Im Hier und Jetzt ankommen

Wann seid ihr das letzte Mal völlig in einem Moment versunken? Ohne euch um irgendetwas zu kümmern, völlig aufgelöst in dem, was ihr gerade tut, nicht an die Vergangenheit, noch die Zukunft zu denken, nicht an den nächsten Einkauf, nicht an die Arbeit, nicht, dass man mal wieder ins Fitnessstudio müsste, nicht daran, was andere gerade von einem denken könnten, ob es richtig oder falsch ist, ob man es besser könnte, ob man dabei gut aussieht und ob es Sinn hat, ob das Ergebnis gut oder schlecht ist...
Ich habe mir sagen lassen, es gibt Mönche, die erstellen Sandmandalasmalen, stundenlang, nur um sie am selben Tag wieder zu zerstören. Ein wunderschönes Kunstwerk, nur um es dann, wenn es fertig ist, wieder zu verwischen, um die Vergänglichkeit des Seins zu symbolisieren. Warum geht es bei uns so oft um ein Ergebnis oder darum, dass etwas bleibt? Viele Lebensphilosophien bauen darauf auf, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann und die Zukunft noch nicht geschehen ist und man einzig und allein in der Gegenwart leben soll. Kinder machen das. Kinder können sich stundenlang mit einem Spielzeug beschäftigen und sind dabei völlig gefangen in diesem Moment. Irgendwann geht uns diese Fähigkeit verloren und wir fangen an uns um alles mögliche zu sorgen, das Leben wird komplizierter, Entscheidungen wollen getroffen werden und vielleicht werden wir sogar ein bisschen unglücklich und wissen gar nicht so genau wieso eigentlich.
Wenn man eine Weile reist, hat man Momente, in denen diese Fähigkeit, wieder zurück kommt. Und nach meinem Maui Aufenthalt würde ich sagen, dass ich die Vergangenheit hinter mir gelassen habe, vielleicht sogar mit mir ins Reine gekommen bin. Und dann kam Kauai. Und anstatt eine endlose Liste an Sehenswürdigkeiten abzuhaken, ist mir was völlig anderes passiert: Leute und Momente.
Da war Emily, die geträumt hat, dass sie sich die Haare abrasiert und es sich befreiend anfühlt, und es dann einfach gemacht hat. Benji, der alle Staaten der USA außer Alaska besucht hat. Alexis, der demnächst von Frankreich über den Atlantik, den Panama Kanal und über den Pazifik nach Polynesien segelt. Blas, der von der Idee zu seinem eigenen Hostel, Waschsalon oder Surfbretter bauen alles mögliche an Plänen hat. Alex, die zurück in Deutschland ihr Leben umkrempeln wird. Und wir kamen alle in diesem Hostel zusammen und teilten das Wertvollste, was man teilen kann: Zeit. Wir wanderten zu Wasserfällen, schwangen uns mit einem Seil ins Wasser, sprangen von Felsen, bauten Sandburgen und malten einen ganzen Nachmittag Mandalas. Ich weiß von den meisten Leuten weder wie alt sie sind, noch was sie beruflich machen oder was sie studiert oder gelernt haben. Auf Reisen lernt man Leute ganz anders kennen und Dinge, die wir zuhause abklappern, wenn wir jemand kennenlernen, sind völlig unwichtig.
Es ist erstaunlich, was passiert, wenn plötzlich jeder Zeit hat, entspannt ist, nicht dies muss und das muss und ich kann nur eine Stunde, dann hab ich noch jenes vor. In diesem Moment, beim Mandala malen, beim Stifte teilen und über Gott und die Welt reden, waren wir wieder Kinder, nur für den Moment da. Kein vorher und kein nachher. Und es waren die bisher besten Momente der ganzen Reise. 

Also, trefft euch zum Brunch, nehmt euch nen Stift und malt ne Runde! Schöner kann man Zeit nicht verbringen. Und dann erzählt ihr mir wie es war.