noch die ebenfalls beginnende Anfängerin Lisa mit der ich mich richtig gut verstand und wir uns Abends noch lange unter dem Sternenhimmel über den Einfluss von Stress und mentaler Gesundheit auf somatische Erkrankungen unterhielten. Es war hier nochmal sehr schön wieder einen Menschen kennenzulernen mit dem es einfach von Sekunde eins an klickt und man sich auf Augenhöhe und mit Interesse unterhält.

Abgeschlossen hatte ich mein kleines Kletterereignis mit Marlon, der mich dazu überredete doch einfach mal die 6B+ am Überhang zu probieren und zu schauen wie weit ich käme. Ich lachte, stimmte aber zu, auch wenn ich mir sicher war höchsten bis zum dritten Anker zu gelangen. Noch nie hatte mir Klettern so viel Spaß gemacht, wie an dieser Überhangroute, bei der ich dann am Ende knapp 26 Meter hoch meine Beine zwischen dem Fels so einklemmte, dass ich locker nach unten baumeln konnte um meinen brennenden Armen und Händen eine kurze Pause zu geben. Ich kam nicht nur bis zum dritten Anker, sondern bis zum letzten. Mir fehlte nur noch der Umläufer, als ich keinerlei Chance mehr mit meiner Kraft sah und in die Tiefe plumpste, wo ich nach ca. 4 Metern langsam und sanft gedämpft aufgefangen wurde. Unfassbar glücklich über meinen persönlichen Erfolg beendete ich diese kleine Exkursion und packte meine Sachen um am kommenden Morgen meine nächste Etappe der Fahrradtour zu starten, wobei ich mich schon richtig freute, da ich mich an dem kommenden Abend mit einer Backpackerin treffen wollte die ich kurz zuvor kennenlernen durfte.

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