bikepacking-alps
bikepacking-alps
vakantio.de/bikepacking-alps

Auf der Tour du Mont Blanc

Veröffentlicht: 28.08.2020

Es war also tatsächlich die Zeit gekommen von der Schweiz Abschied zu nehmen, und mit dem dritten Pass über den Hauptkamm endgültig den Kurs Richtung Süden einzuschlagen. Dazu pedalierte ich zuerst mühsam hoch nach La Fouly, dem letzten, etwas verschlafen wirkenden Ort vor der Grenzüberschreitung mit einer selbst für die Schweiz außergewöhnlichen Lage. Direkt gegenüber des Ortszentrums reckte sich schon das Mont Blanc Massiv, durchzogen von mächtigen Gletschern, schier endlos gen Himmel auf, und bot mir erste Eindrücke davon was mich in den nächsten Tagen noch erwarten sollte.

Ich schwenkte hier im Val Ferret nämlich in die Tour du Mont Blanc ein, kurz TMB, einen sehr populären Weitwanderweg, der einmal rund um den Mont Blanc führt. Soll komplett als Bikepacking-Tour machbar sein, wobei ich mich allerdings auf die italienische, östliche Seite beschränken wollte, und Chamonix leider links liegen lassen werde. Entsprechend der Popularität nahm die Frequenz an Gruppen von Wanderern, die mir nun beinahe kontinuierlich entgegenkamen, erheblich zu. Und natürlich war da der ein oder andere durchaus irritiert als ich ihm Bike-schleppend entgegenkam. Die Reaktionen waren aber glücklicherweise durchweg positiv, teils wurde ich sogar angefeuert. Problematisch für mich war dabei allerdings die Suche eines adäquaten Schlafplatzes. Nicht nur, dass dauernd jemand vorbeikam, sondern das gesamte Gelände bis hoch zum Col Ferret war ein weitläufiges Plateau, das von der Passhöhe komplett einsehbar war. Es gab wirklich kein einziges verstecktes Plätzchen für mich zu finden. Mir blieb nur die Option, auf die italienische Seite zu wechseln. Laut Karte gab es beim Abstieg noch ein Seitental, das etwas besser geschützt sein könnte.

Dieses Tal riss mich auf den ersten Blick aber auch nicht zu Begeisterungsstürmen hin - tief eingeschnitten über einer Schlucht gab es nicht eine halbwegs flache Stelle soweit das Auge reichte. Mangels anderer Optionen folgte ich dem wenig begangenen Pfad aber trotzdem, und mühte mich durch recht unwegsames Gelände wieder aufwärts bis ich einen Lichtblick sah - oberhalb eines Wasserfalls knickte das Gelände ab. Und tatsächlich, nachdem ich mich da hochgearbeitet hatte, öffnete sich der Blick auf ein kleines, verstecktes Hochtal. Weit und breit war keine Menschenseele mehr zu sehen, dafür hatte ich aber das Wahnsinnspanorama auf den Mont Dolent und die Grand Jorasses direkt vor der Nase. Ein wirklich exklusiver Zeltplatz in absoluter Traumlage. Ich konnte mein Glück kaum fassen, und genoß die Aussicht bis mich irgendwann kurz vor Sonnenuntergang letztendlich dann doch die aufkommende Kälte ins Zelt und den warmen Schlafsack trieb.

Nach dem frostigen aber ebenso grandiosen Sonnenaufgang folgte eine spaßige Abfahrt im italienischen Teil des Val Ferret. Kaum an der Fahrstrasse in der Talsenke angekommen, ging es aber schon wieder aufwärts. Ich wollte ja dem TMB folgen, und der ging über ein endloses Auf und Ab am Hang entlang. Eine außerordentlich mühsame Passage, die sich allerdings mit der spektakulären Aussicht voll und ganz rechtfertigen ließ. Erst kurz vor Courmayeur ging es wieder etwas zügiger voran. Doch der nächste Anstieg ließ auch hier nicht lange auf sich warten. Über einen Forstweg sollte es 1000 Meter hoch gehen. Eigentlich nichts spektakuläres, doch die Auswirkungen der aktuellen Hitzewelle in Europa schlugen erstmals voll durch bei mir. Obwohl ich mich auf 1500 Metern Höhe befand, war die Hitze erdrückend. Zuerst in der prallen Sonne, schienen die umliegenden Felsen sich zu Wärmeaggregaten aufgeladen zu haben, und selbst der rauschende Gletscherfluss hatte keinerlei kühlende Wirkung mehr. Irgendwann ging es in den Wald, aber selbst dort war der weitere Aufstieg eine Qual. Total kaputt erreichte ich irgendwann die Waldgrenze und stand abermals vor dem Problem einen adäquaten Zeltplatz zu finden.

Das Gelände war immer noch stark von Wanderern und auch Tagesausflüglern frequentiert. Erschwerend kam hinzu dass es schon seit geraumer Zeit kein Wasser mehr gab. Und ohne Wasser war weder Abendessen noch Frühstück denkbar. Also schob ich immer weiter in der Hoffnung irgendwann auf das nun dringend benötigte Nass zu stoßen. Mit inzwischen schon fortgeschrittener Tageszeit wurde es zunehmend leerer auf den Wegen, und dann fand ich endlich auch ein kleines Rinnsal an dem ich meine Wasservorräte auffüllen konnte. Nachdem ich mit diesem Zusatzgewicht noch 50 steile Höhenmeter durch holprige Almwiesen querfeldein zu einer nicht einsehbaren Senke aufstieg, hatte ich ihn endlich - den nächsten Premium-Zeltplatz direkt gegenüber des Hauptgipfels vom Mont Blanc, und das auch noch bei bestem Wetter.

Der letzte Tag auf dem TMB führte dann noch vorbei an einem beeindruckend gelegenen Hochmoor, das einen angenehm grünen Kontrast zu der ganzen archaischen Fels- und Gletscherwelt bot, und schließlich hoch zum Grenzpass Col de la Seigne. Den mächtigen Mont Blanc vor mir aufragend, hatte ich nun passend dazu also Frankreich erreicht. Mehr Gletscher, mehr steile Felsnadeln und imposante Gipfel wie hier geht nicht in Europa. Die drei Tage auf dem TMB waren landschaftlich ein einziges Spektakel. Rasant ging es anschließend bergab, direkt zum ersten frisch gebackenen und köstlich belegten Baguette meiner Reise. Vive la France!

Antworten

Italien
Reiseberichte Italien
#bikepacking#mont#blanc#ferret#lefouly