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Die Schweiz hat mich wieder

Veröffentlicht: 18.08.2020

Den Ruhetag könnte man sich ja wie Müßiggang vorstellen. Aber nicht in Italien. Hier gilt es das kulturell-kulinarische Programm konsequent abzuarbeiten. Das startet mit dem typischen Frühstück bestehend aus Cappuccino und Croissant in der Bar gegenüber. Danach geht es weiter zum Supermarkt um das morgendliche Kaloriendefizit noch mit einigen Sandwiches auszugleichen. Anschließend gilt es leckere geräucherte Wurst und lokalen Käse zu finden, um den Mittag zu überbrücken. Unglaublich was man da so bekommen kann, ich hatte schon sowas von einer Geschmacksexplosion im Mund, dass es mich einfach mal total weggeblasen hat. Anschließend gilt es dann an die tägliche Ration Speiseeis zu denken, begleitet von ein bis zwei Espresso. Sind diese Dinge abgearbeitet wartet der Aperol Spriz als Erfrischung vor dem Hauptmenü am Abend - Variationen von Pasta oder eine große Pizza, abgerundet mit dem passenden Dessert, wie zum Beispiel einem großen Becher Tiramisu. Es ist am Ruhetag schon anstrengend, aber wenn man dann auch noch eine Tour unterbringen will, erfordert dies schon eine äußerst minutiöse Planung.

So nahm ich dann am Folgetag mit frischen Kräften aber genauestens durchgetaktet ein paar nette Trails rund um Aosta in Angriff. Das hatte schon richtig mediterranes Flair, natürlich inklusive der dafür obligatorischen Dornenlandschaft neben den Wegen. Allzu viele blutige Kratzer konnte ich zwar vermeiden, aber soll bloß niemand meckern, dass meine Klamotten alle Löcher haben. Das waren nicht die Motten.

Ich hatte ja schon erwähnt, dass Aosta ziemlich tief im Tal liegt. Dazu passend war der Pass der mich zurück in die Schweiz bringen sollte, der Fenetre du Durand, ziemlich hoch. 2800 Meter. Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, mir stand eine Mörderetappe bevor. 2100 Meter am Stück musste ich mich hochschrauben um bewohntes Gebiet zu verlassen, und einen passenden Zeltplatz zu finden. Das sollte mein neuer Rekord an Höhenmetern mit voller Ausrüstung werden.

Also pedalierte ich mal los. Ich konnte mir ja Zeit lassen, bergab ging es an dem Tag definitiv nicht mehr. Unterwegs traf ich auf einen kurzen Plausch noch zwei Tourenradler auf dem Weg zum Großen St Bernhard. Wie üblich waren die mal wieder total entsetzt dass ich einen Rucksack dabeihabe. Stattdessen hängen sie lieber Dutzende von Taschen an jede einzelne Stange des Radels bis sich das eigentlich gazellenhaft-agile Gefährt in ein schwerfälliges Nilpferd verwandelt hat. So sehr ich mich mit anderen Radlern generell verbunden fühle, würde beim klassischen Tourenradeln doch alles wegfallen was das Bikepacking so besonders macht - dahin gehen, wo kein motorisiertes Gefährt mehr hinkommt, denn das sind erfahrungsgemäß die schönsten Plätze, dann dort oben im hochalpinen Gelände übernachten und natürlich anschließend noch über tolle Trails abfahren.

All das hatte gerade auch der Fenetre du Durand zu bieten. Ich fand abermals einen wunderbar einsamen Zeltplatz, oberhalb von zwei Gebirgsseen, vor steil abfallenden, mit Wasserfällen durchzogenen Felswänden und gegenüber der Gletscher der Combin-Gruppe. 

Bei Sonnenaufgang machte ich mich auf den Weg, die letzten 400 Meter schiebend zum Pass zurückzulegen. Oben angekommen schien es als hätte ich eine andere Welt wie aus einem kitschigen Fantasy-Film erreicht. Ein abgeschiedenes Tal lag vor mir, umgeben von Gipfeln deren Namen ich noch nie gehört hatte und vor denen gewaltige Gletscher abwärts krochen. Was für ein Panorama, und wie bestellt gab es dazu einen Traumtrail, der mich immer tiefer in diese Landschaft hineingleiten ließ. Ich begegnete keiner einzigen Menschenseele in diesem verwunschenen Land, bis ich irgendwann an einem riesigen Stausee ankam und somit wußte - die Schweiz hat mich wieder. Und deren Ingenieure haben mal wieder ganze Arbeit geleistet.

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