Veröffentlicht: 05.11.2024
Um 6 geht der Wecker und ich könnte definitiv noch etwas länger schlafen. Zu Hause brauche ich kein Wecker, aber wenn ich so viel unterwegs bin, ist das für mein Körper schon anstrengend und er würde gerne noch etwas länger schlafen, aber nachdem ich mich genau 5 Minuten noch ausruhe, packe ich dann meine Sachen und ziehe aus. Mittlerweile habe ich mich wieder daran gewöhnt, aus dem Rucksack zu leben bzw. was ich wohin packe und wann ich was einpacken kann. Meist ist das sowieso kein Problem, weil ich ja bisher immer mehr oder weniger ein Einzelzimmer oder ein Zimmer für mich alleine hatte, aber sonst möchte ich ja die anderen morgens nicht stören. Deswegen packe ich sowieso schon alles, was geht, am Abend und morgens brauche ich nur noch maximal 5 Minuten und bin fertig.
Raus in die Dunkelheit bzw. in der Stadt ist es hell, sodass ich die Stirnleuchte nicht brauche. Ich laufe durch die Stadt, die wirklich noch viele schöne Ecken zu bieten hat. Ich habe vor, mal die schönsten Städte auf den Jakobswegen noch Mal zu besuchen. Ich versuche, wenn ich Zeit habe, mir in der Stadt immer das eine oder andere anzuschauen, aber manche Städte haben viel zu bieten und zu bestaunen, sodass man ruhig 1-2 Nächte und Tage dort verbringen kann. Selbst wenn ich mir etwas anschauen kann wie z. B. die Kathedrale oder ein Museum kann ich es nicht so richtig genießen, weil ich im Jakobsweg-Modus bin und da passt Sightseeing irgendwie für mich nicht so rein. Das war bei den letzten Wegen auch immer so. Deswegen stresse ich mich nicht. Auch bei diesem Weg, wo ich meist nach dem Ankommen die Unterkunft gar nicht mehr verlasse. Ich gehe den Jakobsweg, so wie ich ihn für richtig empfinde. Jedenfalls sehe ich noch ein paar Artefakte und durch einen Tunnel gehe ich nun stadtauswärts an der Schnellstraße. Zum Glück gibt es nach einem Kreisverkehr einen Weg für Fußgänger und Radfahrer, sodass ich keine Angst haben muss, dass mich im Dunkeln ein Auto platt fährt. Nach etwas mehr als eine Stunde erreiche ich einen schönen See, genauer den Stausee von Proserpina, der gemeinsam mit der Stadt Mérida zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Es ist wirklich ein herrlicher Ort, wo auch ein paar Leute zelten. Zudem kann man dort auch baden. Hätte ich auch gemacht, wenn es schon mittags wäre und nicht mehr so viele Kilometer vor mich. Trotzdem habe ich den Ort sehr genossen. Ich bin dann noch ein Stück um den See herumgegangen und dann biege ich nach links ab und gehe eine Sandstraße entlang. Da bin ich wieder froh, dass das Wetter die Tage trocken war, sonst wäre ich hier wieder tief eingesackt. Ich habe auch wieder einige Tiere entdeckt, die dort in freier Wildbahn leben. Wobei die bestimmt jemanden gehören. Es ist schon hell und der nächste Ort schon erkennbar. An der ersten Bank mache ich kurz Pause, ziehe mein Regencape aus und Creme mir ein wenig Sonnencreme auf die Haut. Zudem hole ich meine Sonnenbrille raus und nach fünf Minuten geht es weiter. Und immer, nachdem ich mich eingecremt habe, verschwindet die Sonne hinter großen Wolken. Es geht weiter am Rathaus und der Kirche vorbei. Und ich komme an einer schön eingerichteten Herberge vorbei. Dann über ein paar Felder erreiche ich schon nach 3 Kilometern den nächsten Ort, der aber ebenfalls überschaubar ist von der Größe. Dann geht es wieder in den Wald bzw. über Felder. Und nach 22 Kilometern habe ich mir dann auch mal eine Pause verdient. Auf einem Stein breite ich mein Sitzkissen aus und lehne mich an mein Rucksack und beobachte die Wolken. Das mache ich sehr gerne, nur zu Hause im Alltag komme ich nicht dazu bzw. mache ich es meist nicht. Ich bin zwar auch zu Hause viel unterwegs, aber wenn ich im Park bin, telefoniere ich oder mache etwas anderes. Ich muss wirklich mehr die Pausen und die Umgebung mehr genießen. Daran wird gearbeitet. Nach knapp einer halben Stunde gehe ich weiter. Die Pause hat gut getan, aber so richtig in Fahrt komme ich trotzdem nicht. Aber ich stresse mich da nicht mehr. Ich bin dann noch ein paar Radfahrern begegnet und bin sonst den Weg über alleine gelaufen. Die Landschaft ist wirklich atemberaubend. Hier könnte man sehr gut Filme drehen. Es geht weiter und in der Ferne sehe ich schon mein Zielort für heute, aber davon darf man sich nicht täuschen lassen. Es dauert trotzdem meist noch einige Kilometer. Es geht bergauf und nach knapp eine Stunde bin ich in dem Städtchen angelangt. Gefühlt sind die letzten Schritte auch immer die schwersten. Auf der Suche nach der Unterkunft hilft mir der Herbergsvater. Die Unterkunft ist direkt neben einer Kirche und im Haus wohnen und arbeiten Priester. Die Unterkunft wird auf Spendenbasis betrieben, sprich jeder kann das zahlen, was er möchte. Solche Unterkünfte habe ich auch letztes Jahr auf dem Camino Francés kennen gelernt. Er zeigt mir mein Zimmer und ich habe ein Einzelzimmer. Es ist nur ein weiterer Pilger aus Frankreich da. Normalerweise gibt es auch einen Gruppenschlafraum, aber bei zwei Leuten bekommt jeder sein eigenes Zimmer. Natürlich ist kein hoher Luxus vor Ort, aber alles ist sauber, es gibt richtige Bettlaken und ein Stuhl mit Tisch im Zimmer. Nach dem Duschen wollte ich eigentlich raus einkaufen, aber hier gibt es gleich Programm. Um 18:30 ist Messe. Um 19 Uhr gibt es eine Führung und um 19:30 ein gemeinsames Abendessen, sprich der Herbergsvater, der Pilger aus Frankreich und ich. Erwähnen muss ich noch, dass es keine Heizung gibt und kalt werden kann, aber man hat Decken bekommen und vielleicht nutze ich heute mal meinen Schlafsack. Denn auch wenn es tagsüber richtig warm geworden ist, ist es abends und nachts schon kühl. Ich bin gespannt, was es gleich zu essen gibt. Ich habe schon für morgen meine Unterkunft gebucht. Diesmal ein Hostel mit anderen Betten. Sonst ruhe ich mich jetzt noch ein wenig aus und werde dann später an dem Programm teilnehmen.
Kurzer Nachtrag: Bin um 18:20 runter und habe erstmal den Messeraum gesucht. Und witzigerweise ist der im Gebäude gegenüber und dort ist einfach ein Altenheim drin. Achso. In dem Gebäude, wo ich schlafe, war früher mal ein Waisenhaus drin. Im Altenheim habe ich einige ältere Menschen gesehen, auch im Rollstuhl. Dann bin ich zur Messe gelangt und ich muss sagen: Das war die absurdeste Messe ever. Also es waren viele aus dem Altenheim da und ebenso ein paar im Rollstuhl mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Ich habe mich in die hintere Reihe gesetzt. Rechts schräg saß jemand, der die ganze Zeit am Handy war und noch 5 Bücher neben sich hatte, in die er auch manchmal reingeschaut hat. Der Pfarrer hat sich sehr oft verhaspelt. Und im Publikum saß noch ein andere Priester, der auch die ganze Zeit Gespräche geführt hat. Und unser Hospitelero war auch anwesend. Und genau bei diesem ist dreimal das Telefon gegangen und er wollte aus dem Raum raus, aber hat die Tür nicht auf bekommen. Beim dritten Mal hat eine andere Person ihm geholfen und er ging raus. Dafür kamen einfach 2 andere Bewohner des Altenheims herein. Es ist bestimmt noch 3 Mal das Handy von anderen gegangen, aber es hat keinen gestört. Also ich habe mich wirklich sehr gut unterhalten. Dann haben Matteo, der Pilger aus Frankreich, und ich unseren Pilgersegen bekommen und dann war die Show vorbei. Sonst gehe ich sehr selten zu Gottesdiensten, aber ich finde ich auf dem Jakobsweg immer interessant. Danach hatten wir noch eine kleine Führung durch die Kapelle und dann haben wir, Matteo, der Hospitelero Juan und ich, zusammen gegessen, bzw. die Köchin hat uns vergessen und war ein wenig verärgert, dass sie jetzt noch arbeiten muss. Aber er hat wirklich gut geschmeckt. Es gab Ei, Salat, Nudeln mit Fleisch und Fleischbällchen. Crazy Kombi, aber kann man mal machen und ich habe mich über ein warmes Essen gefreut. Dann haben wir noch etwas gequatscht. Matteo konnte gut Spanisch, wobei ich ihn nicht so gut verstanden habe. Juan habe ich gut verstanden, nur leider ist mein aktives Spanisch momentan auf keinem guten Level. Verstanden habe ich fast alles, aber ich habe schon länger gebraucht, um Sätze zu formulieren und diese waren meist sehr einfach. Dies zeigt mir, dass ich unbedingt meine Spanischkenntnisse auffrischen muss. Dann haben wir noch zusammen gespült und sind dann ins Bett. Solche Abende finde ich schön und ich mag generell solche Unterkünfte lieber. Aber im November ist wenig los und in vielen Orten gab es meist nur Einzelzimmer in Hostels oder Hotels. Alberguen gibt es meist, aber meist mit wenigen Plätzen und ich möchte nach 40 und mehr Kilometern nicht mehr durch die Stadt irren. Das hatte ich ja schonmal. Ich werde schauen, wie es sich entwickeln wird. Vielleicht werde ich mal wieder kürzere Etappen gehen.
Ich gehe nun voll gegessen schlafen und freue mich auf die morgige Etappe.