Cassiopeia
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Die Balance zwischen Entspannung und Abenteuer - Nepal

Veröffentlicht: 19.12.2023

Auf dem Weg nach Pokhara traf ich vermutlich die interessanteste Personen die ich bis jetzt kenne gelernt habe. Einen mitte 60 jährigen Brasilianer, der in der damaligen Diktatur in Brasilien groß geworden ist, dort Medizin studierte und kurz vor dem Putsch und der Demokratisierung des Landes nach Paris zog. Dort machte er seinen Facharzt zum Pädiater und arbeitet ca. 10 Jahre für Ärzte ohne Grenzen in verschiedensten Krisenstaaten auf der ganzen Welt. Nachdem die emotionale Belastung zu groß wurde, fing er an als Expeditionsarzt zu arbeiten und betreute Expeditionen in die Arktis, im Himalya und viele Tauchgänge in tropischen Ozeanen. Vor 10 Jahren gründete der begeisterte Bergsteiger dann seine eigene Trekingfirma und fungiert heute sowohl als Guide, als auch als Expeditionsarzt für Bergwanderungen- und besteigungen im Himalaya, Atlas, Alpen, Dolomiten, Kaskaden, Ural und dem Kilimandscharo... Wenn das mal nicht der coolste Beruf der Welt ist. Expeditionsarzt! Jetzt bin ich einen Schritt näher zu der Antwort auf die Frage, in welche Fachrichtung, bzw. Berufsgruppe nach meinen Medizinstudium gehen möchte. Expeditionsarzt. Schon allein der Klang ist wundervoll und das Wort zergeht mir bei dem Gedanken an Abenteuer und Allgemeinmedizin auf der Zunge.

Als ich in Pokhara ankam fing bei mir eine Fressorgie an, die sich eine Woche zog und nur beendet wurde weil ich jetzt gerade am Flughafen in Kathmandu sitze und keinen Zugriff mehr auf die indische und nepalesische Küche habe. Obwohl ich mir doch noch zum Abendessen für später gestern noch Paneer Butter Masala mit zwei Butter Knoblauch Naanbroten einpacken ließ :-)

Die Zeit nutze ich dort vor allem zum regenerieren und organisieren. Ich versuchte verzweifelt Kontaktlinsen in meiner Stärke zu finden, da meine Brille bei einer Busfahrt nachts munter über den sandbedeckten Fußboden schlitterte und ihr einen neuen Schliff verlieh. Es dauerte 4 Stunden, mind. 7 Apotheken und Brillengeschäfte von denen mich einer nach der anderen zu einer Adresse eines Bekannten schickten, der angeblich welche habe und als ich dort ankam fing das ganze wieder von neu an, um endlich Kontaktlinsen zu bekommen, zumindest so etwa. Final fuhr am nächsten Morgen ein Mann mit viel zu großer Kleidung auf einem halb kaputten Roller vor meinem Hostel vor und hielt vor mir an. Er zog ein kleines Päckchen aus seiner Pullovertasche und übergab mir es, ich gab ihm das ausgemachte Geld und er fuhr sofort schnell ab. Es brauchte also 4 Stunden, einen Augenoptiker der einen Kurier schickt um Kontaktlinsen auszuliefern, da er die Passenden nicht auf Lager hattr, und 5€ pro Montaskontaktlinsenpaar um endlich wieder richtig in Nepal sehen zu können.

Ich traf ganz lustige Menschen und ging dann noch river raften, wobei ich ohne zu zögern sagen kann, dass es die gefährlichste Adrenalinfreizeitaktivität war die ich bis dato gemacht hatte, viel gefährlicher als Fallschirmspringen, Bungeejumpen oder Paragliding. Beide unserer Anleiter fielen ins Wasser, einer tauchte für 10 sek nicht mehr auf und ringte dann 50m weiter giemend nach Luft als er an einem Felsen hingen blieb. Ich selber wurde einmal aus dem Boot geschleudert, wobei ich mich mit meinem linken Fuß im Boot verklemmte und mit dem Kopf parallel unter Wasser vor mich hin strampelte. Aber ich kann gar nicht genug zum Ausdruck bringen, wie viel Spaß es machte 1½ Stunden über einen reißenden Fluss mit einem kleinen Boot zu fahren, während man von hinten angeschrien wird wer wie paddeln soll, den Strudeln versucht auszuweichen und das Wasser einem nur so ins Gesicht schlägt. Während ich da so mit meinen Kompanións herum flitzte kam mir ein bekannter Geruch wieder in die Nase, einen den ich in den letzten Monaten schon öfters gerochen hatte und in mir immer wieder ein Kribbeln verursachte. So riecht das Abenteuer.

Als ich mich Abends noch mit anderen in ein gemütliches Open-Air-Kino setzte und mir Interstellar anschaute und ich mich auf den Heimweg machte, telefonierte ich mit Malte und redete mit ihm über seinen kommenden Besuch und auch über Eva. Eva ist mit Abstand die Person, mit der ich am meisten Kontakt auf der Reise habe, tägliches Schreiben und ein Telefonat alle zwei- bis drei Tage. Und die Entwicklung die seit unserer Trennung im Februar stattgefunden hat ist einfach unfassbar, so dass ich mit vollkommener Überzeugung und Stolz sagen kann, dass sie meine beste Freundin ist und ich mit niemanden so locker und interessiert über alle Themen reden kann wie mit ihr. Dennoch merke ich immer noch nach 10 Monaten Trennung, dass es Momente oder Situationen gibt an der Gefühle wieder aufkommen die von stärkere Zuneigung geprägt sind. Wenn wir gespannt über die Liebe und unser Intimleben reden, welches bei mir mehr als flau ist (aber so auch vollkommen okay momentan, die Prioritäten liegen halt wo total anders) und bei ihr mehr am aufblühen ist denn je, kommt nicht unbedingt eine Sehnsucht nach ihren Erfahrungen in mir hoch, vielmehr die Sehnsucht nach ihr. Und das wunderte mich am Anfang noch sehr und führte vorallem zu Unsicherheit und gemischten Gefühlen, da ich zu 99% der Zeit Eva als besten 'Kumpel' sehe und dann ganz selten ein Kurzschluss meiner Synapsen passiert der zu anscheinend romantischen Gefühlen führt. Irgendwann wurde mir dann aber auch bewusst warum.

Zum einen lebe ich momentan ein Leben der schnellen Vergänglichkeit, welches wenig Raum für tiefere und romantische Beziehung zu lässt. Es ist ganz natürlich, dass man sich in so einer Situation bewusst oder unbewusst genau nach dieser Vertrautheit sehnt. In den vier Jahren unserer Beziehung beendete ich meine Schullaufbahn, zog in eine fremde Stadt in der ich mich nie richtig einleben konnte und wertvolle soziale Kontakte knüpfen konnte (welche ich vielmehr in anderen Städten fand) und steuerte auf das Ende meiner Ausbildung zu, mit dem Wissen von noch viel größerer Veränderung die bald kommen würde. Eva war somit für mich eine ziemliche Konstante, eine die ich ziemlich mochte. Sie war der Mensch, neben natürlich meiner Familie, die mich emotional durch all diese Zeit begleitete und somit für mich eine Art Personifikation eines Zuhauses wurde in einer Zeit in der ich nie das Gefühl hatte wirklich angekommen zu sein. Ich lebte diese vier Jahre mit dem Gedanken, dass es der Beginn einer langen Reise sein wird in der ich die Weichen stelle und dann mit einem Kopfsprung von diesem Sprungbrett in meine Zukunft springe, von der ich so viel träumte.

Auch wenn ich mir jetzt sehr viel mehr bewusst darüber bin, dass hier und jetzt genauso sehr, wenn nicht sogar mehr wertzuschätzen und zu genießen wie die Gedanken an eine mögliche Zukunft, so bin ich dennoch und vor allem immernoch auf Reisen und den Gedanken an das Konzept, dass Eva immer noch für mich diese Vertrautheit und das Gefühl nach Zuhause verkörpert, führt dann doch einfach ab und zu zu den gemischten Gefühlen. Hinzu kommt, dass ich mich (unter-)bewusst nach diesen tieferen und romantischen Beziehungen sehne und Menschen die bleiben, während Eav all das Momentan mehr als zu genüge hat. Es ist in keiner Weise so, als ob ich irgendwelche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Trennung habe oder mir wünsche die Beziehung wieder aufzubauen, geschweige eine intime Bindung mit ihr zu haben.


Es ist lediglich das simple Bedürfnis nach der Nähe eines vertrauten Menschen den man ziemlich gerne hat.


Meine letzte Station bevor ich nach Kathmandu zurückfuhr um meinen Flug zu erwischen hieß Chituwan-Nationalpark. In dem womöglich bekanntesten Nationalpark Nepals kam ich bei der nettesten Gastgeberin unter die man sich nur vorstellen kann. Sie organisierte alles für mich, kochte das beste Essen und war einfach eine Herzensdame. Mit ihrem Mann, der mein Tourguide war, machte ich mich dann auf eine einstündige Kanutour über einen vernebelten Fluss, auf dem wir über Krokodile hinweg fuhren und eine 9 stündige Walking-Safari. Der mystische Nebel lockerte sich mit der Mittagswärme langsam auf und eröffnete einen Anblick auf einen so dichten Jungel wie ich ihn noch nie zuvor sah. Es wäre absolut unmöglich gewesen sich auch nur einen Meter abseits von dem schmalen Pfad durch das Gestrüpp zu kämpfen, und das kommt von einer verdammt dickköpfigen Personen. Hier hingen die Lianen in tausenden von den Bäumen während sich Parasitenbäume spiralförmig langsam um andere Bäume schlungen, sich immer weiter zu zogen und wuchsen, bis der eingehüllte Baum keine Äste mehr abgeben konnte und abstarb, da er die Lichtenergie nicht mehr in Biomasse umwandeln konnte. Die Parasitenbäume wurden wiederum von weiteren parasitären Pflanzen bewachsen, die in Form von sehr starken Blättern direkt an deren Stamm fächerartig wuchsen und somit kleine circuläre Auffangstationen für Laub bildeten. Zwischen all dem Gestrüpp zischten Vögel in allen möglichen Farben herum und sangen ihre kleinen aber feinen Lieder, während Rehrudel das Laub an Lichtungen nach nahrhaften Essen durchsuchten. Im Nebel sahen wir die Silhouette eines Elefanten der mit seinem Rüssel die dicken Äste eines Baumes wie Holzsplitter abbrach um die Blätter zu verschlingen und gingen langsam richtung Graslandschaft. Die Graslandschaft bestand jedoch aus 3-4 Meterhohen Elefantengras und stellte sich als ziemliche Hürde heraus. Wir folgten dort dutzenden Tigerfußspuren, aßen verschiedenste Beeren, kreuzten Mango- und Litchibäume und kletterten hoch auf Baumkronen um mit dem Fernglas nach Tieren ausschau zu halten, als plötzlich ein Nashorn aus dem Nichts kommt und auf ein, uns nicht aufgefallendes, anderes Nashorn zu gestürmt kommt. Die riesigen Kolosse fingen vor uns an um ihr Revier zu kämpfen und wir rannten so schnell es ging davon. Es war mit Abstand der schönste Nationalpark in dem ich war und als ich hörte, dass man auch wochenlange Wanderungen dort machen kann, bei denen man in Hochständen schläft und mit dem dort überall wachsenden Ingwer und vielen anderen Pflanzen kochte, wurde ich ein wenig traurig.

Am nächsten Tag fuhr ich nach Kathmandu, traf dort Marlon wieder und ging paragliden. Ich war wie eine hilflose Taube, die nicht einmal eigenständig fliegen konnte, fühlte mich aber wie ein scharfsinniger Adler der seine Kreise über dem Himalaya zieht, der die Kälte trotzt und als gefürchteter Räuber auf die Jagd nach kleinen und großen Säugetieren geht. Es hat schon eine Menge Spaß gemacht und vor allem fliegt man 30 Minuten, macht akrobatische Kunststücke und kann die unfassbare Aussicht genießen. Ansonsten gingen wir noch bouldern, besuchten den ältesten Stadtteil Kathmandus, Bhaktapur, gingen zum Affentempel und quatschen viel bis spät Abends in einer richtig guten Bäckerei, die einen ganzen Leib Bananenbrot für 70 Cent verkaufte.

Tja, und nun... Nun sitze ich im Flieger nach Vietnam und freue mich wie ein mit Honig vollgefressener Bär darauf Malte und Eva morgen zu sehen, mit ihnen Weihnachten und Neujahr zu feiern, Vietnam m zu erkunden, gesellschaftliche Abende zu haben und gaaaaaannnnzzz viel Blödsinn zu treiben. Und dann... Dann kommt auch schon Lara! Uiiiiiiii, da freue ich mich genauso drauf! Mit ihr werde ich gemeinsam meinen Geburtstag feiern und zweisam einfach eine wundervolle Zeit haben ^^

Oh ja, wie schön (⁠◍⁠•⁠ᴗ⁠•⁠◍⁠)

Und auch jetzt weiß ich wieder nicht wie regelmäßig oder ob ich überhaupt dazu kommen werde meine Erfahrungen und Gedanken in den nächsten Wochen nieder zu schreiben ¯⁠\⁠_⁠(⁠ツ⁠)⁠_⁠/⁠¯

Bis dahin, tschö mit Ö

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