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Transatlantik Teil 2

Veröffentlicht: 31.12.2019

Sonntag, 08.12.2019

Manchmal denkt man, es ist endlich weniger rumpelig. Die Wellen sind zwar recht groß (erschreckend eigentlich), wirken aber mittlerweile etwas mehr sortiert. Und dann wird es plötzlich wieder wild. Ich war gerade dabei, zwischen Tisch und Bett eingespannt, die Lagerkisten auf schlechtes Obst zu prüfen. Jedes Teil wird angefasst und begutachtet, aber wir haben bisher recht wenig wegwerfen müssen. Plötzlich schwappt eine große Welle von der Seite auf Deck und zum Großteil direkt den Niedergang (Bootseingang) runter in die Küche. Birgit blieb cool am Steuer (das war also kein Steuerfehler von uns Anfängern). Nina und ich haben unten gewischt. Simon hatte sein Fenster offen und wurde durch einen Seitenschwapp mit einer Dusche geweckt. Das wichtigste in solchen Fällen ist, alles möglichst von Salzwasser zu befreien, da Salz ständig weiter Feuchtigkeit anzieht. Kein leichtes Unterfangen mit begrenztem Süßwasser.

Danach hab ich eine Koch-Odyssee bei gut 20° Krängung (Bootsneigung) absolviert. Es gab Auberginen-Kokos-Curry mit Reis.

Montag, 09.12.2019

Note to self: Keine Kokosmilch auf Lanzarote kaufen. Leider waren meine Koch-Bemühungen gestern wenig rentabel. Es hat zwar ganz gut geschmeckt, aber die Kokosmilch war vermutlich schlecht. Es war eh schon schwer, welche zu finden. Das ist wohl kein gängiges Produkt auf den Kanarischen Inseln. Auf jeden Fall ging es ein paar von uns leider nicht so prickelnd.

In unserer Frühschicht haben Simon und ich die 1.999nm (Seemeilen) Reststrecke (Luftlinie) geknackt. Somit haben wir ca. ⅓ des Weges ab Lanzarote geschafft. Fühlt sich gut an, auch wenn es eigentlich schon lange schöner und wärmer hätte sein sollen. Gestern Abend kam dann auch noch eine Wetter-Hiobsbotschaft, dass es doch noch nicht besser, sondern eher schlechter werden soll. Aber wir sind einigermaßen guter Dinge und versuchen, uns gegenseitig bei Laune zu halten.

Alle 2h machen wir einen Logbuch-Eintrag mit Uhrzeit, Koordinaten, Luftdruck, Bewölkung, Temperatur, gefahrene Distanz, Segelstellung, Kurs und Kommentar. Wir müssen jetzt hauptsächlich noch nach Westen fahren und nur noch ein bisschen nach Süden. Eigentlich sagt man, auf der Barfußroute soll man in den Süden fahren, bis die Butter schmilzt und dann immer nach Westen. Aber davon sind wir noch weit entfernt.

Später hat sich der Tag dennoch ganz schön entwickelt. Wir waren tagsüber alle die meiste Zeit wach und haben gemeinsam gekocht, steuern geübt und Musik gehört. Bei 23°C kam dann auch noch die Sonne raus und fast alle haben gebadet. Während unserer Abendwache sind die anderen müde ins Bett gekrochen. So ein bisschen Rhythmus und Normalität fühlt sich gut an und lässt mich Familie und Freunde besonders vermissen.

Dienstag, 10.12.2019

Heute Nacht ging nichts mit schlafen, dafür war die morgendliche Wachschicht umso ereignisreicher. Erst ist uns eine Welle von hinten auf's Deck geschwappt und hat mich am Steuer von Kopf bis Fuß nass gemacht, dann ist mir ein fliegender Fisch auf die Schulter geklatscht. Das stinkt. Außerdem bin ich mal wieder in Hunde-Pipi gestiegen, da das mit dem Hundeklo zur Zeit wieder schlechter klappt. Eigentlich geht Luna auf's Vordeck für ihre Geschäfte, da es aber immer noch so rumpelig ist, geht das nicht.

Birgit - unser Captain und Alphatier - hat heute früh gesagt, sie mag nicht mehr, schei*** Geschaukel, das war noch nie so und sie will jetzt nach Hause. Das waren zumindest ihre Worte, nachdem sie ihr Frühstück (mal wieder) auf dem Boden verteilt hat wegen der Wellen. 

Nach einem 3h Powernap am Vormittag war ich den Rest des Tages fit und es wurde sonnig und etwas wärmer. Aber die Situation bleibt angespannt und die Wellen schräg und kräftig. Ohne Ohrstöpsel schlafen geht fast nicht und zu zweit in der Kajüte tun Nina und ich uns auch schwer, weil wir aufeinanderrollen. Das Boot liegt ja hauptsächlich auf einer Seite. Ich habe schon so ziemlich alle möglichen Schlafplätze auf dem Boot ausprobiert, aber bei dem Knarzen, Quietschen, Klappern und Wackeln gibt es keinen guten, ruhigen Ort. Am schönsten ist es draußen, aber da ist die Gefahr, nass zu werden, gerade zu groß.

Mittwoch, 11.12.2019

Heute bin ich stolz auf mich. Ich habe zwar immer noch manchmal das Gefühl, unsere kleine Nussschale in dem großen Ozean zu versenken, aber man sagt, mein Fahrstil sei der enspannteste. Ich konnte Nina ein paar Hinweise zum Steuern geben und selbst Simon hat sich noch Dinge von mir abgeguckt, obwohl er mir vor wenigen Tagen erst das Steuern beigebracht hat. Ich durfte heute früh auch ans Steuer, als das Segel geshifted wurde - von einer Seite rüber auf die andere.

Beim Steuern gibt es drei Prinzipien: 

1. Materialschonend fahren. Keine schlagenden Segel, nicht zu viel Druck im Ruder, wenig Autopilot. 

2. Ruhig fahren. Aufschaukeln, Ruckeln und Schwingen des Bootes sollten so gut es geht vermieden werden, um den Verstand der Crew zu wahren und einigermaßen erholsamen Schlaf zu ermöglichen. 

3. Nach Kurs fahren. Wollen ja auch irgendwann ankommen. Die Reihenfolge kann variieren.

Als Birgit zu Beginn immer sagte, du fühlst das doch, konnten wir Anfänger immer nur die Augen verdrehen und mussten uns dieses Gespür erst aneignen. Mittlerweile spürt man aber tatsächlich die Windrichtung an Ohr und Backe. Beim Spüren der Wellenrichtung und -stärke von hinten helfen mir meine Surf- und Reitkenntnisse ganz gut. Und wenn man dann noch mit Fingerspitzen steuert, spürt man auch die Strömung am Ruder. Läuft also und macht sogar zeitweise richtig Spaß.

In der Früh sah es kurz so aus, als würden sich die Wellen beruhigen, nur um dann den ganzen Tag nochmal so richtig loszulegen. Nach einer kurzen Nacht ist also wieder nicht an Schlaf zu denken.

Simon und Birgit versuchen seit Wochen, einen Fisch zu angeln. Heute hatten sie zum ersten Mal Erfolg. Die letzten paar Fische sind genau vor dem Boot wieder abgesprungen. Die ganze Mannschaft war auf Deck und mehr oder weniger dabei. Ich stehe der Sache zwiegespalten gegenüber. Eigentlich halte ich es für grausam und unnötig, aber mitgefiebert und geholfen habe ich trotzdem. Was mich überrascht und enttäuscht hat war, dass der Fisch (eine 50cm Dorade) nicht schnell getötet wurde, sondern kopfüber aufgehängt ersticken musste. Birgit hat am meisten Angler-Erfahrung und meinte, dass sei die einfachste und schnellste Methode und tierfreundlich töten gibt es eh nicht. Nina hat geweint. Soll ich mich jetzt mitfreuen oder mitweinen? Hätte ich was ändern können? Kann ich es für's nächste Mal?

Donnerstag, 12.12.2019

Habe letzte Nacht ein bisschen nachgeholfen mit einer Schlaftablette, da mir sonst bald Kraft und Lust ausgehen. Die Frühschicht war dadurch zwar hart, aber es hat schon geholfen.

Heute war wieder Waschtag. Diesmal hab ich meinen ganzen Körper (ohne Haare) sowie fast meine gesamte Unterwäsche mit ca. 0,75L Süßwasser gewaschen. Wir lernen hier auf jeden Fall sehr viel über das Haushalten mit Wasser, was bei uns zuhause quasi gar kein Thema ist. Das wirft ein ganz neues Licht auf all die vielen Länder, in denen dauerhaft Wasserarmut besteht.

Es war meist sonnig und warm und die Wellen werden nun doch länger und sortierter. Dafür aber auch höher und kräftiger. Aktuell segeln wir immer nur mit Vorsegel auf Raumwind, das heißt, der Wind kommt hautpsächlich von hinten. Da man auf den Wellen aber doch recht schwankt und das Segel nicht flattern soll, fahren wir immer mit leicht schrägem Wind und somit auch immer leicht schräg zur Welle. Gemütlicher wäre es, den Wind genau von hinten zu haben, sodass die Wellen gerade von hinten nach vorne unter uns durrchfahren. Unser Boot, die Azzurra, hat genau für diesen Zweck einen zweiten Baum, mit dem man das Vorsegel nach einer Seite aufgespannt halten kann. Das wurde aber noch nicht mit dem neuen Vorsegel von Birgit getestet und deshalb wurde heute vorne rumgeturnt und gebastelt. Auf's erste Mal haben wir es noch nicht geschafft, den Baum an's Segel zu machen, probieren es aber morgen wieder.

Ich sitze gerade in der Abendschicht und genieße den Blick auf den Mond und wie er die Wellen beleuchtet. Gestern oder heute Nacht ist Vollmond. Die See hat sich wie gesagt relativ beruhigt und auf manchen Kursen kommen wir zeitweise in einen Zustand, der sich anfühlt, als würde man schweben. Der Wind lässt gefühlt nach, da sich tatsächlicher Wind von hinten und Fahrtwind von vorne etwas aufheben. Und genau heute ist es noch ruhiger als sonst, da der Windgenerator seit kurzem Zicken macht. Sehr idyllisch.

Freitag, 13.12.2019

Der Start in den Tag war sehr schön. Zum Sonnenaufgang habe ich während meiner Frühschicht eine Stunde lang Seniorengymnastik gemacht, um mich wieder etwas zu mobilisieren und zu dehnen. Dann gab's ein Müsli und die Wäsche wurde zusammengelegt. Im Anschluss noch der Abwasch, und das alles während es auf dem Boot absolut ruhig war, da alle außer Simon und mir noch schlafen. Das ist alles nicht selbstverständlich hier und diese Normalität fühlte sich wunderbar an. Als ich Simon davon erzählt habe, meinte er nur: “Und kochen kann sie auch noch, endlich die perfekte Frau. Heirate mich?” (Natürlich war das nur Spaß, wir sind beide in einer glücklichen Beziehung.) Schon witzig, dass ich solche Dinge erst genießen kann, wenn ich mich wochenlang auf einem extremen Trip über einen Ozean befinde.

Heute ist offiziell Bergfest, das heißt, wir haben ca. die Hälfte der Strecke ab den Kanaren geschafft. Birgit hat ein Brot gebacken und wir haben am Abend zusammen Brotzeit gegessen und mit Aperol Spritz und Saftschorle angestoßen. Leider war die Stimmung eher verhalten. Der Himmel war den ganzen Tag drückend bewölkt und ich denke, zur Hälfte der Zeit hätten sich alle bereits etwas anderes vorgestellt. Es ist immer noch sehr anstrengend und Zeit zum Entspannen, Nachdenken oder den Ozean genießen gibt es kaum.

Antworten (1)

Johann
Hallo liebe Lena, dein Bericht hört sich total spannend an. Freue mich schon darauf zu lesen wie es weiter geht. Großen Respekt wie du das alles so meisterst. Ich drück dir die Daumen und wünsch dir viel Glück. Ein gutes Neues Jahr und einen guten Anfang in Süd Amerika. Lieben Gruß Hans

#transatlantik#segeln#ocean crossing#bergfest#waschtag#wellen