Veröffentlicht: 28.10.2022
Hallo Leser:innen des fast besten Blogs der Welt,
Ihr wartet bestimmt alle schon gespannt auf Updates aus Zagreb und das Warten ist nun vorbei. Bevor ich zu Belgrad komme, will ich erst über mein Leben in Zagreb berichten.
Wie schon in der Überschrift angekündigt, konnte ich meinen Gewohnheiten aus Deutschland nicht komplett entsagen. Ich habe mich für Handball "angemeldet", womit ich meine, dass ich eine Mail an jemanden geschrieben habe und er meinte "Klar, komm vorbei". Das Training selbst ist anders als ich es mir vorgestellt habe und eigentlich gern hätte. Es ist "nur" ein paar Bälle werfen und vielleicht bisschen Spielen, aber mit nicht vielen Leuten. Bevor ich zum Training bin, hab ich auf 20 Leute gehofft, sodass die ganze Zeit nur gespielt werden kann aber nein. Es war trotzdem schön mal wieder einen Handball in der Hand zu halten, aber ich werde vermutlich nicht regelmäßig das Training besuchen, sondern nur, wenn sich die Lust nach bisschen Bälle schmeißen in mir wieder regt. Die Leute da sind trotzdem sehr freundlich, aber ich bin glaube der einzige Erasmus-Student, wodurch die gängige Sprache Kroatisch ist. Das wichtigste wird mir auf Englisch übersetzt, aber trotzdem fühl ich mich dadurch etwas außen vor. Mal sehen wie ich dies weiter handhabe.
Weiterhin genieße ich mein Leben in Zagreb vollends. Sei es mindestens ein wöchentlicher Besuch in der Boulderhalle mit Freunden oder allein, gemütliches Bier am Abend oder sogar einfach im Studentenwohnheim sitzen und Karten spielen. Langsam aber sicher wird mein aufregendes Auslandssemester zu einem "normalen" Studium, was mir aber keinesfalls missfällt. Schlussendlich will ich ja wissen, wie es ist hier zu studieren und ständig im Hinterkopf haben, dass es nur eine Ausnahme ist, macht es nicht authentischer. Das heißt nicht, dass ich keinen Spaß habe und Dinge unternehme. Diese Woche ist zum Beispiel Filmfest in Zagreb, weswegen ich auch einen Film über den Krieg in den Balkanstaaten (sorry an Leute, die sich damit auskennen und ich das Thema komplett falsch benenne) angeschaut habe. Er hieß "May labour day" im Englischen und ist wirklich empfehlenswert, vor allem wenn man sich mit den Dingen hier unten beschäftigen möchte. Leider hab ich keine weiteren Filme gesehen, weil das Fest um ehrlich zu sein irgendwie an mir vorbei gegangen ist...na ja, das kommt wieder.
So, nun endlich worauf ihr alle gewartet habt, Belgrad. Ich wurde etwa eine Woche vor dem Ausflug gefragt: "Lust auf Belgrad?" und da viele meiner Freunde bereits mehrfach gereist sind, ich aber noch nicht, konnte ich zu diesem Angebot nicht nein sagen. Wer kann generell zu einer Reise mit 11 anderen, wovon du zwei seit etwa 3 Wochen kennst nein sagen? Das Ding ist, ich habe zwar von Belgrad gehört, aber hatte vorher keinerlei Meinung zu der Stadt oder zu Serbien an sich, ich habe nur von den Spannungen zwischen Serbien und Kroatien mitbekommen, was mich persönlich aber nicht betrifft. Nun ja, die Reise beginnt. Sechs Stunden Busfahrt mit Flixbus mit einer doppelten Passkontrolle an der Grenze und schon waren wir in Belgrad, einer unglaublich schönen Stadt. Das könnte an meiner nicht vorhandenen Erwartungshaltung liegen oder einfach daran, dass die Stadt wirklich ansehnlich ist. Hauptsache die Stadt lenkt von dem eher "schlechteren" Hostel ab, es war aber ausreichend und für den Preis beschwer ich mich nicht und wir waren sowieso den ganzen Tag unterwegs. Hauptsehenswürdigkeit ist eine alte, gut erhalte Burg, auf welcher man die komplette Neustadt und den Fluss Belgrads überschauen kann. Das schöne Wetter dazu hat den Ausblick nur noch verbessert. Die alte Innenstadt selbst war dazu auch noch sehenswert und zu meiner Freude überwiegend autofrei. Viele Plätze, kleine Kaffees und Bars, viele schöne Gebäude und abertausende Statuen von allen möglichen Personen, die irgendwie wichtig sind/waren. Sozusagen kann ich Belgrad als Stadt mehr als nur empfehlen.
Nun kommt aber leider ein Wermutstropfen und zwar ist Rassismus und Homophobie in Serbien sehr präsent. Ich persönlich hab es nicht direkt mitbekommen, aber irgendwie hatte ich immer ein ungutes Gefühl im Bauch. Spätestens als ich eine Person mit einem großen Hakenkreuz-Tattoo auf dem Oberschenkel gesehen habe, fühlte ich mich etwas unwohl. Glücklicherweise war ich immer mit der Gruppe unterwegs und es ist auch nichts weiter passiert. Ich will damit nicht sagen, dass jede Person in Serbien ein Nazi ist, aber irgendwie wurde ich das unwohle Gefühl nicht los. Wie dem auch sei, die Stadt war wunderschön, die Rückfahrt abenteuerlich.
Aus irgend einem unerfindlichen Grund hatten wir unterschiedliche Abfahrtsstationen des Flixbusses auf unseren Tickets und wie es das Glück so möchte war ich der einzige, der am Hauptbusbahnhof eingestiegen ist. Glücklicherweise war ich eine Stunde eher da, um alles auszuspähen, wo ich hin muss, was ich machen muss usw. Bis jetzt alles gut, doch als ich herausgefunden habe, dass man 109 Dinar (etwa 1€) zahlen muss, um zu den Bussen zu kommen, war es vorbei. Ich hab das ganze verdammte Wochenende überlebt, ohne Bargeld abzuheben und nun möchte die Tante an dem Schalter von mir, dass ich Bargeld abhebe, nur um zu meinem Bus zu kommen?! Kartenzahlung war natürlich nicht möglich und der genervte Blick der Frau war auch nicht hilfreich. Dazu wollte selbstverständlich keiner der Passanten mir einen Euro leihen und so musste ich 500 Dinar (~4,30€) abheben. Im Nachhinein ist es nicht zu schlimm, weil ich nun noch ein paar Scheine als Andenken habe, aber in dem Moment war es sehr beunruhigend und stressig. (Sorry für den Ausraster)
Also insgesamt ist Belgrad eine wunderschöne Stadt, aber die Menschen machen mir Angst. Mein nächstes Ziel ist entweder Graz oder Triest, aber da bin ich mir noch nicht sicher. Bis dahin lass ich es mir weiter gut gehen, genieße das günstige Bier und Essen und knie mich vielleicht mehr in die Uni rein.
Lasst es euch gut gehen
William der Wärmevermeider