Veröffentlicht: 03.08.2021
„Wenn einer eine Reise tut..“; „Jedes große Abenteuer startet mit einem Stolperstein.“ Was gibt es noch für passende Weisheiten? Wir nehmen sie alle. Der Plan unserer Reise war- es gibt keinen. Also nur losfahren und mal schauen was passiert. Tja und so kam es, dass alles anders kam als gedacht.
Nach eineinhalb Wochen Pack- und Vorbereitungsmarathon haben wir es am Samstagabend, nach Christians 30 Stundendienst und reichlich Verspätung und liebevollem fröhlichen Abschied von den Nachbarn geschafft und sind los gefahren in unsere 3-monatige Auszeit nach Skandinavien. Da hin, wo der Wind uns trägt. Uns treiben lassen. Keine Pläne aber viel Zeit, Freude und Entspannung. Lesen, quatschen, Essen, Ruhe, Natur und Schlafen. Ein lang gehegter Traum wird wahr.
Wir rollen vom Hof, lachend und eilig-alles viel zu spät geworden mal wieder. Abendessen bei Chris` Eltern in Erkner bei Berlin wartet. Noch schnell Flaschen weg schmeißen. Ach Mist! Unseren Wohnungsschlüssel geben wir lieber noch den Nachbarn. Basti und Theresa haben zwar angeboten, zweimal wöchentlich Post zu checken und die Blumen zu pflegen, aber ein Schlüssel zur Wohnung direkt im Haus kann auch nicht schaden. Also nochmal eben zurück. Wir lachen, die Nachbarn erschrecken sich. „Ihr schon wieder!?“
Nun also wirklich los. Die Musik tönt aus den Lautsprechern, die Sonne glüht rot am Horizont, wir düsen vorbei an der Uniklinik: „Und Tschüss!!!“ „Juhuuuuuu!“ Ein letzter Blick über die Elbe von der Waldschlösschenbrücke. Wir sind frei. Endlich!
„Den Fahrzeugschein hast Du aber dabei, ja?“ Ich werde ernst. Ähm. Wo habe ich den. Ich schaue ins Handschuhfach. Mist. Das schwarze Mäppchen in dem wir den doch haben liegt nicht darin. Nur die Papiere von der Versicherung, die hatte ich vorsorglich dort hineingelegt. Ach verdammt, ich muss es vergessen haben am Scanner zu Hause. Dort habe ich ja alles wohl weislich digitalisiert. „Es tut mir leid Chris! Lieber jetzt fällt uns das ein, als in Kopenhagen!“ Ok, also erstmal zur Tankstelle, das muss eh erstmal sein und dann nochmal zurück. Ach man. Na gut. Wenns nur das ist..
Auf der Tankstelle fährt Chris direkt an die Säule auf Fahrerseite. Ich korrigiere ihn, weiß ja nun Bescheid, war doch mal schon vor eineinhalb Wochen mit dem Bus unterwegs in Senftenberg. Da hatte ich nachts ein wenig getankt um heim zu kommen. Chris sagt: „Nein, der Tank ist eigentlich immer links“. „Nein“ sage ich „der ist wirklich rechts!“ „Schau doch hier, da ist das Dieselzeichen drauf“ sagt Chris, nun bereits ausgestiegen. Ich werde blass. „Oh shit… Ich habe aber rechts getankt.“ „Nee oder Steffi? Man kann nicht rechts tanken, da ist der Wassertank. Du hast nicht wirklich Diesel in unseren Frischwassertank gefüllt???“. Plötzlich ist mir alles klar. Warum die Zapfsäule damals in der Nacht nicht gut funktioniert hat, sodass ich zehn Minuten brauchte für gerade einmal acht Liter, immer nur ein paar Tropfen kamen hinaus. Ich hatte der Tankstellenmitarbeiterin gesagt, dass da wohl was bei der Zapfsäule kaputt sei. Und dann hatte ich mich gewundert, warum die Anzeige sich danach gar nicht verändert hatte. All das kam mir komisch vor. Auch der Verschluss war so komisch gewesen. Aber auf die Idee, dass es eine alternative Öffnung am Fahrzeug gibt, mit der ich besser nichts verwechseln sollte, war ich gar nicht gekommen. Jetzt ist mir alles klar. So ein Ärger. Ich muss lachen und weiß doch, ich sollte Weinen. Und Chris? Der sagt „Nun müssen wir erstmal wieder heim- wenn der Fahrzeugschein weg ist, dann ist es noch schlimmer. Ohne den brauchen wir echt nicht los fahren.“ Unfassbar. Mit völlig veränderter Stimmung fahren wir wieder über die Waldschlösschenbrücke und die Elbe schimmert im langsam dunkel werdenden Abend. Ich laufe rasch hoch und suche den Fahrzeugschein. Er ist nicht am Scanner. Ich schaue in die wohlsortierte Mappe mit den Unterlagen zum Bus. Auch hier- kein Fahrzeugschein. Wo könnte er noch sein? Wo auch immer ich eine Ahnung habe, ich schaue nach. Verdammt. Ruhig bleiben. Nun gibt es echt Probleme. Ich verstehe das gar nicht, achte doch immer auf meine Organisation von so wichtigen Dingen. Gerade weil man sie schnell vergisst. Wie kann das sein?
Als ich blass und in Erwartung auf ein noch größeres Problem als den kontaminierten Wassertank das Haus verlasse, steht Chris lachend am Bus. Er wedelt mit den Papieren der Versicherung. Darin liegt auch der Fahrzeugschein. Oh man. Ich hatte immer nach diesem schwarzen Mäppchen gesucht- aber da war er gar nicht drin, sondern zusammen mit den Unterlagen fein säuberlich im Handschuhfach verstaut. Eine Sorge weniger.
Los geht’s. Stimmung anders. Was machen wir nun mit unserem Frischwassertank. Trinken wollten wir eh nicht daraus aber abwaschen, duschen, kochen vielleicht? Klo spülen natürlich. Zum Glück hatte keiner von uns bisher gespült oder den Wasserhahn geöffnet. Die Leitungen sind also nicht betroffen. Wir bekommt man so einen Tank sauber? Oder kann man den tauschen? Chris hat mit Jurek gesprochen, seinem Kollegen und schon einen Tipp für entsprechendes Lösemittel erhalten. Vielleicht gibt es also eine Lösung? Und einen Tank tauschen- ach wir fahren doch Richtung Berlin- da wird es schon was geben.
Kurz vor Mitternacht kommen wir in Finkenstein bei Chris´ Eltern an. Seine Mama hat (wie oft) geduldig gewartet, alle anderen sind schon schlafen gegangen. Das ist nun doch alles anders gelaufen als gedacht. So ein Mist. Wir trinken trotzdem Aperol. Carola muntert mich auf: „So was kann passieren. Manchmal ist das halt so. Nun habt Ihr immerhin schon möglichen Ärger abgehakt. Danach wird’s nur noch besser mit dem Urlaub.“ Und Chris lacht liebevoll und geduldig. Ich bewundere sein Verständnis und bin ihm sehr dankbar. Trotz allem schlafe ich glücklich und sehr müde ein. Es ist Urlaub. Vor uns liegen 3 Monate viiiel Zeit. Wir hatten uns vorgenommen- kein Plan, mal sehen was passiert, der Weg ist das Ziel. Nun ist also das wohl unser erstes Abenteuer.
Am nächsten Tag wird uns die Tragweite meines Versehens bewusst. Wir müssen erstmal einen Händler finden, der uns diese Lösung verkauft. Oder sie bestellen und das kann auch dauern. Oder einige Läden abklappern und einen neuen Tank kaufen. Und am Nachmittag sind wir mit meiner Mama verabredet. Und am Abend mit meinem Papa und seiner Frau Ulla. Wir wollten unsere Zimtschnecke zeigen. Voller Stolz war ich, da ich sie doch so schön wochenlang hergerichtet hatte. Gardinen, neue Fliegennetze, Magnetfolie auf dem Kühlschrank, Lichterkette und so einige andere Gemütlichkeiten, die ihn zu unserem individuellen neuen zu Hause machen sollten. Und ganz nebenbei habe ich die Zimtschnecke auch noch zugerichtet. Was ein Ärger. Kein Wunder, dass es immer wieder in den letzten Tagen nach Diesel stank. Und ich dachte, es sei einfach, weil sie alt ist. Carola, Hannes und Greta helfen bei der Recherche und werden nicht müde, uns aufzumuntern. Zum Glück fällt es uns recht leicht, viel zu lachen. Außer beim Ablassen des Diesels in unseren wohlweislich mitgebrachten Ersatzkanister.
Meiner Mama gefällt die Zimtschnecke sehr, wir essen Eis und spazieren durch Berlin Frohnau, in alten Erinnerungen schwelgen. Meinem Papa und Ulla gefällt die Zimtschnecke ebenfalls und beim Abendessen beim Chinesen und anschließender Verköstigung mit Chris´ altbewährten Cuba Libre. Ach die liebe Familie, alle sind voll des Lobes und sprechen uns Mut zu. „Das wird schon, Ihr findet bestimmt eine Lösung!“ Gleichzeitig treffen die ersten Nachrichten von Freunden ein: „Seid Ihr schon gestartet?“, „Wie läufts? Habt Ihr den Alltagsstress schon hinter Euch gelassen?“ Haha. Ja, an den denken wir nicht mehr, nun haben wir echte Sorgen! Der einzige Trost finden wir in folgenden Tatsachen: Wir haben 3 Monate Zeit, es ist unser eigenes Auto, wir haben uns und – es hätte natürlich schlimmer kommen können.
Die erste Nacht in der Zimtschnecke riecht es etwas nach Diesel und wir wissen wirklich nicht, wie es weiter geht. Aber irgendwie sind wir trotzdem glücklich und vertrauen darauf- alles wird gut. Und gemütlich ist es auf jeden Fall.
Unser erster Urlaubstag- wir wollten heute nach Kopenhagen fahren, genauer nach Charlottenlund, auf einen wunderschönen Campinglplatz, den wir schon kennen und dort zwei Tage die Stadt und erste Urlaubsgefühle genießen- verbringen wir hauptsächlich im Berliner Stadtverkehr. Aber nicht, bevor wir in verschiedenen Telefonaten immer und immer wieder mit der Darstellung unseres Dilemmas konfrontiert werden. Die Reaktionen sind nicht immer so wohlwollend und verständnisvoll, wie von unseren Eltern: Ausgelacht werden wir von einem Laden in Hönow, der überhaupt keine Ahnung hat von dem Prinzip der Reinigung mit dem Lösemittel. Dabei hatte Hannes hier schon umfangreich zu recherchiert und offensichtlich haben einige Menschen die gleichen Dummheiten angestellt wie wir. Also ich.
Die Mitarbeiterin der Herstellerfirma des Wassertanks in Slowenien kann sogar Deutsch und ist sehr nett. Sie würde uns gerne helfen aber da sind Betriebsferien und wenn überhaupt können wir den Tank nur über den Händler bekommen. Zum letzten Mal hergestellt wurde diese Sonderanfertigung 2014. Und nur 30 Stück. Puh, die Variante Ersatztank wird schwieriger. In einem Campingladen mit Werkstatt sagen sie uns, es könnte bis zu 4 Wochen dauern eine Alternative einzubauen und die Zauberlösung mit Namen Diesolan, die wir suchen um den Tank zu reinigen, verkaufen sie auch nicht. Dafür stellen wir aber fest, dass Chris sein Portemonnaie bei meinem Papa vergessen hat. Was anderes als lachen bleibt uns gar nicht mehr übrig. Kopenhagen ist natürlich auch längst gecancelt.
Am Tiefpunkt der Stimmung schlägt Chris vor, dass wir uns mal jetzt schön lecker mexikanisches Essen bestellen und abholen. Wenigstens eine Freude. Tolle Idee und DAS Event unseres ersten Urlaubstages!
Beim nächsten Campingladen- diesmal direkt beim Hersteller, bzw. denen, die den Hersteller unseres Ausbaus gekauft haben- kommen wir auch nicht weiter. Kein Diesolan und für die Bestellung einer neuen Sonderanfertigung des Tanks benötigen wir die so genannte Aufbaunummer. Diese suchen wir weitere 30 Minuten im gesamten Fahrzeug. Ohne Erfolg. Keine Nummer da. Und die Unterlagen, auf denen sie stehen könnte, haben wir nicht dabei. Jedes Problem erzeugt neue Probleme. Nun läuft uns die Zeit weg. Wir müssen nach Herzfelde, die letzte mögliche Anlaufstelle und die schließt in 50 Minuten. Wir wollen doch irgendwas erreichen!
Und das gelingt uns dann auch. Der Mitarbeiter des Campingshops ist sehr freundlich und erzählt uns, dass es einmal jährlich mindestens einem der Mieter seiner Camper passiert, dass Diesel in den Frischwassertank gefüllt wird. Und ihm selbst ist es auch schon passiert- Benzin statt Diesel. Der Klassiker. Ich fühle mich besser, auch wenn es nicht hilft. Was aber hilft ist die Tatsache, dass es noch eine letzte Flasche 5 Liter Diesolan gibt. Zwei würden wir benötigen. Naja, wir wollen das Glück nicht gleich überstrapazieren. So einfach geht’s ja nun auch nicht. Also kaufen wir die letzte Flasche und entscheiden uns damit für den komplizierten Reinigungsvorgang des Tanks anstatt der Organisation eines Ersatzes.
Bei Carola und Hannes wieder zurück gekehrt in Finkenstein machen wir uns an die Arbeit. Zuerst gilt es nämlich, den Restdiesel zu entfernen. Fluchend klemmt Chris in der Zimtschnecke und hält den Schlauch, während ich schwitzend eine Spritze nach der anderen mit Diesel aufziehe. Es ist schon wieder fast Mitternacht, als Carola kommt und uns nochmal für die letzten Reste motiviert, die wir mit einem alten Laken von ihr aufsaugen. Das Finale des Tages besteht dann darin, dass wir die erste Hälfte unseres Diesolan in den Frischwassertank füllen und fröhlich und munter genüsslich für 15 Minuten über die Feldwege rumpeln. Hoffentlich bricht nicht die Axe beim Sauberschütteln des Tanks. Danach gibt es lecker Rum, wieder mit Carola und wir fallen ins Bett.
Unseren zweiten Urlaubstag widmen wir dann dem Beginn des 9-stufigen Reinigungsprozesses. Zwischendurch gibt es lecker Frühstück, muntere Gespräche mit Barbara, einer Freundin der Familie, einem ausgiebigen Spaziergang mit Chassi, dem Hund der Familie und einem Ausflug in meinen Lieblingsblumenladen. Geburtstagsessen mit Hannes und Friends, Olympiagucken, Theresa und Basti,die in Dresden in unserer Wohnung wohnen und im Hintergrund helfen und aufbauen, Kinobesuch und Griechischessen im Mückensturm, ein gemütliches Bett und guten Wein..Dazwischen heißt es Flüssigkeit einfüllen, Rumpelwege fahren, Flüssigkeit abfüllen. Und von vorne.
Es rumpelt ganz schön. Rumpelschnecke. Dieselschnecke. Und wir Urlaubsschnecken? Müssen uns daran gewöhnen,dass das Leben manchmal seinen eigenen Plan durchsetzt.