Veröffentlicht: 11.03.2022
Die Nacht war es sehr windig und es hat durch die Tür gepfiffen. Das Geräusch macht mir aber nichts aus. Im Gegenteil - ich finde es gemütlich. So wache ich um 7:00 Uhr ziemlich gut erholt auf. Ein Frühstück gibt es hier nicht, angesichts des Zimmerpreises ist das aber auch zu verschmerzen. Hunger habe ich sowieso nicht, und so mache ich nicht nur mit einem Kaffee auf den Weg. Mein schlaues Buch hat mir geraten, die alte Route 66 nach Oatman zu fahren. Allerdings sollte das Auto wüstentauglich sein. Ich geh mal davon aus, das es das ist.
Direkt hinter Kingman beginnt die historische Route und führt erst durch eine flache Wüste, um dann nach circa 15 km sich in engen scharfen Kurven den Berg herauf zu winden. Eine tolle Straße. Von den immer auf Schildern erwähnten Bikern, auf die man aufpassen soll, sehe ich aber keinen einzigen. Nach zahlreichen Stopps und wunderschönen Ausblicken erreiche ich schließlich den Sitgreaves Pass, den höchsten Punkt.
Von hier aus geht es wieder hinunter bis zu meinem nächsten Ziel Oatman. Dieser kleine Ort wird von zahlreichen Touristen besucht. Eine Attraktion sind die freilaufenden Esel, die überall rumstehen. Ich hatte schon auf der Strecke ein paar gesehen. Manche Schilder weisen darauf hin, dass man sie nicht vor dem Geschäft füttern soll. Und da steht nicht „donkey“, sondern „burro“, der spanische Name.
Patricia, die in einem kleinen Laden arbeitet, erzählt mir, dass die Esel hier schon immer herumlaufen. Als ich sie frage, ob es nicht einige Unfälle mit ihnen gäbe, meint sie, dass das eher selten sei. Die Leute wären sehr vorsichtig beim Autofahren. Die Esel müssten viel mehr Angst vor Kojoten haben. Die scheinen es auf sie öfters mal abgesehen zu haben. Als ich ihr sage, dass ich aus Deutschland komme, meint sie bedauernd, dass das Wetter ja nicht gut wäre. Ich finde es eigentlich ganz warm, aber sie scheint deutlich höhere Temperaturen zu erwarten. Außerdem mag sie den heftigen Wind nicht, der heute schon den ganzen Tag weht.
Nach 1 Stunde fahre ich weiter und in der Ferne sehe ich jetzt auch, wie der Wind den Sand und den Staub in die Luft bläst. Ich biege von der alten Route 66 ab, und fahre Richtung Needles, wo der Colorado River die Grenze zwischen Arizona und Kalifornien bildet. Beim überqueren bemerke ich zwei Dinge. Erstens das unglaublich blaue Wasser, dass manchmal ins Grüne übergeht, und zweitens die gestiegenen Benzinpreise hier in Kalifornien. Die Gallone kostet hier schon über sechs Dollar, und ich fahre in ein paar Kilometer zurück und tanke in Arizona für 4,19 $. Das ist schon Wahnsinn, 6 km weiter und die Hälfte mehr.
Nachdem ich den Fluss das zweite Mal überquere, biege ich links ab, um von diesem schönen Anblick ein paar Bilder zu machen. Der Wind ist immer noch sehr stark und mich wundert dass hier ein paar ganz unverdrossene Senioren Golf spielen. Vom Winde verweht würde ich sagen.
Um ein wenig schneller voran zu kommen, fahre ich auf der Inter State 40 durch die kalifornische Wüste. Zwei Versuche, wieder auf eine Landstraße zu kommen, werden dadurch zum Scheitern gebracht, da die Straßen gesperrt sind. Erst beim dritten Versuch klappt es und ich fahre auf der Kelbaker Road weiter. Die Inter State war schon nicht sehr befahren, und diese Straße ist es noch weniger. Kilometer lang geht es gerade aus durch diese karge und faszinierende Gegend. Manchmal bläst der Wind so stark, dass das vor mir fahrende Auto hinter einer Staubschicht verschwindet.
Die Fahrt ist unglaublich schön. Hier zeigt sich der ganze Charakter des Süd-Westens der USA. Endlose Ebenen, kaum Siedlungen, und schnurgerade Straßen entlang an grandiosen Felsformationen. Und das bei strahlendem Sonnenschein. manchmal halte ich einfach an, steige aus, und genieße diese Einsamkeit und Ruhe. Man hört wirklich nur den Wind und wenn sich ein anderes Auto nähert. Zwischendurch ist es absolut still. Ein Zustand, den ich daheim so sehr selten erlebe.
Mein vorletztes Ziel dieser Reise ist Joshua Tree, ein Ort der nach dem gleichnamigen Baum heißt, der hier die Landschaft prägt. Vorher fahre ich noch durch 29 Palms durch, und erinnere mich, dass ich hier beinah mal übernachtet hätte. Das hätte ich auch besser sollen damals, denn ich war nach dem Besuch des Joshua Tree Nationalparks so müde, dass ich es nicht weiter gefahren wäre. Aber mein Quartier war damals schon gebucht, und ich wollte es unbedingt erreichen. Würde ich heute so nicht mehr machen. Es war meine allererste Etappe auf meinem aller ersten Roadtrip - und man lernt ja dazu.
Ravi, dem das Retromotel gehört, in dem ich übernachte, kann ein paar Brocken Deutsch. Guten Tag und auf Wiedersehen. Und „wie geht es?“. Das war es aber schon. Ich frage ihn woher er kommt und er sagt, wie viele Moteliers, aus Indien. Ich frage ihn wann er das letzte Mal dort war. Er sagt, vor zehn Jahren, für drei Tage. Ich schaue ihn verblüfft an. Drei Tage? Er meint, er hätte dort was unterschreiben müssen. Und nicht länger Zeit gehabt. Wahnsinn.
Das Zimmer ist total altmodisch aber sauber. Preislich merkt man die Nähe zum Nationalpark, auch wenn ich nicht noch einmal dort vorbei schaue. Es ist aber trotzdem schön wieder hier zu sein. Ich erinnere mich so gerne an meine erste Amerika Reise 2018. Von San Diego nach Denver, acht Nationalparks, eine Reise für die Ewigkeit. Alles war so neu und aufregend. Auch diesmal hat die Faszination über dieses Land nicht nachgelassen. Obwohl man nach dem fünften Mal natürlich über mehr Erfahrung verfügt.
Ich nehme meinen großen Koffer mit ins Zimmer und muss morgen alles in beiden verstauen. Das ist zwar lästig aber notwendig wenn man das Auto abgibt. 18 Tage lang war es mein Zuhause. Es ist mit mir durch Schnee, Regen, Sonne, Kälte und Hitze gefahren. Irgendwie gewöhnt man sich an sein Gefährt und gerne gebe ich es nicht her. Aber mitnehmen kann ich es ja leider auch nicht. Ich freue mich, dass ich noch ein paar Tage mit Tom und Jen habe. Und Ethan wiedersehe. Das lenkt ein bisschen von der Traurigkeit ab, die das Ende eines Road Trips hervorruft. Von mir aus könnte es noch ewig so weitergehen.