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Etappe 45: Von Tekirdag nach Istanbul

Veröffentlicht: 06.01.2022

Wettertechnisch wäre es klüger gewesen, schon einen Tag früher mit Andrea und Lotfi nach Istanbul zu fahren, aber der Pausentag in Tekirdag tat gut. Am 4.12. war ich die knapp 150 verbleibenden Kilometer bis Istanbul fast pausenlos im Regen unterwegs, daher gab es auch keine Foto-Stopps zwischendurch! Die Fahrt führte sowieso größtenteils an der Hauptstraße entlang, in Beylikdüzü und Avcilar fiel die Orientierung schwer, was die Motivation nicht gerade steigerte. Dafür gab es auf den letzten Kilometern entlang der "Kennedy Caddesi", der Küstenstraße im Südwesten Istanbuls, sogar einen Radweg! Die Straße wurde 1963 fertiggestellt und John F. Kennedy nach seiner Ermordung im gleichen Jahr gewidmet.

Zunächst von der Größe Istanbuls überwältigt war es ohne mobile Daten gar nicht so leicht, mein Hotel zu finden. Die ersten zwei Nächte wollte ich in der Nähe von Lotfi und Andrea verbringen, die beiden hatten sich im beliebten und touristischen Viertel Sultanahmet niedergelassen. Abends gab es nach der anstrengenden Etappe nur noch ein gutes Abendessen fünf Meter vom Hotel entfernt.

Am nächsten Tag hatte ich mich mit den verrückten Italienern zu einer großen Besichtigungstour verabredet. Da ihr Rückflug schon für den 6.12. gebucht war, wollten sie die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an einem Tag abklappern. Los ging's in Sultanahmet, über die berühmte blaue Moschee (die leider gerade renoviert wird) zur Hagia Sofia. Obwohl diese seit 2020 wieder als Moschee genutzt wird, finden sich im Inneren noch viele christliche Symbole und Wandbilder aus der byzantinischen Zeit. Diese wurden trotz Eroberung durch das Osmanische Reich 1453 nicht zerstört. Weiter zum Topkapi-Palast (erstmal nur von außen) und dann über die Galatabrücke weiter Richtung Norden am goldenen Horn entlang. Der Galataturm durfte natürlich auch nicht fehlen, danach gings es durch kleine verwinkelte Gassen in Beyoglu und später über die bekannte Einkaufsmeile "Istiklal" bis zum Taksim-Platz. Dieser zentrale Treffpunkt und der benachbarte Gezi-Park wurden zum Symbol für die regierungskritischen Proteste 2013, die in der ganzen Türkei stattfanden. Nach einem kleinen Mittagessen ging es weiter über den Vodafone-Park zum Dolmabahce-Palast (wieder nur von außen, da Lotfi und Andrea keine Zeit hatten). Nachmittags ging es mit der Straßenbahn von Kabatas zurück nach Sultanahmet. Die beiden waren ein paar Stunden damit beschäftigt, ihre Räder für den Flug in Kartons zu packen. Später gab es Abendessen in einem kleinen Restaurant in Fatih abseits der Touristenecken. Natürlich durfte auch Baklava zum Abschied nicht fehlen!

An Nikolaus wollte ich dann nochmal die wichtigsten Sehenswürdigkeiten mit professioneller Unterstützung besichtigen. Also ab zur Free Walking Tour mit Treffpunkt am deutschen Brunnen, direkt bei der Hagia Sofia. In über drei Stunden gab es viele Insider-Infos und Tipps zur weiteren Erkundung. Die Führerin Pinar war super und bot nachmittags eine weitere Führung mit Bootstour zu einem sehr guten Preis an. In der Pause dazwischen war gerade genug Zeit, Fahrrad und Kram vom Hotel in ein Hostel in Fatih zu bringen und zum Treffpunkt der zweiten Tour in der Nähe des Yenikapi-Hafens zu hetzen. Dort befindet sich der letzte Halt des berühmten Orient-Expresses. Bei der zweiten Tour waren wir nur zu viert (inkl. Pinar), sodass es sich wie eine private Führung anfühlte und man viele Fragen stellen konnte. Nur das Boot mussten wir uns mit einer größeren spanischen Reisegruppe teilen. Es ging von Yenikapi ins goldene Horn nach Eminönü, dann wieder zurück und nach Norden in den Bosporus bis zur zweiten Bosporus-Brücke. Auf dem Rückweg war das Timing perfekt für einen schönen Sonnenuntergang über Istanbul. Die Fähre hielt in Üsküdar auf der asiatischen Seite. Von da aus konnte ich mit den beiden anderen Teilnehmern, Moukhtar und einem Inder, der in den USA lebt, noch etwas Zeit in Asien verbringen. Es gab Kokorec (Schaf-Darm), was nicht unbedingt mein Fall war. Im Dunkeln ging es mit der öffentlichen Fähre zurück nach Karaköy und anschließend zu Fuß durch die ganze Stadt ins Hostel in Fatih. Der Tag war erlebnisreich, vor allem die Bootstour mit vielen Infos war super spannend!

Der nächste Tag war verregnet, aber ich hatte es immerhin ins archäologische Museum in der Nähe des Topkapi-Palastes geschafft. Im Museum sind viele Fundstücke aus der Zeit früher Hochkulturen (Sumerer, Babylonier) ausgestellt. Es gibt auch eine größere Sammlung an Sarkophagen, allen voran der Alexandersarkophag (4. Jhd. v. Chr.).

Am Tag darauf ging es dann endlich in den Topkapi-Palast. Die riesige Anlage war lange Zeit der Wohnsitz der Sultan und Verwaltungszentrum des Osmanischen Reiches. Sultan Mehmet II. Ließ ihn nach der Eroberung Konstantinopels errichten. Gebäudekomplexe und Gartenanlage waren beeindruckend, an das Fotografierverbot im Innenbereich haben sich leider die wenigsten Touristen gehalten (von Abstand und Maskenpflicht ganz zu Schweigen...). Auch bedeutende Reliquien des Propheten Mohammed (Säbel, Turbane etc.) findet man hier, mein Highlight waren aber seine Barthaare! Auch diese wurden trotz strengen Verbots fleißig fotografiert, auch von Muslimen... Nachmittags ging es weiter zum wenig touristischen Museum für islamische Technik und Wissenschaft. Dort gibt es viele spannende Apparate und Modelle aus der Zeit, in der die islamische Welt Vorreiter in Astronomie, Medizin und Technik war. Man kann dort gut eine Stunde verbringen.

Später am Abend ging es dann bergab mit mir, offensichtlich hatte ich etwas Falsches gegessen. In den nächsten Tagen standen Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit und Magen-Darm auf dem Programm (an dieser Stelle keine weiteren Details). Was ich zwischendurch noch besichtigen konnte, waren der große Basar mit Gewürzbasar und die große Rustem-Pasha-Moschee. Am 10. wollte ich nochmal den Standort wechseln und hatte mich mit Rad und Gepäck in die Nähe des Taksim-Platzes geschleppt. Da keine Besserung in Sicht war, konnte ich dort nur noch das Standard-Touri-Programm (Postkarten schreiben und Souvenirs kaufen) erledigen. 

Der ohnehin geplante Heimaturlaub über Weihnachten und Silvester kam also wie gelegen. Statt Streetfood hatte ich mich nur noch an Zwieback und Salzstangen getraut, immerhin war die ständige Müdigkeit weg. Also noch schnell am Vortrag des Fluges das Fahrrad inkl. den meisten Taschen bei einer kleinen Lagerraum-Vermietung in Sisli einschließen (Mietvertrag nur auf Türkisch!) und dank negativem PCR-Test guten Gewissens zurück nach Deutschland! Die drei Wochen bei Freunden und Familie waren sehr erholsam und schön. Die paar Kilo Verlust an Biomasse durch Sport und Magen-Darm wurden über die Feiertage schnell wieder ausgeglichen. 

Man gewöhnt sich sehr schnell an den üblichen Komfort, was die Motivation zum Weiterfahren natürlich nicht gerade steigert. Aber am 04.01. Ging schon wieder der Flieger zurück nach Istanbul, wie schnell die Zeit vergeht! Diesmal ging es mit dem Bus vom Flughafen nach Besiktas, ein Viertel, von dem gerade die jüngeren Einheimischen schwärmen. Mein gemütliches Hostel war mitten im Frühstücksviertel, nebenan finden sich lauter Restaurants und Bars. Im Gegensatz zu Sultanahmet oder Taksim wird man hier auch nicht jeden Morgen vom Muezzin geweckt. Fahrrad und Gepäck waren tatsächlich noch an Ort und Stelle, und ich hatte mir einen halben Tag Zeit zum Putzen und Warten meines Gefährts genommen.

Die Besichtigung des Dolmabahce-Palasts stand auch noch aus, das konnte ich am 7. Januar endlich nachholen. Dort verbrachte Mustafa Kemal Atatürk, der "Vater der Türken", seine letzten Jahre. Vor allem die riesigen Kronleuchter, Teppiche und farbigen Zimmer machen den Dolmabahce-Palast zu etwas Besonderem. Auch Erdogan empfängt wohl ab und zu Gäste hier. Insgesamt gefiel mir der Dolmabahce-Palast besser als der Topkapi-Palast, was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass es hier weniger Touristen hab. Nach ein paar letzten Vorbereitungen und einem letzten Rundgang durch Besiktas geht die Tour mit ordentlich Reisefieber morgen endlich wieder weiter! Istanbul bleibt mir in sehr guter Erinnerung, und es wird definitiv nicht das letzte Mal gewesen sein. 

Antworten (2)

Günter
Definitiv nicht das letzte Mal? Dann erwarte ich beim nächsten Mal aber eine Stadtführung für mich!

Stefan
Das lässt sich einrichten ;)

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