Veröffentlicht: 09.12.2019
Nach einer 18-stündigen Busfahrt und dem Gefühl sich den Hintern wund gesessen zu haben erreichten wir früh morgens die Inka-Hochburg Cusco – unser Aufenthaltsort für die nächsten 5 Tage. Zeit um Schlaf nachzuholen gönnten wir uns in diesem Fall nicht, da wir für unsere Zeit zu viert die Gegend bereits vorab erkunden wollten, um die letzten Planungen zu treffen. Am darauffolgenden Tag, dem 12.11., erwarteten wir freudig Martinas Eltern, welche über Lima (Meeresspiegel!) direkt nach Cusco (3400m!) flogen und doch etwas schnaufend im dritten Stockwerk unserer AirBnB Wohnung ankamen. Ob die aufgetretene Feuchtigkeit in den Augen dem geringen Luftdruck zuzuschreiben war oder doch eher dem freudigen Anlass des Wiedersehens bleibt ein Rätsel. Gewiss ist, dass wir beide echt happy über den Familienbesuch aus der Heimat waren und uns nun 3 Wochen des gemeinsamen Reisens bevorstanden.
An den ersten beiden Tagen akklimatisierten wir uns, indem wir in gemächlichem Tempo durch die Stadt schlenderten und Martinas Eltern in die Inka-Kultur eintauchen ließen. So schmissen wir uns in deren traditionelle Tracht und ließen ganz authentisch ein richtiges Inka-Feeling aufkommen.
Wir bewunderten die verschiedensten Inka-Bauten, welche zum Teil noch immer erhalten sind. Zu erkennen sind diese an den tonnenschweren, quaderförmigen Steinen, welche zu damaligen Zeiten auf undenkbare Art und Weise aufeinandergestapelt wurden. Des Weiteren wurden die ersten Tage dafür genutzt, den Eltern die peruanischen Gaumenfreuden zu zeigen. Schmackhaft machen konnte man ihnen definitiv nicht alles davon. So blieben die würgereizerregenden Spezialtäten des San Pedro Markets wie Larven, Frösche, Meerschweinchen und Co. unverzehrt. Besonders angetan haben es uns diese Herrschaften hier…
Neben Essen, Trinken und Sightseeing im Citycenter wurde auch die Gegend rund um Cusco besichtigt. Jeder Ausflug ein Highlight für sich!
Laguna „Kinsa Cocha“
An diesem etwas abgelegenen See auf knapp 4000 Meter durften wir als einzige Touristen die Schönheit der Natur genießen und ein Stückchen gemeinsam mit Lamas und Alpakas wandern. Wir freuten uns über die Begleitung unseres netten Taxifahrers, welcher uns einiges über die dort wachsenden Pflanzen und angebauten Gemüsearten erzählte.
Salineras de Maras
Die Salzbecken in Maras waren ebenfalls ein Meisterwerk der Inkas und von Hand erbaut. Sie gelten als die höchste Salzfarm der Welt. Das wertvolle Salz wurde als „Weißes Gold der Anden“ gehandelt. Auch heute erfolgt hier noch Salzgewinnung.
Terrassenfelder von Moray
Im ersten Moment erinnern die terrassenförmig angelegten Felder an ein Amphitheater. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine speziell gestaltete Anbaufläche der Inka. Hier wurden sich die verschiedenen Höhenlagen zu Nutze gemacht und bis zu 250 verschiedene Getreide- und Gemüsearten an dafür bestgeeignetster Stelle angebaut.
Inka-Ruinen
Ein weiteres Highlight waren die Besichtigungen der Inka-Ruinen in Ollantaytambo und in Pisac. Unglaubliche Weitläufihkeit!
Lago Titicaca
Mit dem Nachtbus machten wir uns auf in Richtung Süden, um dort von der Ortschaft Cabanaconde aus den bolivianischen Teil des Titicacasees kennenzulernen. Bei Ankunft am Busterminal in Puno (peruanische Seite des Sees) wurde uns frühmorgens mitgeteilt, dass unser bereits gebuchter Bus – so wie alle anderen Busse auch – gestrichen wurde. Die politische Situation in Bolivien hatte sich weiter zugespitzt und alle wichtigen Straßen wurden zwei Tage zuvor von den Anhängern des Ex-Präsidenten Evo Morales blockiert. Wie bereits Wochen zuvor in Ecuador war auch dieses Mal die indigene Bevölkerung bereit mit fast allen Mitteln ihre Partei zu unterstützen, um die Aufhebung einer bereits getroffenen politischen Entscheidung herbeizuführen. Leider erreichte die Situation ihren negativen Höhepunkt, als wir nach Bolivien einreisen wollten, um dann weiter nach La Paz und in die Salzwüste zu fahren. Als einzige Möglichkeit hätten wir mit einem Taxi zu einem saftigen Preis bis zur Grenze fahren können, um dort diese zu Fuß zu überqueren und anschließend 10 Kilometer bis nach Copacabana zu laufen. Da wir schon genug vom Wandern mit 20 Kilogramm am Buckel hatten, lehnten wir dankend ab. So warfen wir (zu Beginn mit einem etwas fadem Auge) einen Großteil unserer zuvor gemachten Reiseplanung über den Haufen und blieben vorerst für 5 Tage an der peruanischen Seite des Titicacasees in Puno.
Trotz des ungeplanten längeren Aufenthaltes in Puno kam keine Langeweile auf.
Der Titicacasee liegt auf 3.812 Meter und ist somit der höchstgelegene kommerziell schiffbare See der Welt. Mit seinen 8.288 m² Fläche ist er außerdem der größte Süßwassersee Südamerikas – zur besseren Vorstellung: Er ist 15-mal so groß wie der Bodensee bzw. mehr als doppelt so groß wie unser Bundesland Burgenland. Die Optik erinnert deshalb mehr an ein Meer, wobei auch der Wellengang bei unserer Bootsfahrt dazu beitrug, dass wir uns eher wie am Pazifik fühlten, als auf einem Binnengewässer im Hochland.
"Uros“ und die Insel „Taquile"
Als besonders spannend empfanden wir die Inseln „Urus“, sogenannte schwimmende Schilfinseln. Bei unserem Besuch erfuhren wir, dass es etwa 80 Inseln gibt, welche allesamt von den rund 2.000 „Urus-Indianern“ (abstammend von den ältesten Völkern des Kontinents) bewohnt werden. Jede Insel wird von einem Familienclan bewohnt, welcher sich aus 3 bis 10 Familien zusammensetzt. Tatsächlich werden die Inseln nur aus verschiedenen kreuzförmig aufeinandergelegten Schilf-Schichten erbaut. Da die Schilfhalme laufend faulig werden, müssen kontinuierlich neue Schichten nachgelegt werden. Neben dem Untergrund bestehen auch alle Boote und Häuser aus Schilf. Ursprünglich wurden die schwimmenden Inseln als Rückzugsort vor feindlichen Angriffen genutzt. So kapselten sie sich bei einem Angriff einfach ab, indem sie ihre Insel vom Festland loslösten und auf See trieben ließen. Bei unserem dortigen Aufenthalt wurden uns von den Einheimischen die traditionellen Bräuche nähergebracht und uns einiges über ihr Leben und die Inseln erklärt. Natürlich ist dieser Ausflug sehr touristisch und die Uros machen diese Touren mehr aus finanziellem Gedanken heraus, als aus Nächstenliebe. Interessant war es jedoch allemal.
Sillustani
Für einen weiteren Tagesausflug hatten wir die Turmgräber in Sillustani auserkoren, welche uns - wunderschön neben einem See gelegen - das perfekte Platzerl für ein herrliches Picknick boten.
Juli
Am darauffolgenden Tag fuhren wir nach Juli, eine Ortschaft kurz vor der bolivianische Grenze. Dort saugten wir die Aussicht auf den See von einer anderen Perspektive auf. Angekommen in Juli mussten wir uns unverzüglich ein Bier am Hauptplatz gönnen, denn es gab etwas zu feiern: unsere Wiedergeburt! Der Fahrer des Colectivos dürfte am Vortag zu lange am Zieher gewesen sein und hatte sich 3 Stunden lang durchgequält am Steuer nicht einzuschlafen. Sein Kopf wurde deutlich immer schwerer und schwerer, er rubbelte ständig die Augen, öffnete das Fenster und nickte zwischenzeitlich tatsächlich kurz weg. Erfolgreich konnte Martinas Papa ihn wachhalten. In diesem Sinne: Prost!!!
Unser Besuch in Juli stand ganz im Zeichen eines emotionalen Tischfußballspieles, welches im Generationenduell schlussendlich mit einem gerechten Unentschieden endete.
Arequipa
Die Busfahrt von Puno zu unserem nächsten Ziel führte uns vorbei an wunderschöner Landschaft bis auf über 4. 500 Metern, wo wir neben Lamas und Alpakas auch Vicunas und Flamingos sahen. In Arequipa angekommen verbrachten wir den restlichen Tag mit Sightseeing, genossen die sommerlichen Temperaturen, gutes Essen und kaltes Bier. Vor allem der historische Stadtkern mit seinem Plaza de Armas gefiel uns sehr. Arequipa wird auch als „weiße Stadt“ bezeichnet, da zahlreiche barocke Gebäude aus Sillar – einem weißen Vulkangestein – erbaut wurden.
Colca Tal – Chivay
Als letzten großen Stopp unserer Reise zu viert haben wir das Colca Tal auserwählt. Die Colca Schlucht ist eine der tiefsten der Welt! Nach einer weiteren schönen Busfahrt erreichten wir zunächst das Örtchen Chivay, dem Beginn der Colca Schlucht. Unser persönliches Highlight dieser Region war eine tolle Wanderung entlang der Schlucht mit Blick hinunter zum Fluss und auf die gegenüberliegende Seite des Tals. Als krönenden Abschluss dieser Wanderung genossen wir ein Bad in einem der zahlreichen heißen Thermalbecken (hier kommt das Wasser mit 66 Grad direkt aus dem Felsen). Toppen konnte dieses angenehme Bad bei herrlichem Ausblick nur mehr ein kaltes Bier. Ein Moment den man nicht so schnell vergessen wird.
Abenteuer Colectivo
Am darauffolgenden Tag ging es mit einem „Colectivo“ zu unserem nächsten Ziel – Cabanaconde. An dieser Stelle sei uns ein kurzer Exkurs zu diesen Beförderungsmitteln gestattet. Neben den normalen großen Bussen gibt es als Alternative Minivans mit je nach Größe 9 bis 15 Sitzen, wobei die Anzahl an Sitze natürlich nicht mit der maximal transportierenden Anzahl an Personen gleichzusetzen ist. Diese Fahrzeuge stecken voller Überraschungen, denn man weiß nie wann sie abfahren. Der Abfahrtszeitpunkt liegt im Ermessen des Fahrers und ist meist erst dann, wenn auch der letzte Platz belegt ist, da dies mehr Geld für Lenker und „Schreier“ bedeutet. Der „Schreier“ ist meist ebenfalls im Minivan und streckt seinen Kopf bei Fenster oder Türe hinaus. Hierbei versucht er mit voller Inbrunst und Hingabe weitere Personen davon zu überzeugen mitzufahren. Natürlich bedeutet dies bei einer Abfahrt mit einem für europäische Verhältnisse vollen Bus, dass in diesem, durch das Einsammeln weiterer Passagiere am Weg, immer weniger Platz für jeden Einzelnen ist. Bei manchen Fahrten fühlt man sich wie ein Protagonist bei „Wetten, dass ..?“. Die Wette könnte folgenermaßen lauten: „Der Fahrer wettet, dass in einen Minivan genauso viele Leute passen, wie Fahrgäste in einem großen Linienbus durchschnittlich in Österreich platznehmen.“ Natürlich ist nicht jede Fahrt von diesem Kaliber, aber wenn nötig wird jeder noch so kleine Platz im Fahrzeug genutzt. Wir durften auch schon übereinandersitzend, stehend oder im Kofferraum eingepfercht unsere Fahrten antreten. Da wir bis jetzt noch keine Kameras sahen, gehen wir jedoch davon aus, dass es sich weniger um den Unterhaltungsfaktor, als mehr um den wirtschaftlichen Gedanken handelt. Neben den beiden unbekannten Variablen Abfahrtszeit und Personenanzahl, gibt es noch eine weitere Überraschungkomponente bei Fahrten mit den Colectivos – das Frachtgut. Auch hier haben wir im Laufe der letzten knapp 4 Monaten einiges erlebt. Von Obst, Gemüse und Getreide (hier reden wir aber von riesigen 20 Kilo Säcken) bis hin zu Tieren – tot oder lebendig – war schon alles dabei. Den Jackpot in diesem Zusammenhang knackten Martinas Eltern bei einer Fahrt in der Nähe von Puno. Wie die meisten indigenen Frauen transportierte auch diese ihr Gut in einem großen zusammengebundenen Tuch am Rücken. Da im vorderen Bereich des Fahrzeuges nicht genügend Platz war, reichte sie es nach hinten, wo das Pinkerl auf dem Schoß von Angela und Sepp landete. Da es sich zu bewegen begann, wagten sie einen Blick ins Innere und sahen das runde Gesicht eines peruanischen Babys, welches ganz zufrieden in die Luft blickte. Wer sich einmal nach Südamerika verirren sollte, dem können wir nur eine Fahrt mit diesen wunderbaren Gefährten empfehlen. Ein Stückchen Kultur und jede Menge Action sind jedenfalls sichergestellt.
Colca Tal – Oase Sangalle
Zurück zur Reiseroute… Auf unserer Fahrt nach Cabanaconde durften wir uns über gewaltige Ausblicke während der gesamten Fahrt freuen. Entlang der Schlucht wurden die Felswände immer steiler und die Landschaft immer spektakulärer. In Cabanaconde entschieden wir uns für einen Abstieg in die Schlucht zum Fluss Rio Colca und der nahegelegenen Oase „Sangalle“. Die mehr als 1000 Höhenmeter steil bergab gestalteten sich aufgrund des Schotters und des Staubes etwas mühsamer als gedacht. Der andauernde geniale Ausblick hinunter auf den Fluss und die Oase entschädigte jedoch die Strapazen. In der Oase angekommen genossen wir das erfrischende Pool und genossen den Nachmittag bei einzigartigem Panorama in der Tiefe dieser mächtigen Schlucht. Am nächsten Tag zwangen wir uns zu einer Tagwache um halb 6, um noch vor Eintreffen der brütenden Hitze die 1000 Höhenmeter bergauf wandern zu können. Der Aufstieg gestaltete sich ohne Probleme und so kamen wir noch am Vormittag, leicht erschöpft aber mit Endorphinen vollgepumpt, in Cabanaconde an. Zu guter Letzt erspähten wir in der Ferne noch ein Dutzend Condore bevor es mit dem Bus zurück nach Arequipa ging. Dort verbrachten wir weitere zwei gemütliche Tage mit einem Klosterbesuch sowie einer Wanderung zu einem Wasserfall, bevor Martinas Eltern ihre Heimreise antreten mussten. Wir freuten uns riesig über die Reisebegleitung von zu Hause und genossen die Zeit zu viert sehr. Unglaublich, wie schnell diese 3 Wochen wieder vorüber waren.
02.12.2019: Nachdem uns zwei vertraute Gesichter verlassen hatten, durften wir uns an einem neuen bekannten Gesicht erfreuen. Eine Freundin hat Arequipa für zwei Jahre als ihre neue Heimat auserkoren und war so nett uns in ihrer schönen großen Wohnung aufzunehmen.
Wir freuen uns schon auf eine gemeinsame Woche in Arequipa. Diese Zeit werden wir nutzen, um uns für unsere nächsten Reisedestinationen zu entscheiden. Mal schauen, wie oft wir unsere Ideen noch über den Haufen schmeißen und neu zu planen beginnen. Es bleibt spannend 😊
Hasta pronto,
Martina und Jürgen
Ps: Mehr Eindrücke gibt es wie immer in der Rubrik "Bilder".