Veröffentlicht: 22.11.2024













Wir machen uns zur ganz im Westen der Insel liegenden Nanyang Technological University auf, die eine sonderbare Historie aufweist, dazu gleich mehr. Denn zunächst muss ich dringend in "meinen" Buchladen. Ich habe zahlreiche Bücher von einigen Entscheidungsträgern und wichtigen Persönlichkeiten sowie engagierten Journalisten zur atemberaubenden Entwicklung von Singapore gelesen. Dazu habe ich einen Buchladen im alten Bras Basah Complex vor einigen Jahren gefunden, der mir so manches rare Buch und auch DVD besorgt hat. Nun habe ich den Chef schon vor einigen Wochen angeschrieben und ihm meine drei Buchwünsche mitgeteilt. Als ich im Mary Martin Bookstore ankomme, liegen meine Bücher schon bereit und nach einem kleinen Plausch mit dem Chef verlasse ich in Hochstimmung den Laden und kehre in der benachbarten Nationalbibliothek ins Cafe ein, ein Lieblingscafe von mir, dass ich früher vor Veranstaltungen in der Bibliothek oft besucht habe.
Doch nun zur eingangs erwähnten Universität, die von einem chinesischen Geschäftsmann Mitte der 1950er Jahre initiiert und auch größtenteils finanziert wurde. Bemerkenswert ist aber, dass die Finanzierung auch durch viele kleine Spenden bewerkstelligt wurde. Viele Chinesen wollten für die chinesisch-sprachige Bevölkerung bessere Bildungschancen und spendeten Geldbeträge, wie der Taxifahrer Hu Fu Hai, der seinen Verdienst einer ganzen Schicht hergab. Oder der Rikscha Fahrer Wang Zhen Xiang, der Kunden für eine Spende an die Universität gefahren hat. Nicht zu vergessen meinen Namensvetter Xie Ming aus Kuala Lumpur, der als Hawkerkoch eine Tageseinnahme spendete. Kleine Leute spendeten für den Aufbau der Bildungseinrichtung, die bald Mittelpunkt von politischen Protesten und kommunistischen Unruhen wurde. Der Übergang von einer rein chinesischsprachigen Ausbildung und die Modernisierung des Bildungsangebotes war ein steiniger Weg. Schließlich wurde die Universität in die National University of Singapore integriert. Diese und andere historische Momente zur Universität lerne ich im Chinese Heritage Centre, dem früheren Hauptgebäude der Nanyang University, kennen. Die Anfahrt dauert wegen dem abgelegenen Ort sehr lange, was sich aber demnächst ändern wird, denn Viadukte der zukünftigen Metrolinie recken ihre Hälse auf dem Universitätsgelände schon in die Höhe. Zweimal war ich schon zuvor hier und hatte immer mit geschlossenen Ausstellungen zu kämpfen. Auch diesmal ist der Hauptmuseumsbereich nicht zugänglich, das Gebäude mit Baugerüsten umstellt und ich muss mich mit der kleinen Ausstellung zur Geschichte und einer Ausstellung über die weltweite chinesische Migration zufrieden geben. Die Geschichte der chinesischen Auswanderung beschleunigte sich im 19. Jahrhundert, als eine große Zahl von Arbeitern China verließen, um in fremden Ländern zu arbeiten. Mit der industriellen Revolution in Europa stieg der Bedarf an Rohstoffen aus den Minen und Plantagen Südostasiens und Südamerikas, was die Kolonialmächte um chinesische und indische Arbeiter werben ließ. Im selben Zeitraum wurde in Teilen Nordamerikas und Australiens Gold gefunden, wobei die Chinesen nach Osten und Süden über den Pazifik zogen. Die chinesischen Migranten waren normalerweise gespalten in diejenigen, die nach China blickten, und diejenigen, die sich niederließen und sich mit ihrem Wahlland identifizieren wollten. In den Migrantengesellschaften Nordamerikas und Australiens, wurden die Chinesen fast hundert Jahre lang systematisch diskriminiert und man entdeckt Parallelen zu den heutigen weit verbreiteten chinafeindlichen Propagandafeldzügen in Europa und den USA. Besonders die amerikanische Karikatur aus dem 19. Jahrhundert über die Monopolstellung von chinesischen Unternehmen erinnert doch stark an die heutigen Kampagnen zu hohen Zöllen für chinesische Autoimporte und den chinesischen Unternehmensinvestitionen in den USA und Europa. Dabei kann die Rolle der chinesischen Migration, als chinesische Bergleute, Plantagenarbeiter und Unternehmer bei der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Region nicht hoch genug eingeschätzt werden. Einen interessanten Fakt habe ich außerdem in der Ausstellung kennengelernt, so studierte der ehemalige Rektor der Universität Peking Cai Yuanpei Anfang des 20. Jahrhunderts Philosophie, Psychologie, Kunstgeschichte und Völkerkunde in Leipzig.
Nach meinem Museumsbesuch wandeln wir bei leichtem Regen durch die erst vor kurzem neu gestaltete Erweiterung des Yunnan Garden, der sich unmittelbar vor dem Chinese Heritage Centre befindet. Die Pflanzen im schon länger bestehenden Bereich sind mittlerweile mächtig gewachsen und erinnern mich daran, dass es schon eine lange Zeit her ist, wo ich zum ersten Mal hier weit in den Westen von Singapore gereist bin.
