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Über die Anden zurück nach Bogotá

Veröffentlicht: 03.12.2016

2. Dezember 2016

Palomino-Cartagena-San Gil-Sogamoso-Villa de Leyva-Bogotá

Palomino ist ein kleines Dorf östlich vom Nationalpark Tayrona. Hauptaktivität (abgesehen vom Herumliegen am karibischen Strand) ist das Tubing. Eigentlich liegt man auch da mehrheitlich. Im Dorf kann man an jeder Ecke einen aufgeblasenen (Traktor?)-Schlauch mieten und wird anschliessend mit dem Motorrad ein paar Kilometer flussaufwärts gebracht. Von da nochmal etwa 1h zu Fuss, und wenn man sich nicht verirrt, etwa 1/2h bis zum Wasser. Dann lässt man sich gut 2h den Fluss mitten im Dschungel runtertreiben bis zum Meer. Vielleicht schreibe ich mal den Organisatoren vom Limmatschwimmen einen Brief, denn dieser Schlauch ist viel komfortabler und robuster als eine aufgeblasene Schildchrott und ausserdem ist es gleichzeitig Recycling. Wenn man am Morgen früh aufsteht, kann man bei klarer Sicht die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada de Santa Marta sehen, während man sich bei ca. 30°C am Strand befindet. Trotzdem war ich froh, meinen warmen Schlafsack dabeizuhaben, denn im Bus nach Cartagena waren es dann noch etwa 20°C.

Sierra Nevada de Santa Marta


Cartagena ist eine der touristischeren Städte Kolumbiens mit einer sehr gut erhaltenen schönen Altstadt. Ich bin am Abend dort angekommen und konnte die Gegend bei Sonnenuntergang erkunden. Zum Abendessen gab es Streetfood. Man kann sich ein komplettes Menu unterwegs zusammenstellen. Sogar einen Espresso nach dem Essen erhält man an fast jeder Strassenecke aus so einer Grossmutterthermoskanne. Beim Dessert bin ich dann aber in die Touristenfalle getappt. Unverschämte 3 Franken für einen Fruchtsalat – dafür darf man ein Foto von den Verkäuferinnen machen.. Allgemein wollen einem hier alle etwas verkaufen und man ist eine Art wandelnde Dollarnote. Drum bin ich am nächsten Tag gar nicht mehr in die Altstadt gegangen, sondern habe erst mal gemütlich unter dem Ventilator in der Hängematte ausgeschlafen. Denn es war wahnsinnig heiss hier. Cartagenas Markt liegt etwas ausserhalb und es wurde mir nicht gerade direkt empfohlen, dahin zu gehen. Der Mercado Bazurto steht in krassem Gegensatz zu der herausgeputzten Altstadt. Ich habe mir hier mein Mittagessen zusammengekauft. Die Avocados sind riesig. Auf Fisch und Fleisch habe ich aus hygienischen, optischen, olfaktorischen und gesundheitlichen Gründen verzichtet – «marktfrisch» würde ich hier nicht bestellen. Am Abend nahm ich ein Uber zum Busbahnhof. Es ist immer wieder eine Freude, sich mit den Taxichauffeuren zu unterhalten. Wer hätte gedacht, dass ein Reiki Grad 2 aus Distanz heilen kann?

Cartagena Blick auf die Neue Stadt
Touristenfalle (ok, sehr offensichtlich..)


Der Nachtbus nach San Gil war wahrer Luxus: Steckdose, Wifi und mehr Platz, als man braucht. So bin ich dann auch ganz entspannt in San Gil angekommen und habe mich direkt für die Mountainbike-tour (the more challenging one) eingeschrieben. Das war ein Fehler. Ich habe mir so eine Velotour durch die schönen Kolonialdörfchen vorgestellt, wo es halt auch mal ein bisschen bergauf geht. Bei der Ciudad perdida haben auch alle gesagt «challenging». Man hätte sich auch zuvor erkundigen können. Die Tour bestand quasi aus fast nur downhill auf sehr unbefestigten Wegen, was es wahnsinnig anstrengend machte. Und wenn man den schmerzenden Oberschenkeln nachgab, tats dann halt am Füdli weh. Wir kamen schlussendlich aber doch noch an meinem Kolonialdörfli an und assen dort zmittag. Leider kam dann der Cheep von «Columbian Bike Junkies» (Ja, auch der Name wäre ein Hinweis gewesen..) und brachte uns mitsamt Velo den nächsten Hügel hoch, wo wir dann wieder runterrasen mussten. Den ersten Unfall gab es nach ca. 10 Minuten und ein Steinschlag war auch noch inklusive, aber zum Glück wurde niemand getroffen. Ich habe am Abend dann meine Voltarensalbe dem hinkenden Iren geschenkt. Nach soviel Action musste ich mich am nächsten Tag erholen und habe mich daher fürs Paragliding entschieden. Für nicht einmal 60 Franken konnte man einen Tandem-Flug von ca. 30 Minuten über den Chicamocha-Canyon machen. Gestartet wird auf einem Bergkamm und mit günstigen Aufwinden auch wieder dort gelandet. Mit weniger günstigem Wind muss im Tal gelandet werden, was niemand will, weil man dann ewig aufs Auto warten muss. Wir hatten mittelgünstige Thermik und versuchten den «beards» zu folgen (Hugo hatte mittelgünstiges Englisch), da diese sich in den Aufwinden treiben lassen. So waren wir dann etwa 1.5h in der Luft und schafften es schliesslich doch noch auf die andere Seite des Berges. Auch einige Kunststücke lagen noch drin und ich war froh, dass ich nur eine kleine Scheibe meiner 1kg-Avocado zum Frühstück hatte.

Weder beards noch birds


Am nächsten Tag ging es dann weiter nach Sogamoso, was der beste Ausgangspunkt für eine Wanderung im Páramo de Oceta ist. Der Ort ist nicht sehr touristisch und ich war froh, dass Lisette, eine Holländerin, die ich in San Gil kennengelernt habe, mitkam. Denn bei Ankunft am Abend im Hostel war niemand da, ausser einem etwas dubiosen Langzeitgast, der uns zuerst mal einen Kaffee machte. Einer der zwei Brüder, die das Hostel (nebenberuflich) betreiben kam aber dann doch noch und gab uns ein Zimmer und einige Informationen darüber, was man in der Gegend unternehmen kann. Da wir schon wussten, dass wir die Oceta-Wanderung machen wollten, rief er auch gleich seinen Bruder/Mitinhaber/Guide an, damit uns dieser noch detaillierter über die Wanderung informieren konnte. Z.B. dass wir auf 3000m.ü.m. starten und bis auf 4000m.ü.m. gehen würden. Das stand so nicht im Reiseführer. Dass wir hier in den Anden sind, habe ich wohl irgendwie ausgeblendet. Aber Wilson meinte, das sei kein Problem, die Höhe könne mit langsamerem Tempo ausgeglichen werden. Am nächsten Morgen um 5.30 gings los, zuerst mit dem Bus zum Ausgangspunkt, danach immer schön bergauf. Mit zunehmender Höhe stieg auch der Puls. Bei geringster Anstrengung kam ich schnell auf 150 und spürte mein Herz bis zum Hals. Aber die schöne Landschaft lenkte von jeglichem Wehleiden ab. Wilson konnte uns viel erzählen über die Natur und die Geschichte der Umgebung, da er hier aufgewachsen ist und sich auch sehr für sein Land interessiert. Er wusste genau, welche Pflanze für welche Medizin genutzt wird und stellt auch selber Tinkturen her. Die Frailejones, die wichtigsten Pflanzen des Páramo, wachsen pro Jahr 1cm. Und es gab viele, die über 2m hoch waren. Der Páramo ist ein Hochmoor und kommt ausserhalb Kolumbiens sonst kaum vor. Aufgrund des schwammartigen Grundes muss man gut aufpassen, wo man hintritt. Da hilft auch GPS nichts. Abgesehen davon hat mir Google maps schon ab und zu gesagt, dass ich in einer Wand stehe, oder in einem Gebäude, obwohl ich mich mitten auf der Strasse befand.. Alles ein bisschen anders hier. Das Wetter wechselte innerhalb von Minuten und mein Zwiebelprinzip mit 5 verschiedenen Oberteilen hat sich bewährt. Auf dem höchsten Punkt mit Aussicht auf die Laguna negra, deren Wasser tatsächlich schwarz schien, begann es zu regnen. Von da an wurde es dann ein bisschen kalt, vor allem aufgrund der nassen Füsse.. Aber auch das konnte uns die gute Stimmung nicht verderben. Und auch nicht die furchtbar schlechte Pizza vom Lieferservice, weil wir am Abend einfach keine Lust mehr hatten zum Kochen. Am nächsten Tag gingen wir zum Lago de Tota – dem grössten und höchstgelegenen See in Kolumbien. Die frische Regenbogenforelle zum zmittag mit Aussicht auf die Playa blanca war hervorragend.

Frailejones im Páramo de Oceta
mehr Frailejones und ich

Laguna negra


Bevor wir zurück nach Bogota gingen, gab es noch einen Zwischenstopp in Villa de Leyva, ein vor allem bei Kolumbianern beliebtes Ausflugsziel. Das herzige Kolonialdörfchen auf knapp 2000m.ü.m. hat rund ums Jahr Frühlingswetter. Wir verzichteten auf eine grössere Wanderung hier, aber der Spaziergang zur Casa Terracota lag noch drin. Ein Architekt hat sich hier vor einigen Jahren ein Haus aus Lehm gebaut, welches komplett ohne Beton oder Stahl auskommt und von der Sonne gebrannt wurde. Weil die ganze Zeit neugierige Leute vorbeikamen, ist er dann schlussendlich ausgezogen und das Haus ist nun ein Art Museum. Lisette ging von Bogotá weiter nach Kuba und ich bin gestern in Buenos Aires angekommen und bin schon bei meinem ersten Katerfrühstück. Aber in Argentinien keinen Wein zu trinken wäre gestern Abend irgendwie nicht richtig gewesen. Übermorgen kommen Natalja und Raffi und dann gehen wir weiter Richtung Patagonien.

Casa Terracota
aussergewöhnlich schöne Taxis


Auf diversen Busfahrten, in Hostels oder sonstwo unterwegs traf ich Einheimische, die sich immer wahnsinnig freuten, wenn ich ihnen sagte, dass mir ihr Land gefällt und fast überall wird man mit offenen Armen empfangen. Auch viele Kolumbianer, die selber als Touristen unterwegs sind, habe ich getroffen. Sehr «chévere» finden sie es, wenn man so herumreisen kann. Was ich besonders beeindruckend finde, ist, wie sehr alle über ihr eigenes Land Bescheid wissen. Sofort erhält man Tipps über Sehenswürdigkeiten, schöne Wanderungen oder geschichtliche Besonderheiten der Region. Auch über das aktuelle Geschehen sind die Menschen gut informiert. Ein wichtiges Thema sind die Friedensverträge. In jedem grösseren Ort finden auf den Plazas Demonstrationen statt (friedliche natürlich, mit Zelten und Hippies und so). Dass die Abstimmung über die Friedensverträge im Oktober negativ ausfiel, sei vor allem in der Macht der Konservativen über die Medien begründet. Natürlich hatte ich mehrheitlich mit jüngeren eher links eingestellten Kolumbianern zu tun, wobei ich persönlich nichts falsches daran sehe (ich kann auch nichts dafür, dass mir die älteren Taxifahrer etwas über alternative japanische Heilmethoden und so erzählen..). Viele reiche Kolumbianer besitzen Land, welches sie während der Guerilla-Zeit erworben haben und das von der FARC beschützt wird. Diese wollen den Friedensvertrag natürlich nicht annehmen, da dieser vorsieht, den rund 8 Millionen(!) vertriebenen Kolumbianern ihr Land zurückzugeben. Die sehr tiefe Stimmbeteiligung hat weniger mit Desinteresse zu tun als mit einem oft mehrtägigen Weg zur Urne. Und das kann ich ja wohl nun bestätigen.. Das ganze Teyuna-Dorf z.B. bräuchte ohne Helikopter 2 Tage zur nächstgelegenen Zivilisation, und wer kümmert sich dann um die Felder und die Tiere? Die Zeitungen sind in den Händen der ganzen reichen Landbesitzer. Die vorgesehenen 6 Parlamentssitze für die FARC (5% aller Sitze ab dem Jahr 2018) eignen sich dann auch gut für eine Angstpropaganda. Aber offenbar ist auch ohne die Volksabstimmung ein Friedensvertrag möglich, denn dieser wurde vorgestern vom Kongress angenommen.


Antworten (2)

Natalja
Jaaaaa wir freuen uns sehr auf dich!

Sandra
Jeee👏🏻👏🏻👏🏻 Freu mich au!

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