bikepacking-alps
bikepacking-alps
vakantio.de/bikepacking-alps

Der lange Weg nach Zermatt

Veröffentlicht: 03.08.2020

Eigentlich wäre Zermatt gar nicht mehr weit weg vom Aletschgletscher. Auf direktem Weg, das Rhonetal runter, wäre das problemlos in einem Tag machbar gewesen. Doch ich sollte 4 Tage dafür brauchen. Auf der anderen Seite des Rhonetals gab es nämlich eine deutlich ursprünglichere, und weit weniger überlaufene Region zu entdecken - den Landschaftspark Binntal und die weiteren Seitentäler bis nach Visp.

So machte ich mich also auf, erstmal ins Binntal hochzuradeln. Abgeschnitten durch eine Schlucht versteckt sich der kleine, etwas verschlafene Ort Binn in einem Hochtal östlich der Rhone. Würde man hier den Parkplatz, die Postbus-Haltestelle, die nicht allzu vielen Wanderer und den kleinen Volg-Supermarkt entfernen, so würde man sich zurückversetzt ins 18. oder 19. Jahrhundert wähnen. Noch etwas weiter der Straße folgend, also beinahe am Ende der Welt, fand sich dann noch ein idyllisch gelegener Campingplatz.

Das Beste für mich an diesem Campingplatz war die Waschmaschine. Trotz außerordentlicher Leidensfähigkeit hatte ich nämlich inzwischen den Zustand erreicht, dass ich es unter olfaktorischen Gesichtspunkten einfach nicht mehr mit mir selbst im Zelt aushalten konnte. Schon seit Tagen suchte ich, bisher erfolglos, eine Möglichkeit die wenige und daher schon allzu oft getragene Wäsche zu waschen. Entsprechend motiviert war ich dann auch, Kontrolle über die einzige Maschine am Platz zu erlangen. Nach hartem Kampf hatte ich dieses Ziel gegen späten Nachmittag auch erreicht.

Frisch duftend ging es also am nächsten Morgen weiter. Ein schier endloser Aufstieg führte mich auf guten und nicht allzu steilen Wegen auf den Saflischpass. Bei grandioser Aussicht auf die umliegenden 3000er und 4000er verließ ich hier den Landschaftpark wieder, und konnte daher auch kurz nach dem Pass mein Zelt aufschlagen. Recht windig und in etwas Schieflage aufgrund der unebenen Hänge verbrachte ich hier die Nacht mit Vorfreude auf einen tollen Trail ins Tal runter.

Der Trail erfüllte dann alle Erwartungen. Erst ging es an der Hangkante flüssig weiter zum Bergdorf Rosswald, und von dort über den hoch gelobten 36-Kehren-Trail runter bis nach Brig. Einziges Manko waren meine quietschenden Bremsen. Keine Ahnung woran das lag, dass die ausgerechnet hier ihren Missmut äußerten. Die Kakophonie an Klängen vertrieb jedenfalls bestimmt jedweden anderen Waldbesucher im Umkreis von mehreren Kilometern.

Mit inzwischen summenden Ohren folgte sogleich der nächste Aufstieg. Über den Stockalperweg schob ich das Radel zum Simplonpass hoch. Ein alter Saumweg, der über zahlreiche kleine Brücken, die kaum breit genug für mein Radel waren, bis nach Taferna führten, einem verfallenen Gasthaus der früheren Wirtin Johanna Fy. Laut Sage muss die Gute seit ihrem Ableben im Kaltwassergletscher dafür büßen, dass sie den Durchreisenden einst den Wein mit Wasser verdünnte. Naja, bei so einem harten Regime müsste heutzutage wohl die halbe Schweiz im Gletscher eingesperrt werden, wenn ich mir die Entwicklung der Restaurant-Preise und Portionsgrößen seit den Zeiten der lieben Johanna so anschaue.

Weiter ging es dann zum belebten Simplonpass, und nach kurzer Rast Richtung Bistinepass, meinem geplanten zweiten Nachtlager im Freien. Ab hier folgte dann der landschaftlich eindrucksvollste Teil dieser vier Tage. Der Weg führte ohne großen Höhenverlust rund um den Talkessel des steil abfallenden Nanztals. Ganz hinten im Tal gelangt man dabei auf das Obere Fulmoos, ein kleines Plateau mit einigen Seen unterhalb mächtiger Gletscher. Der perfekte Zeltplatz, wenn ich das denn nur vorher schon gewusst hätte. War der Weg bis dahin noch ziemlich verbockt und ausgesetzt, ging es nun zum Talausgang in feinstem Singletrail erst weiter bis zum Pass, und dann 1500 berauschende Tiefenmeter runter bis nach Visp. Eigentlich schon ziemlich ausgepowert, und unter akutem Zivilisationsschock leidend, hieß es dann Zähne zusammenbeißen um die noch verbleibenden 30 Kilometer beziehungsweise 1100 Höhenmeter in sengender Nachmittagshitze nach Zermatt hochzuradeln - dem ersten großen Etappenziel auf dem Weg nach Nizza.

Antworten

Schweiz
Reiseberichte Schweiz
#bikepacking#binntal#saflischpass#stockalperweg#nanztal#zermatt