Veröffentlicht: 08.08.2017
06.08.
der tag heute ist eine einzige herausforderung.
er beginnt mit einer netten episode, die etwas mit situationskomik zu tun hat. ich besorge mir noch für das frühstück milch und obst und betrete einen dunklen, etwas 20m2 großen laden. der inhaber sitzt hinter der kasse, mehr kann er aufgrund seiner körperfülle nicht mehr tun. die meisten kunden kennen sich aus, nehmen sich die ware, und er tippt die beträge in seine rechenmaschine, steckt die scheine in die hemdentasche und das kleingeld landet in einer abgegriffenen holzschublade. wer obst will, wiegt es sich selbst ab und nennt ihm nur die kg zahl. auch mich behandelt er so wie seine kunden, zeigt mir knapp die haferflocken und erspart mir das wiegen der bananen und der mandarinen und nennt mir einfach einen preis. er lacht gerne und viel, und es macht ihm nichts aus, dass so gut wie keine zähne mehr sein lächeln verschönern könnten.
ich bezahle, und er fragt mich, wohin ich wolle und ich zeige ganz selbstverständlich in eine richtung und sage nazca. er grinst mich an, zeigt in die andere und sagt frei übersetzt: da gehts lang. wir lachen beide, und er wird bestimmt seiner nächsten kundin etwas über die ortsunkundigen gringos erzählen.
ich frühstücke und beobachte dabei das treiben auf dem nachbargrundstrück. es sind welten, die zwischen dem hostelgebäude und dem nachbarhaus liegen. ich wohne in einem vergleichsweise luxuspalast mit heisser dusche und fließend wasser, die nachbarn - ich weiss nicht wie groß die familie ist - in einem schon in die jahre gekommenden lehmhaus. zum glück sind die menschen von langen sonnenperioden verwöhnt, aber es kommt auch die regenzeit ab november mit mindestens einem ernstzunehmenden regenschauer.
zwei welten zwischen meinem zimmer und drüben...
dann ist die familie darauf angewiesen, in dem engen und dunklen haus zu leben, darauf angewiesen, dass das dach dicht ist und nicht auch durch die mauern feuchtigkeit eindringt. der mann ist meistens weg, die kinder in der schule und die ehefrau zu hause.
jetzt aber scheint die sonne, es ist sonntag, aber wäsche muss gewaschen werden. nicht etwa mit einer waschmaschine oder unter fließendem wasser - nein die vielleicht 14 jährige tochter hat den auftrag, sich um wasser und das waschen zu kümmern und die schon trockene wäsche von der leine zu nehmen. sie glaubt sich unbeobachtet und übt die nächsten tanzschritte ein - wo auch immer sie diese dann präsentieren kann.
es gibt noch eine mutter, die aufgrund ihres körperumfangs nicht mehr ganz so beweglich ist, in der sonne sitzt und vor sich hindöst.
auf dem dach des anderen nachbarn sehe ich einen kleinen hund, dem es gelingt, es sich auf einem schräg abfallenden wellblechdach auf zwei blauen plastiktüten gemütlich zu machen, ohne dass er ins rutschen kommt. später kommt die tochter aufs dach und spielt mit ihm, ansonsten ist niemand zu erkennen. friedliche sonntagmorgenstimmung.
noch eine kurze verabschiedung meines hostelsenors und los geht es. ich bin früh dran, und schon in chaluanca geht es bergauf, aber noch macht das der vepse nichts aus. wir begleiten den fluss noch eine zeit, wieder ein schönes fahren, aber irgendwann ist schluss damit, wir verlassen den fluss und hoch geht es in den berg. serpentine folgt auf serpentine, die vepse ist tapfer, büßt aber an km/h ein, die temperaturanzeige geht nach oben, das thermostat springt an und ich entscheide, dass die düse zu wenig sprit durchlässt und der motor einfach zu heiss wird. düsenwechsel kein problem denke ich so und führe routinehaft meine handbewegungen aus - als - als mir auf einmal ein strahl heisser und grünlich farbender flüssigkeit entgegenschießt. der kühlwasserschlauch und zwar der teil, den wir in arica nicht ersetzt haben, weil er noch in ordung war, hat durch das permanente ausbauen des vergasers schaden genommen und ist gerissen! ich bin weit von chaluanca weg, es ist sonntag und noch nicht viel verkehr, die flüssigkeit ist nicht zu stoppen und lässt bald nach. ich denke nur, dass meine wasservorräte wieder dran glauben müssen, wenn ich denn eine lösung für das problem gefunden habe. ich widme mich zuerst dem düsenwechsel, und dabei fällt mir ein, dass ich noch ein stück kühlwasserschlauch im rucksack haben müsste. was für ein glück! und er hat sogar die richtige länge und passt vom durchmesser genau auf das metallröhrchen. die klemmen sind zu klein für den etwas volumnöseren schlauch und der kabelbinder lässt sich nicht so festziehen, wie es erforderlich ist. jetzt wären zwei schellen nicht schlecht und tatsächlich, ich habe noch zuhause vorsorglich welche in der richtigen größe eingekauft. genau zwei stück, die ich jetzt benötige. gut - ich bin mir meiner sache sicher, räume auf, fülle siegessicher mein wertvolles wasser nach, starte die vepse und - es tropft.
ich versuche die schelle nachzuziehen, sie blockiert, aber nach mehrmaligem versuchen und ruhe bewahren, klappt es, und sie zieht sich fest. zweiter versuch: kein tropfen mehr. das trinkwasser ist aufgebraucht, der pegel des kühlwasserstandes ist unter minimal - ich fahre trotzdem los und werde unterwegs nachfüllen.
die temperaturanzeige bleibt im normbereich, also war der düsenwechsel nicht verkehrt.mannomann - das hätte aber ganz anders ausgehen können.
mondlandschaft auf 4.500 m höhe
und dieses mal geht es in sachen höhenmeter zur sache: ich beobachte auf meiner gps app genau, die höhenentwicklung und sehe, dass wir bei 4.556 m den scheitelpunkt erreicht haben. erreicht schon, aber nun pendeln wir die nächsten zwei stunden auf der hochebene zwischen 4.200 und 4.500 m. der motor hört sich gut an, wir fahren zwischen 30 und 40 km/h.
pampa und büschelgras, weidende alpacas, die auch überraschend die straße nach einer spitzkehre überqueren, ab und zu eine lagune ohne flamengos
dann ist das auch geschafft - wir dürfen auf 3.200 m runter. landschaftlich haben wir büschelgras und viele alpacas, die sich daran weiden, die aber auch unvermutet nach der kurve auf der straße auftauchen.
hier hat es uns erwischt
ich fahre in eine parkbucht und möchte fotos machen. ich bin müde und unkonzentriert, klappe mit dem fuß den seitenständer aus, ohne mich abzusichern, dass er festen grund hat, steige ab, schaue in die landschaft und in dem moment neigt sich die vepse zur seite - ich versuche sie noch aufzufangen - keine chance und sie liegt da wie zum einschlafen bereit. ein lautes sch... brülle ich in das tal und nehme erst einmal alle aufbauten ab in der hoffnung, es dann zu schaffen. lkw-fahrer kommen vorbei und hupen wie immer, wenn ich an der vespa rumbastele, einer familie auf einem motorrad mit kindern beladener ladefläche winke ich zu, sie winken nett zurück, nicht meine hilflosigkeit erkennend. dann kommt nach gefühlt einer halben stunde ein minibus, der sofort hält. ich zeige auf die schlafende vepse, der fahrer begreift, ein anderer kommt dazu und zu dritt schaffen wir es, sie wieder auf die beine zu stellen. daumenhochgeste und der minibus ist wieder weg.
der rest ist vergleichsweise schnell geschafft, aber echt nur noch anstrengend. die sonne steht schon recht tief, meine grobe fahrtrichtung ist gen westen, immer wieder sticht die sonne mir in die augen, dann plötzlicher lichtwechsel, weil ein hervorspringender fels die sonne verdeckt und ich fahre in ein dunkles loch, in dem sich eine enge spitzkehre verbergen kann, mir ein mega-truck entgegenkeucht, meine spur für seinen überlangen anhänger ausnutzend - runter vom gas und langsam mich in das dunkle loch tastend - kein lkw, keine enge spitzkehre - dann wieder grelle sonne, die auch wieder für gefühlte blindheit sorgt - und das wiederholt sich so lang, bis ich endlich so tief bin, dass die sonne endgültig hinter den bergen verschwindet.
endlich sehe ich die ersten häuser von puquio und nach etwas suchen finde ich ein hostel.
auch hier in puquio wirkt alles sehr ärmlich. da wo keine lehmhäuser mehr stehen, wurden in ständerbauweise fantasielose häuser hochgezogen, es ist sonntagabend, viele menschen noch auf der straße, auf mich wirkt die szenerie eher bedrückend, perspektivlos.
später gehe ich in das benachbarte restaurant gegrillte forelle essen. auch hier wirkt alles sehr ärmlich, weisse deckenbeleuchtuung, wände, die feuchte kälte ausstrahlen, steinfußboden und eine miniglotze, um die sich die familie versammelt. als ich komme ist es mit der gemütlichkeit vorbei. ich fühle mich irgendwie als eindringling, der den verdienten sonntagabend unterbricht, der aber auch umsatz bringt. die forelle ist sehr lecker, die extragroße portion salat unter reis und kartoffeln versteckt, der junior ich schätze 10, bleibt an meinem tisch sitzen, verfolgt weiter das TV geschehen, will ein gespräch beginnen, aber ich bin zu müde nach diesem tag.
mein zimmer ist eines ohne fenster und überschaubar groß. die dusche aber richtig heiss, was ich wieder fast grenzenlos ausnutze.
morgen erwartet mich wieder so ein ritt wie heute. die landkarte verheisst nichts gutes, aber es sind dieses mal nur 4.250 m.