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Die Schlacht am Albulapass

Veröffentlicht: 14.07.2020

Nach dem Schlechtwettertag konnten wir uns am Sonntag dann endlich auf die Radel schwingen. Nach einem leckeren Schweizer Frühstück mit mikroskopisch kleinen Toasts und Baby-Butterbrezeln zu astronomisch großen Preisen waren Hans und ich halbwegs gestärkt um den ersten Anstieg zum Val Suvretta in Angriff zu nehmen. Kritisch beäugt von den vergletscherten Riesen der Berninagruppe erreichten wir nach einigen unschwierigen Schiebepassagen nach 800 Höhenmetern den Pass in einem eigentlich stillen Seitental weit weg vom Trubel von St Moritz. Naja, zumindest ist das Tal wohl in den restlichen 363 Tagen des Jahres still, denn heute wetteiferten 500 keuchende Mountainbiker im Pulk darum als erster bei uns am Pass oben anzukommen, und verstopften dabei unseren butterweichen Sahne-Trail. Der Engadin Bike Giro fand ausgerechnet dieses Wochenende statt. So ging es für uns beide also als Geisterfahrer im Stop-and-Go ins nächste Tal runter, was den Abfahrtsspaß dann doch etwas trübte.

Hans hielt sich aber gut. Sowohl bergauf wie auch bergab meisterte er seinen ersten Bikepacking-Pass souverän, und schien dabei auch tatsächlich noch Spaß zu haben. Aber die Kür stand ja auch erst noch bevor. Dazu mussten wir zuerst die öde Fahrstraße des Albulapasses hochkurbeln. Keine Ahnung übrigens was daran so toll sein soll, sein motorisiertes Zweirad, SUV oder seinen Porsche da hochzujagen um uns in Abgaswolken zu hüllen und mit Millimeterabstand zu überholen.

Oben angekommen ging es für uns dann erst richtig los. Das Ziel für unser Nachtlager war, laut Karte, ein kleiner See auf einem Felsvorsprung hoch über der Passstraße. Davon trennte uns nur leider noch dieser kleine Pfad, der sich steil durch die Felsen da hoch schlängelte. Grobschotterig, und über viele Felsstufen galt es nun Gepäck und Radel mit aller Gewalt hochzudrücken. Nachdem wir das Felsplateau dann recht entkräftet erreicht hatten mussten wir feststellen dass wir nicht die Einzigen waren die sich hier hoch gequält hatten. Eine Herde Kühe starrte uns ganz entgeistert an. Dementsprechend war auch der See nicht tiefblau sondern eher Kuhdung-braun. Wir entschlossen uns also noch weiter aufzusteigen bis wir die nächste Felsstufe erklommen hatten. Und auf einmal machte die eigentlich ziemlich fragwürdige Nutzung der eigenen Freizeit um ein Mountainbike einen viel zu steilen Berg hoch zu tragen, dann doch wieder Sinn. Zumindest für Hans und mich. Wir hatten einen atemberaubenden Zeltplatz erreicht - allein auf einer kleinen Bergwiese auf 2500 Meter Höhe, umringt von mächtigen, schroffen Gipfeln, die mit weißen Schneefeldern gesprenkelt waren und tief unter uns erstreckte sich die Hochebene die zur Passhöhe führte und sich mit dem goldenen Licht der untergehenden Sonne vollsaugte. Es hätte der perfekte Abend werden können. Doch es gab ja noch die Kuhherde.

Bei meinen bisherigen Outdoor Aktivitäten musste ich mich schon mit einer Vielzahl tierischer Herausforderungen herumschlagen, seien es Grizzlies, Wölfe, garstige Hirtenhunde, giftige Hornvipern oder Klapperschlangen. Alles machbar. Doch dass ich ausgerechnet an der gemeinen Schweizer Almkuh scheitern würde, hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Kurz nachdem wir unsere Zelte aufgebaut hatten und gerade unser wohlverdientes Abendessen zubereiteten, tauchten sie auf. Drei Grazien, die ihre Herde verlassen hatten um uns voller Neugier zu folgen. Erst noch mit gebührendem Abstand um uns kreisend, ließen diese Rindviecher alsbald alle Hemmungen fallen, und fielen über unsere Radel her. Schnuppernd und dann auch noch leckend vergingen sie sich an Reifen und Lenker. Voll Schreck sprangen wir also auf um diese Perversitäten kraft unserer Autorität schreiend und winkend zu unterbinden. Und es geschah genau gar nichts. Die Viecher blieben einfach unbeeindruckt stehen, starrten uns doof an und leckten einfach weiter.

Engagierte Tierschützer sollten an dieser Stelle jetzt besser nicht mehr weiterlesen, denn wir konnten unser Gewaltmonopol nur noch durch den Einsatz mittelgroßer Steine zumindest halbwegs wieder zurückerobern und diese hinterlistigen Viecher auf den nächsten Hügel zurückdrängen. Kaum zogen wir uns aber in unsere Zelte zurück, pirschte sich das Trio abermals an den total erschöpften und daher arglos schlafenden Hans heran und leckten weiter an seinem Radel. Erst nachdem wir die nächtlichen Vorstöße unseres Feindes mehrmals gewaltsam zurückschlagen konnten, zeichnete sich der Sieg für uns ab, und damit auch die wohlverdiente Nachtruhe.

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