Cassiopeia
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Ein lang ersehntes Wiedersehen Hanoi - Vietnam

Veröffentlicht: 21.01.2024

Uiuiui, wo soll ich jetzt hier anfangen? Der letzte Monat war neben der unverwechselbaren Natur Nordvietnamems, den größten Höhlen der Welt und endlosen Reistrassen, eine gewaltige Mischung aus abenteuerlichen Geschehnissen, fast konstantem Blödsinn machen und viel vertrauten und liebenden Menschen auch die Aufgabe herauszufindnen wie sich auch eine Beziehung entwickelt.

Den Gedanken, dass ich Malte (meinen besten Freund) ca. 17.000km von unserer Heimat aus in der wusiligen Stadt Hanoi nach 4 Monaten wieder sehen werde kam mir auch noch fünf Minuten bevor ich an unserem Hostel ankam, wo er bereits auf mich wartete, wie ein bescheuerter Traum vor. Aber tatsächlich, vor mir saß der Lausbub und schrieb gerade etwas in sein Reisetagebuch und blickte mit einem breiten Grinsen zu mir hoch. Es war genau das wohlersehnte Wiedersehen, dass ich mir die ganze Zeit ausgedacht hatte. Die Vertrautheit der Umarmung, seiner Stimme und seiner Art zu reden und zu handeln, einfach nur wunderschön.

Eva (meine beste Freundin und nach vier jähriger Beziehung, Ex-Freundin) sollte zwei Tage später ankommen, so schmiedeten Malte und ich den Plan in den ersten beiden Tagen Hanoi zu erkunden um Eva eine kleine Highlighttour geben zu können. Unser Versuch uns vegetarisch zu ernähren ging gerade in den ersten Tag vollkommen in den Eimer. Während die Sprachbarriere in Sri Lanka, Indien und Nepal, durch das weit verbreitete Englisch, meistens keine Probleme machte, so stieß man hier vor eine viel größere Wand. Trotz gebrochenen vietnamesischen Wörtern, Google übersetzer und Künsten der Gestik, die seinesgleichen sucht, bekamen wir bei dem verzweifelten Versuch das Fleisch aus unserem Essen zu lassen nur noch mehr Fleisch als alle anderen.

Malte und ich unterhielten uns über jedes erdenkliche Thema und verbrachten fünf Stunden mit neun Heiißgetränken in einem Café, bei dem die Besitzer langsam die Vermutung bekamen, dass wir nie die Intention hatten die vielen Getränke zu bezahlen und nur auf einen passenden Augenblick warteten um abzuhauen, und plauschten über unsere Erkenntnisse und (Pseudo)weisheiten der letzten vier Monate. Unsere Erkundungstour führte uns weiter durch die Marktstraßen Hanois, bzw. des alten Viertels, welche quantitativ so präsent sind, dass sie gerade hier Supermärkte fast komplett ersetzen. Vor allem in Kombination mit den Ramschläden, bzw. vietnamesischen Kiosken, die so gut wie alles andere verkaufen. Die Märkte, die zu einem großteil aus einem zugleich Schaustellungsplatz von Tieren, dem Schlachthof, dem Verarbeitungswegen und dem letztendlichen Verkauf dienten ließen dadurch häufig wenig Platz für appetitlichen Geruch und Ansehen. Und trotzdem reizte die Art des lokalen und transparenten Verkaufs aller Lebensmittel. Wir überlegten ob dieser, zwar auf dem ersten Blick grausame Umgang mit den Tieren, besser sei als der in Europa. Dort passiert genau das selbe, wenn nicht noch viel schlimmer, bzw. mehr und konzentrierter. Ist es also vielleicht etwas gutes sich der Realität zu stellen, alle Prozesse mitzubekommen wie ein Huhn zu Hühnerfilet wird um seinen eigenen Umgang mit Fleisch anders zu bewerten und sich diesem Prozess hinter jedem Stück gleich bewusst werden? Vllt. hilft es ja das Konzept des lebenden Tieres und der Fleischwurst wieder zu verbinden und zu realisieren, dass immer ein echtes Leben dahintersteckt.

Nach längerem Austausch darüber sind wir nach dem Anblick von Menschen, die ohne Bedacht auf irgendwelche Schmerzen des Tiers, Hühner aus einem viel zu überfüllten Käfig an den Beinen halbherzig zogen, sie nach belieben herumwirdelten, ggf. Auf die Füße traten damit sie nicht weg rennen konnten und sie dann nebenbei halsüber in siedendem Wasser hielten, bis sie aufhörten zu zappeln ohne auch nur eine Wimper zu zucken, dass wir die Frage nach richtigen und falschen Umgang auch hier wieder nicht beantworten können.

Wie auch? Die Menschen hier haben ein komplett anderes Verständnis über das Leben eines Tieres. Wir Europäer tendieren immer mehr zu der Überzweugung, dass das Leben von Tieren auch einen immer größer werdenden Stellenwert bekommt. Wir halten sie als Haustiere, aus reiner Freude an ihrer Existenz, führen Debatten darüber ob es ethisch überhaupt vertret bar ist ein Tier zu töten und empfinden Mitleid mit den sich in der Fleischindustrie befindenen Tieren. Diese Art von Sozialismus, bei dem so viel auf das allgemeine Wohl und der Gleichberichtigung aller Menschen, und auch immer mehr die Übertragung dieser ethischen Vorstellung auf Tiere, existiert hier in Vietnam einfach nicht. Hier gab es noch nie die Idee, geschweige denn den Konsenz, dass Tiere Rechte besitzen oder sogar ebenwürdig zum Menschen sind.

Letztendlich kann ich nur sagen, dass dieses Konzept des Umgangs mit Fleisch einen vermutlich großen Effekt in Europa hätte, da es dort vor unserem Auge auf die uns beigebrachten Tierrechte stößt und einen inneren Wiederspruch auslöst, der von der untransparenten Fleischindustrie verhindert wird. Hier allerdings ändert die Visualisierung der Fleischproduktion rein gar nichts an dem Konsum. Vietnam ist nach Hong Kong und ein paar anderen ostasiatischen Ländern einer der Staaten die am meisten Kg Fleisch pro Kopf pro Jahr verzehren. Ob wir deswegen vielleicht progressiver in unserem Denken sind, ist dann halt vielleicht auch wieder eine überflüssige bzw. sinnlose Frage. Ethik und Moral sind ja nichts objektives, ganz im Gegenteil. Wie kann ich denn objektiv von Progressivität reden, wenn meine ethischen Vorstellungen bei uns besser umgesetzt werden, aber die Länder die zum Vergleich genutzt werden eine ganz andere ethische Grundlage nutzen. Natürlich kann ich sagen, dass die Entwicklung von Hartz IV zu Bürgergeld eine Weiterentwicklung ist, aber dass heißt ja noch lange nicht das der Neoliberale mir da zustimmt. Genau das gleiche mit dem Umgang von Fleisch. Nehmen wir vielleicht an, dass unser Verständnis für Tierrechte allgemeingültig sein sollte und wenn ja, warum? Warum hat der Vietnamese weniger Recht seine Vorstellung durchzusetzen? Wir handeln ja nun einmal auf ganz anderen Grundlagen und wer hat schon das Recht zu beurteilen welche mehr Wert ist. Ist seine Überzeugung falsch oder schlecht nur weil ich eine andere habe?

Wenn man sich die Geschichte der Menschheit anschaut kamen und gingen verschiedenste Moralvorstellungen und Ansichten wie Trends. Warum sollte es dann mit unserem Verständnis, dass die Selbstverwirklichung so einen hohen Stellenwert hat, während Gleichberechtigung genauso wichtig ist (also eigentlich eine wiedersprüchliche Fusion vom Liberalismus und Sozialismus) irgendwie anders sein. Die Chancen das es genau so ein Trend ist der gehen wird, sind wenn man sich nun einmal alle anderen Trends anschaut verdammt groß, und würde dass dann nicht vielleicht auch bedeuten, dass die Annahme, das unsere Überzeugungen richtig sind, falsch sein, da Menschen das ja zuvor von ihren angeblich richtigen und wahren Überzeugungen dachten, welche dann aber auch wieder verschwanden? Man kann zwar sehen das die Menschheit in den letzten zweihundert Jahren immer weiter und auch global (auch wenn Europa der treibende Motor war und zugleich sein größter Gegner) immer sozialistischer, friedlicher und gleichberechtigter wurde. Aber ob das bedeutet, dass wir auf dem richtigen Weg sind ist doch nicht möglich wenn man über diese Menschen geschaffene Konstrukte und Ideologien spricht. Oder doch, weil die Vorstellungen von Richtig und Flasch genau so unexistent in der Natur ist wie Tier- und Menschenrechte?

Viel zu viele Fragen in meinem dampfenden Köpfchen und die Antworten so fern.

Wir schauten uns auf jeden Fall noch ein Puppentheaterstück an, welches zwar eindeutig für Touristen war, dennoch das wildeste und beste Casper'le Theater war, welches ich bis jetzt gesehen habe. Das Bühnenbild, die Detailverliebtheit und die Inszenierung waren einfach toll. Abends entschieden wir uns kurzerhand, nachdem wir bereuten einen Gemeinschaftsraum mit Einzelbetten gebucht zu haben, heimlich in einem zu schlafen, damit wir wie früher kuscheln konnten :) Ich bin so unfassbar froh, mit Malte so eine Art von Freundschaft zu führen!

Ich fuhr morgens um 5 Uhr Richtung Flughafen um Eva zu empfangen und war richtig aufgeregt als ich in der Ankunfsthalle auf sie wartete. Ich glaube Eva war der Mensch der mir am meisten fehlte, ich möchte damit gar nicht sagen, dass ich sie deshalb mehr lieb habe als meine Mutter, Vater, Malte oder Lara. Bei den anderen Menschen war ich es nur teilweise gewohnter sie länger nicht zu sehen. Als ich Eva mit dem selbstgebastelten Schild mit ihrem Namen drauf sah kam sie auf mich zu gerannt und neben vielen Extasegeräuchen und lachen kamen auch ein-, zwei Tränen. Nach einer 10 minütigen Umarmung überreichte sie mir die Sache, bei der ich erst in dem Moment ihrer Erscheinung realisierte, dass genau das doch eigentlich die Sache war, die ich am meisten vermisst hatte.

Deutsches Brot...

Nicht irgendein, sondern ein selbstgebackenes Sauerteigbrot von meinem Bruder... und ein Gouda am Stück. Die Glücklichkeit erreichte das Level des Snickers im Himalaya und ich war außer Rand und Band von dem Geschmack. Danke Michi, dein Brot war phänomenal!!!! Somit war unsere Truppe wieder vereint. Blödsinn machend und rum lallend schlenderten wir mit Eva durch Hanoi, neckten und schuppsten uns, da wir unsere Freude und Zuneigung nicht nur mit Liebe zeigen konnten und quatschten uns wieder die Seele aus dem Leib bei dutzenden Kokusnusskaffees.

Zuletzt gingen wir dann noch in Restaurant, welches mir eine Facette von Essen zeigte, welche ich bis dahin nicht kannte, geschweige denn wusste, das sie existierte. Wir gingen zur Feier unseres Wiedersehens in ein 3-Sterne Sushi Restaurant, welches durch die vietnamesischen Preise tatsächlich bezahlbar war. Die kleine Platte Sushi die jeder von uns bekam war das beste was ich bis jetzt gegessen habe. Ich hätte auch nur dein blanken Reis oder den Ingwer essen können, so gut war jede einzelne Zutat. Dennoch kamen wir uns mit unserer Reise-Funktionskleidung doch ziemlich fehl am Platz vor, als wir neben den in Kleid und Anzug bekleideten wohlhabenden Erwachsenen niederließen und unser Gekicher zurückhalten mussten.

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