Veröffentlicht: 06.07.2019
Mein Retromotel hat mich gut schlafen lassen. Um 5.50 endet die Nacht, aber relativ gut erholt. Das Frühstück ist amerikanisch unterirdisch, und ein Posting des Bildes auf Facebook sorgt für blankes Entsetzen. Es gibt Rührei, Biscuits mit Gravy und vegetarische Würstchen. Es schmeckt nicht so grauslich wie es ausschaut, und es ist Independence Day, da muss man Opfer bringen. Vor dem Frühstück habe ich eine kurze Konversation mit meinen Zimmernachbarn, Dave aus Schottland und Susie aus Liverpool. Sie wünschen mir "Happy Independence Day" und ich meine dann, sie müssten bei mir noch bis zum 3. Oktober warten. Beide sind wie ich auf einem Rundtrip, kommen allerdings schon von Kanada, und schwärmen erheblich. Ich freue mich sehr, dass mir das noch bevorsteht.
Die Fahrt bis zur Grenze führt weiterhin durch wüstenähnliche Hügellandschaften, und ohne Fluss gibt es keine Obsthaine mehr, sondern nur eine spärliche Baumbewachsung in den Tälern. Der Übertritt nach Kanada entpuppt sich als 90-Sekunden-Vorgang, und ich habe auch nur 1 Auto vor mir. Ein unglaublich lockerer Zöllner fragt mich lediglich, wo ich wohne, wie lange ich in Kanada bleibe, was ich dabei habe, und ob ich Alkohol mit habe. Meine kurzen und knappen Antworten scheint er mir abzunehmen, denn er lässt mich nach besagten 90 Sekunden passieren und wünscht mir eine schöne Zeit.
Der Highway 97 führt danach an 4 Seen vorbei, dem großen Oysoyoos Lake, dem kleinen Vaseux Lake (3,8 km), dem wieder größeren Skaha Lake (11,8 km) und dann dem riesigen Okanagan Lake, der eine sagenhafte Länge von 138 km hat. Kein Wunder, dass man letzterem ein Seeungeheuer namens Okopogo zuschreibt, dass in seinen Tiefen leben soll. Ziemlich in der Mitte, am Westufer liegt mein Ziel, Kelowna. Die Stadt hat ca. 130.000 Einwohner und gilt als boomenster Ort Kanadas, und die Lage ist wirklich großartig, inmitten dieser einzigartigen Naturlandschaft. Händeringend sucht man hier immer noch qualifizierte Einwanderer, die allerdings mit entsprechender Qualifikation sein sollten und noch nicht zu alt. Ich bin ein wenig zu spät dran.
Ein Ausflug von hier führt mich nach Peachland, einem kleinen Ort ca. 30 Minuten von Kelowna. Besonderes Interesse weckt hier das "Gasthaus on the Lake", ein deutsches Lokal, welches 2000 eröffnet wurde. Dort laden ein typisch-teutonisches Meeresfrüchte-Schnitzel und Schwarzwald-Spätzle die germanisch intereressierten Gäste ein. Laut Infos, die ich habe, wurde es vor kurzem von einem Pakistani gekauft, was auf weitere kulinarische Wunderlichkeiten hoffen lässt. Der Spaziergang am Ufer des Sees ist aber wirklich kanadisch-echt, und die Dimensionen dieses Wassers sind unglaublich. Und dieser ist nur einer von 20.000 Seen in British-Columbia, die sich über insgesamt 750.000 km erstrecken. Und das ist ja nur eine von 10 Provinzen und 3 Territorien, und insgesamt gibt es ca. 2 Millionen (!) Seen in diesem riesigen Land. Eine Vorstellung, die man sich kaum greifbar machen kann und mir wird bewusst, wie winzig der Einblick in das zweitgrößte Land der Erde sein wird, den ich in den nächsten Tagen haben werde.
Abends genieße ich ein paar Austern, die wir beim "Codfather of Seafood" in Kelowna erstehen. Hier wird einem überdeutlich klar gemacht, wie reichhaltig das Angebot an Meeresfrüchten in diesem Land ist. 8 verschiedene Sorten gibt es , alle aus heimischen Gefilden, und mit 16 CAN$ pro Dutzend kostet eine weniger als 1 Euro. Seufz.