Veröffentlicht: 31.07.2019
Der letzte Tag. Beim Aufstehen begleitet mich natürlich Wehmut. Mein Koffer ist so gepackt, dass ich ihn mitsamt dem Handgepäck einfach nur rauswuchten muss. Keine Tüten oder ähnliches fliegen mehr im Auto herum. Das Quartier war nicht sehr schön, und genau richtig. Man fährt gerne weg. Ich fahre die erste Strecke auf der Interstate 84, immer entlang des Columbia River, der so ein wenig eine symbolische Bedeutung für meinen Aufenthalt hatte. Er hat mich zu meinem ersten Stop geführt, war danach ein Wegbegleiter Richtung Kanada, und führte mich dann wieder nach Oregon hinein, bevor er hier meine letzte Reiseroute begleitet. Er ist mächtig und schön in diesem Teil seines Laufs, den er aber nicht in Portland beendet, sondern noch einen Abstecher nach Norden macht, bevor er sich dann ins Meer ergießt. Wie den Mississippi an Ostern habe ich diesen Fluß lieben gelernt.
Nach der Hälfte der Strecke und ausreichend Zeit beschließe ich, die letzten 150 km rechtsläufig auf dem Highway 14 zu fahren, was bedeutet, dass ich wieder ohne, dass man es wirklich merkt, nach Washington State einreise. Oft gibt es ein Schild - hier nicht. Die Sonne strahlt, und zahlreiche Wassersportler in Form von Kite- oder Windsurfern sind auf dem Fluss, manchmal mehrere Dutzende an einer Stelle. Im Hintergrund liegt der imposante Mount Hood, ein schneebedeckter Vulkan und der höchste Berg Oregons mit 3425 m. Höher als die Zugspitze. Manchmal führt die Straße auf einen Hügel hinauf, von wo man die herrlichsten Blicke auf die Flussführung hat - manchmal geht sie unmittelbar am Fluss vorbei, und die Sonne spiegelt sich malerisch in den kleinen Wellenbergen.
Ein Weg, von dem mal will, dass er nicht enden soll, endet aber dennoch, als ich in den Großraum von Portland eindringe, und mich das Stadtleben dann aus meinen Flussträumen reisst. Mein Navi umgeht einen Stau und führt mich durch einige Vororte von Vancouver, Washington auf 3-spurigen breiten Straßen in Richtung Flughafen, bevor ich auf der Interstate 205 ein allerletztes mal den Columbia River überquere, und somit wieder nach Oregon einfahre und es dann rechts zum Flughafen abgeht. Die Zufahrt ist im Gegensatz zu Chicago, LA oder Denver eher beschaulich - der Flughafen ist nicht so riesig wie diese Moloche der USA. Mein Auto habe ich innerhalb von 3 Minuten los, in den USA wird so eine Abgabe extrem locker gehandhabt, und man hat ja schließlich auch Vollkasko ohne Selbstbeteiligung. Es tut mir leid, mein treues Gefährt so einfach herzugeben, und daheim werde ich feststellen, dass ich vergessen habe, wie ich meinen Mini mit Schaltgetriebe starte. 8000 km schaffen eine Verbindung mit einem Auto, die man sonst nur in einem Jahr hat.
Auch das Einchecken und die Security sind schnell hinter mich gebracht, und so habe ich genügend Zeit mich an eine Bar zu setzen, wo ich Ted kennenlerne. Er ist 71, pensionierter Anwalt, klein und drahtig und auf dem Weg nach Ljubljana, um dort einen 640 km Trail in einem Monat zu erwandern. Danach will er nach Griechenland und eventuell einen Teil von Europa - ingesamt wird er 90 Tage unterwegs sein. Alleine, und er sagt, dass das für ihn die beste Art ist, zu reisen, er würde ja gerne auch Leute kennenlernen. Ich bewundere ihn, vor allem seine Genügsamkeit. Er hat für die 3 Monate 13 kg Gepäck dabei, übernachten will er bei seiner Wanderung in Berghütten, die man wohl nicht mal nicht vorbestellen muss. Ein grundzufriedener Mensch, mit sich im Reinen, und auf dem Weg in ein großes Abenteuer. Man kann nur lernen.
Vor dem Boarding verabschiede ich mich, in der Hoffnung, ihn in Frankfurt noch einmal zu sehen, verpeile aber, dass er ja einen Connecting Flight hat und sein Gepäck nicht holen muss. Beim Schreiben dieser Zeilen wird er vielleicht schon auf dem Weg seiner Wanderung sein, ich wünsche ihm alles Glück dieser Welt und noch viel mehr.
Im Flugzeug sitze ich dann neben Wiebke aus Thüringen, auch Lehrerin, die 3 Wochen in den USA war, ihren Freund besuchen und auch herumgereist ist. Wir tauschen uns schnell aus, und die 10 Stunden Flugdauer sind nachbarschaftlich ein einziges Vergnügen. Sie ist eine charmante Erzählerin, wir amüsieren uns gemeinsam über die Bordverpflegung (wir bekommen mit dem vegetarischen Essen 2 mal frisch geschnittenes Obst und zusätzlich (!) eine Plastikschale eingeschweisstes Dole Dosenobst - ein wirklicher Joke. Selbst die nette Stewardess meint auf meine Bemerkung hin, dass das wenig Sinn macht. Ich schaue keinen einzigen Film, schlafe einige Stunden, und bin ansonsten froh, solch eine angenehme Person neben mir zu haben. Neben einem Muffel 10 Stunden zu sitzen, kann ziemlich nervig sein.
In Frankfurt verabschiede ich mich am Bahnhof von ihr, sie fährt weiter nach Erfurt und braucht auch nur 2 Stunden mit dem ICE. Ich erwische einen Direktzug nach Bad Kreuznach, und um 16 Uhr bin ich nach 22 Stunden Reisezeit ingesamt wieder in meiner Wohnung. Ich packe aus, und fühle mich müde, erleichtert, beglückt, traurig und aufgeregt zugleich. Fast einen Monat war ich unterwegs, einen Monat, den ich mit so vielen Ereignissen angerührt habe, dass ich froh bin, darüber diesen Blog geschrieben zu haben. Er wird mir eine bleibende Erinnerung sein an 4 unvergessliche Wochen in Oregon, Washington, British Columbia, Alberta, Montana, Kalifornien, Nevada und Idaho. I will miss it and I will return. Thank you life, for being so kind to me.