Veröffentlicht: 08.08.2019
02.01.2015
Ich habe mir einen Plan gemacht, was ich heute erledigen muß. Morgen verlasse ich ja Wellington in Richtung Südinsel und muss heute irgendwie rausfinden, wo ich meinen Mietwagen abgeben muss und ob ich die Schadensmeldung nicht lieber heute regele, als morgen quasi in der Anfahrt zum Schiff. Heute ist - das erfahre ich, als ich um kurz vor 9 artig die Parkuhr füttern will - noch ein public holiday. Also nochmals kostenlos Parken. Die Tante an der Rezeption wollte mir vorgestern pro Tag 30 Dollar für einen Parkplatz verkaufen, sagte dann aber, dass der 1.1. ein Feiertag ist und man kostenlos parken kann. Ab 2.1. müsse man wieder zahlen. Nun nimmt die Parkuhr aber auch am 2.1. kein Geld. Ich frage dieselbe Rezeptionistin, ob ggf. heute irgendwas Besonderes ist und sie sagt: Public Holiday! Ach ja, nochmal. Und morgen, 3.1.? Ja, da könne ich dann 2 Stunden kostenlos parken, ab da müsse man zahlen. Naja. Da brauche ich ja wohl keine Parkgarage für 30 Dollar am Tag, wenn ich draussen kostenlos parken kann. Bis 3.1. 10.00h morgens bin ich also abgesichert.
Nun suche ich noch nach einem Stück Brot. Ich habe noch ein kleines Mohnbrötchen, aber irgenwas Neues in der Richtung wäre auch nicht schlecht. Um die Ecke ist doch tatsächlich ein Café offen und hat - keine Brötchen. Man rückt aber eines dieser Aufback-Panini (blass und nicht aufgebacken) ohne Belag raus. Für ganz entspannte 2 Dollar! Ich schmeiße das Ding in meinem Apartment in den Toaster und dann geht's.
Nach einem entsprechend entspannten Frühstück, weil nun keine Parkuhr tickt, sitze ich um halb elf im Auto und steuere den Mt. Victoria Lookout an.
Unglaublich steile und kurvige Straßen durch Wohngebiete führen ganz nach oben auf diesen Hügel. Hier zu wohnen ist sicher vom Blick her genial. Aber der Wind tost hier oben gemein und ich denke, das Sitzen auf Balkonen und Terrassen ist sicher eher ungemütlich. Der Blick ist aber klasse. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel und auf der einen Seite sieht man auf Wellington, auf der anderen auf die Start- und Landebahn des Flughafens, der jenseits des Mount Victoria liegt.
Ich kurve wieder in die Stadt und suche nun nach Europcar. Im Internet gab es verschiedene Infos, mal gab es drei, mal nur zwei Niederlassungen. Ich fahre morgen mit der Bluebridge Ferry auf die Südinsel, die etwa 250m von meinem Hotel entfernt abfährt. Auf der Homepage der Fähre sehe ich aber einen Hinweis, dass Europcar dort nur nach Vorbestellung Wagen hinliefert und Abgaben ermöglicht. Also fahre ich zu dem 3km weiter entfernt liegenden Interislander Ferry Terminal. Glücklicherweise hat der Europcar-Schalter ungeplant offen (denn die haben nur 3 x am Tag 1 Stunde offen und die letzte Öffnungszeit ist jetzt eigentlich vorbei). Das Mädel am Counter ist völlig beknackt. Zum einen stottert sie, sieht aus wie 16, hat einfach überhaupt keine Ahnung und ich bin froh, dass zwei andere Europcarleute sich kurz dazugesellen, so dass Sharon das blöde Mädel, wenigstens den Schadensreport in Angriff nimmt. Denn nun bin ich von den zwei anderen auch ins Bild gesetzt worden, dass ich das Auto aufgrund meines heutigen Erscheinens und Vortragens meiner Frage nach dem Abgabeort, morgen zwar am Bluebridge Terminal den Schlüssel abgeben kann - aber nicht einen Schadensreport ausfüllen kann. Denn dort gibt es keinen Europcar-Schalter...Wie gut, wie gut, dass ich das heute geklärt habe. Schreibe also den Report und frage nochmal, wie ich denn am 22.1. an das neue Auto komme - ja, murmelt Sharon - und ich verstehe nach zweimaligem Nachfragen, das müsse ich dann hier am anderen Fährterminal abholen. Keine Lieferung an den 3km entfernten anderen Terminal möglich? Ja, murmelt Sharon nochmals - das müssen Sie hier abholen. Wirklich keine Zustellung zum anderen Fährterminal, ach, murmelt Sharon, das müssen Sie alleine machen, aber vielleicht kommt ja gerade einer vorbei, der Sie mitnehmen kann. Häh? Soll ich mit 40kg Gepäck den Anhalter am Highway in der Stadt machen oder fahren mal immer Europcar-Leute in der Stadt rum, um nach hilflosen Personen Ausschau zu halten. Sharon guckt nur wie eine Schildkröte und ich weiß, das wird hier nichts mehr. Für heute hab ich meine Europcar-Dosis intus und erinnere mich noch an die traumhafte und ähnlich beknackte Abgabe des Autos bei Europcar in Perth vor 11 Monaten...
Zwischendrin hatte ich überlegt, das Auto heute schon abzugeben, da ich es morgen nicht brauche. Aber nun, da ich keine Parkgebühren zu zahlen habe und meine Freundin Sharon mir ja irgendwas gesagt hat, ich könne das Auto auch bei Bluebridge Ferries abgeben, indem ich jemandem dort den Schlüssel gebe, fahre ich mit dem Auto wieder zum Hotel, finde einen Parkplatz und gehe auf die Erkundungstour, die ich mir heute vorgenommen habe.
Einerseits will ich zum Civic Square, einem Platz, an dem das alte Rathaus neben einem krachmodernen Veranstaltungszentrum steht und über die hölzern und wild verzierten City to Sea-Bridge, die über die mehrspurige Straße Jervois Quay verläuft.
Die City-to-Sea-Bridge ist eine irre Mischung aus verschiedenen Holzskulpturen und wie überall, ist auch dieses Kunstwerk von den Menschen als Aufenthaltsort angenommen worden und man sitzt mittendrin und futtert seinen Lunch oder trinkt einen Kaffee. Am Civic Square ist es eher etwas kahl. Hier fehlen auf diesem sehr ungemütlichen Platz nicht nur Bäume, sondern auch Menschen. Nun ist die große Central Library auch geschlossen und vielleicht gäbe es sonst mehr Leben hier. Die Biblothek hat etwa seltsame, riesige silberfarbene Palmen aus Metall, die offenbar Teile des Gebäudes stützen.
Ich bummele über die hölzerne City-to-Sea-Bridge und laufe geradewegs zum Te Papa/Nationalmuseum. Um kurz nach 14.00h starte ich im 4. Stock meinen Rundgang und schenke mir die Kunstausstellungen im 5. und 6. Stock. Das Museum beherbergt eine kaum zu übertreffende Vielfalt an Themen.
Angefangen von der Besiedlung Neuseelands, Probleme der Menschen, der Natur. Geschichte der Maori, ausgestorbene Tiere, welche nicht indigenen Tiere hier angesiedelt wurden und damit die hier ansässigen Tiere ausgerottet haben, die geologische Geschichte, Mythologie der Maori, deren Behausungen, Waffen etc. etc. Es ist eine Art kultur- und naturhistorisches Museum Neuseelands. Dabei sehr kurzweilig gestaltet, auch mit kleinen Videovorführungen, die in Endlosschleife laufen und interaktiv, damit es noch etwas bunter wird. Allerdings ist die Anordnung manchmal etwas unübersichtlich.
Einiges ist aber doch beeindruckend: Bevor die Maori das Land besiedelten, war Neuseeland zu 95% bewaldet. Als später noch die Pakeha (Maori für "Europäer") hier herkamen, wurde immer mehr Wald zum Opfer der Landwirtschaft und Viehzucht. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Europäer begannen hier zu siedeln, hatte Neuseeland nur noch 55% des alten Baumbestandes. Heute sind noch maximal 25% der Wälder überhaupt vorhanden, weil sie in schwierig zugänglichen Bergregionen wachsen und deswegen dem Landhunger der Menschen noch nicht zum Opfer gefallen sind. Heute sind diese Wälder ohnehin meist Bestandteil von Nationalparks oder Preserves.
Ich lerne Shrek kennen - das unglaubliche Schaf! Shrek wurde eigentlich erst so genannt, als man es als gutes Marketingtool erkannt hatte. Das Schaf ist vor Jahren aus seiner Herde ausgebüxt und hat sich fast 6 Jahre in einer recht hochgelegenen Region aufgehalten und in einer Höhle die schneereichen Winter überstanden. Als man das Schaf zufällig fand, war es total zugewuchert mit Wolle. Die Fotos sind unglaublich: Ein riesiges Wollknäuel mit sehr kurzen Stummelbeinen und einem fast nicht sichtbaren Gesicht. Der hat sicher kaum sehen können. Als man ihn dann endlich gesichtet hatte, hat man ihm 27 Kilo Wolle abscheren können. Der Finder von Shrek hat mit dem Schaf eine Art Wohltätigkeitstournee angetreten und ist zu Kindern, in Schulen etc. gefahren. Shrek wurde Star diverser neuseeländischer Kinderbücher und die Einnahmen des Farmers hat selbiger an die neuseeländische Kinderkrebshilfe gespendet. 2011 wurde Shrek eingeschläfert, da er wohl krank war.
Shrek - das Schaf mit 27kg Wolle
Aotearoa - das Land der langen weißen Wolke - nennen die Maori Neuseeland. Als Kupe, der Entdecker Neuseelands in der Maori-Mythologie mit seinem Waka (Kanu) sich der Küste näherte, rief seine Frau: He ao, he ao, hea tea, he ao ta roa! Eine Wolke, eine Wolke, eine weiße Wolke, eine lange weiße Wolke! Aus den letzten Worten entstand dann wohl das heutige Maori-Wort Aotearoa für Neuseeland (Wolke-lang-weiß = Das Land der langen weißen Wolke).
Wie kamen polnische Kinder nach Neuseeland? Als im zweiten Weltkrieg polnische Familien nach Sibirien verschleppt wurden, haben nicht viele von den Menschen überlebt. Insbesondere die Kinder litten und man hat sie wohl 2 Jahre später von Sibirien aus auf eine unfassbare Reise nach Westen geschickt. Zu Fuß, mit der Eisenbahn und über verschlungene Wege, wurden sie nach Teheran geschickt. Nicht viele erreichten die Stadt. Die, die auch diese Reise überlebt hatten, verbrachten nochmals Monate in Krankenhäusern oder persischen Waisenhäusern, denn die meisten hatten bis jetzt ihre kompletten Familien verloren oder wußten nicht, wo diese sind. Über 700 polnische Kinder wurden von dort nach Neuseeland geschickt. Sicher leben heute noch viele von ihnen hier.
Der Erste Weltkrieg war für Neuseeland ein besonderes Schicksal. Die britische Krone erwartete die Teilnahme der Commonwealth-Nation, insbesondere in den Schlachten entlang der belgisch/französisch-deutschen Frontlinie und in Gallipoli, beim Kampf gegen die Türken. 12.000 Neuseeländer starben in diesem Krieg. Gemessen an der Gesamtbevölkerung Neuseelands, waren dies mit die prozentual höchsten Verluste, die ein Land zu beklagen hatte. Unter den Soldaten gab es viele Maori.
Die Rainbow Warrior ist ja immer noch ein Begriff. Dass sie gesunken ist auch. Mir war nicht mehr in Erinnerung, dass das Schiff 1985 im Hafen von Auckland von zwei französischen Agenten in die Luft gesprengt wurde, damit nicht mehr weiter Proteste gegen die französischen Atomversuche im Südpazifik stattfanden. Das Schiff hat später einen letzten Ruheplatz in der Bay of Islands erhalten. Die Atomversuche (der Franzosen, Amerikaner und Engländer) nördlich Neuseelands im Muroroa- und Bikini-Atoll haben die Neuseeländer immer verärgert, aber offenbar waren sie machtlos, diese zu verhindern. Bis in die Jahre 1995/96 liefen diese Versuche der Franzosen noch! Unglaublich.
1987 erklärt sich Neuseeland - unter Führung des Premiers David Lange - zur atomwaffen- und atomenergieefreien Zone! Atombetriebene US-Schiffe erhalten keine Landeerlaubnis mehr und die Amerikaner beginnen quasi ein Anlauf-Embargo in Neuseeland, indem kein Marine-Schiff der USA mehr anlief. Das Verhältnis der Bündnispartner bekam einen ziemlichen Knacks. Die Neuseeländer haben allerdings Seite an Seite mit den Amerikanern in Korea, Vietnam und Afghanistan Krieg geführt.
Was sind die heutigen Wirtschaftsfaktoren in Neuseeland und wie war es vor 50 Jahren?
Entgegen meiner Vermutung, dass Wolle einer der Hauptanteile des Exports sind, ist dies im Laufe von 50 Jahren von ehemals 34% auf heute nur noch 2,6% zurück gegangen. Während 1960 noch 25% des Exports Fleisch ausmachte, ist auch das heute nur noch bei 15%. Milchprodukte machen heute nur noch 15% aus (1960: 26%). Heute liegen mit fast 19% Anteil andere landwirtschaftliche Produkte vor den eigentlich neuseeland-typischen Dingen. Mit 47% werden jetzt sonstige Exportartikel deklariert, was immer sich dahinter verbirgt.
Als ich um 16.30h dermassen gebildet das Museum verlasse, nachdem ich an einer Skulptur eines übergroßen Orks vorbeikomme, der ja gestern noch im Hobbit-Film die Zwerge und Elben gemeuchelt hat, scheint die Sonne immer noch und ich gehe in Richtung Cuba Street, weil ich langsam Hunger habe und hoffe, dort eine nette Kneipe mit Essen zu finden. Fehlanzeige. Die meisten sind weiterhin geschlossen und die zwei die offen haben, scheinen mir kein Essen zu haben. In der schmalen Straße hat die Sonne kaum noch eine Chance, sodass draußen essen auch nicht mehr geht, weil der Wind einfach zu kalt ist. Ich hole mir einen abgestandenen Kaffee in einer Bäckerei, die auch gerade zumacht - es ist 17.00h. Die paar Läden, die offen waren, räumen gerade alle zusammen. Also laufe ich zurück in Richtung Hotel und gehe in der Nähe mit Blick aufs Wasser zu einem Italiener essen. Die Nudeln sind zu weich, die Soße fettig, der Wein ist billiger Fusel und alles zusammen für 44 Dollar. Willkommen in Neuseeland. Ich werde weiterhin mehr Selbstversorger sein!
Als ich noch Tagebuch schreibe, färbt sich der Himmel etwas rosa und ich hoffe morgen auf schönes Wetter. Dritter Anlauf in der Old Bank Arcade - vielleicht hat die ja morgen offen. Normalerweise hat sie ab 10.00h auf, aber was ist hier schon normal, wo Restaurants Zettel im Fenster haben, dass sie über die Weihnachtszeit vom 19. Dezember bis zum 12. Januar zumachen. Entweder verdienen die hier alle eine Mörderkohle, oder sie ist ihnen egal.
Tageskilometer: 10km