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Transatlantik Teil 1

Veröffentlicht: 26.12.2019

Sonntag, 01.12.2019

Nach Dusche und Frühstück legen wir ab. Schöner Wind und etwas Welle schieben uns an der nächsten Insel vorbei und in den Süden von Gran Canaria. 

Der 4h-Rhythmus ist ganz gut, Simon und ich haben jeden Tag um 04:00 Uhr und um 16:00 Uhr Wache. Unter Segeln wird mehr gesteuert, da der Autopilot Strom kostet und so üben wir alle fleißig das Steuern und sind viel beschäftigt. Seekrank wird niemand bisher, aber Nina und ich spüren es schon. Ich schlafe mittlerweile andersherum in meiner Koje, also mit dem Kopf zum Bug (Bootsspitze). So liege ich zwar mit dem Kopf bei Nina's Füßen, aber nicht mehr im Eingang. 

Nachdem ich mich mehrfach per Telefon von allen Lieben zuhause für die nächsten Wochen verabschiedet habe, haben wir unerwartet noch sehr lange Insel-Empfang. Das ist zwar auch ganz schön und ich kann noch ein bisschen Musik herunterladen, aber irgendwie auch komisch, da der Abschied so noch schwerer fällt.

Montag, 02.12.2019

Zweiter Tag auf See. Sehr praktisch, dass wir genau zum 1. des Monats losgefahren sind. Und auch noch am 1. Advent. Aber weihnachtliche Stimmung kommt nicht auf, obwohl Nina einen Adventskalender aus 2 Packungen Pralinen gebastelt hat. 

Als der Wind südlich von Gran Canaria eingeschlafen ist, kommt Unruhe auf. Irgendwas stimmt mit dem neuen Dieselfilter nicht, er tropft etwas. Nachts wurde er ein bisschen festgezogen, aber tagsüber wollten wir das noch besser machen. Hätten wir das mal lieber gelassen. Beim zweiten Versuch ist das Schauglas des Wasserabschneiders gebrochen. Da der Wind kaum noch für Fahrt gesorgt hat, hat uns die Welle immer mehr geschaukelt und das Segel hat gefährlich geflattert. Der Motor ist von dem Niedergang (Treppe zwischen Deck und Salon) sowie von den zwei Achterkabinen (die hinteren) zugänglich. Aber alles ist wahnsinnig eng und umständlich. Zum Glück hat Birgit noch den alten Dieselfilter dabei, der auch etwas undicht ist. Dieser wurde dann unter lautem Fluchen eingebaut, was ungewollt ein all-hands-on-deck Manöver hervorgerufen hat. Alle waren wach, unentspannt und die Stimmung war auf der Kippe. 

Nachdem das Teil eingebaut wurde und der Motor lief habe ich laute Mitsing-Musik angeschmissen und die Situation entspannte sich wieder. Eine Delfinschule, die uns besucht hat, rundete den Moment ab.

Dienstag, 03.12.2019

Seit gestern schaukelt es uns gefühlt noch mehr durch. Keiner kann mehr gescheit schlafen, es werden die spannendsten Liegepositionen ausprobiert. Sind also alle etwas geschlaucht und machen nicht viel mehr als Steuern und Rumliegen. 

Eine richtige Mahlzeit ist immer ein Highlight, da keiner große Lust auf Kochen und Abspülen unten in der schaukelnden Küche hat. Meist wird oben Gemüse und Obst geschnitten und einer erbarmt sich dann in die Küche, mit der stetigen Angst, von einem heißen Topf erschlagen zu werden. Der Herd ist zwar kardanisch aufgehängt, kann also die Bewegung der Wellen ein Stück mitgehen, aber auch das hat seine Grenzen. Gestern ist der Kaffee am Boden gelandet. 

Gelegentlich nieselt es kurz, aber richtig geregnet hat es noch nicht. Eine Sache, die mich ziemlich stört, ist mit dreckigen Füßen ins Bett zu gehen. Wir sind 80% der Zeit hier barfuß unterwegs, weil es praktisch und sicher ist. Nur nachts gibt's Schuhe, die aber oft nass werden durch einschwappende Wellen. Nasse Socken, die mit Salzwasser gespült wurden, werden kaum wieder trocken, da Salz Feuchtigkeit anzieht. Füße waschen in dem Mini-Bad und unter Wassermangel ist aber auch nicht drin. Vielleicht fällt mir noch was ein.

Mittwoch, 04.12.2019

Seit gestern Abend bin ich irgendwie genervt. Eigentlich sind alle leicht gereizt. Wir werden immer noch stetig geschaukelt und bekommen nicht den Schlaf, den wir bräuchten. Birgit schläft mittlerweile im Salon auf dem Boden, um sich zwischen Bett und Tisch einzukeilen. Jeder versucht, so ruhig es geht zu Steuern, aber dazu braucht es nunmal viel Erfahrung und Übung. Wir wussten, dass wir nochmal in dieses Kreuzfeuer geraten werden, aber das macht es nicht besser. Genau für solche Zeiten habe ich mir ein paar schöne Filme auf mein Handy und hab mich heute eher zurückgezogen. War auch mal ganz schön. 

Stellenweise können wir mit kräftigem Wind recht flott voran segeln, dafür war es mir zu kalt zum Duschen. Hatte mich schon darauf gefreut. Eine tüchtige Abreibung mit dem Waschlappen musste aber reichen. 

Pünktlich zum gemeinsamen Abendessen hat uns das Wetter dann eine Pause gegönnt. Der Wind wurde ruhig, der Himmel riss auf und wir konnten auf einer langen, geraden Welle entspannt surfen. Das wir dafür wieder den Motor anmachen mussten haben alle insgeheim froh hingenommen.

Donnerstag, 05.12.2019

Nach mehreren Stunden Pause haben Wind und Welle heute nochmal richtig Gas gegeben. Wir haben nur ein kleines Stück vom Vorsegel draußen und flitzen trotzdem mit 6-7 Knoten dahin. 

Steuern ist anstrengend, alles andere auch. Aber wir nehmen es mit Humor. Mein Stift zickt, da ich im Liegen schreibe. Bei einer Krängung (Schräglage) von locker 30°, die ständig die Seite wechselt, versucht man, unten möglichst schnell eine halbwegs gemütliche Liegeposition zu finden. Hatten auch einen kurzen Regenschauer. Die Wellen wirken mindestens 10 Meter hoch, sind aber laut Birgit nur 2-3 Meter. 

Wir haben gestern versucht, ein bisschen “Sport” auf Deck zu machen, da unsere Körper versteifen, aber alles ist ca. 10 mal anstrengender auf dem Boot. Liege jetzt also vorne in meiner Koje, lasse mich ordentlich durchschaukeln und lausche dem Wasser, wie es direkt neben meinem Kopf laut vorbeirauscht.

Freitag, 06.12.2019

Habe die Erlösung gefunden: Ohrstöpsel! Eigentlich wusste ich es ja, deswegen habe ich mir in weiser Voraussicht vor der Reise extra Silikon-Ohrstöpsel besorgt, die man in die ganze Ohrmuschel drückt. Normale Stöpsel passen nämlich nicht in meine winzigen Gehörgänge. Da ich aber super ungern etwas in den Ohren habe, hab ich mich bis jetzt vor der Benutzung gedrückt. Völlig übermüdet hab ich ihnen heute früh also eine Chance gegeben und siehe da, trotz des wilden Geschaukels hab ich 3h quasi durchgeschlafen. Es hilft also doch sehr viel, die Geräuschkulisse mal für eine Weile auszublenden. Die Stimmung ist wieder besser, aber Wind und Wetter sind noch intensiv, sodass Kochen und Duschen noch keinen Spaß machen würden. 

Am Nachmittag lasse ich mich von Birgit doch noch zu einer Dusche motivieren. Mit dem Eimer kippen wir uns Salzwasser über, während wir auf der Badeplattform hinten sitzen. Hat gut getan und das Wasser war relativ warm. Dann shampooniert man sich kräfig ein, spült nochmal mit Salzwasser nach und am Schluss kann man mit möglichst wenig Süßwasser alles einmal nachspülen. Währenddessen sind wir mit einem Palstek (Knoten) um den Bauch festgebunden, um nicht verloren zu gehen, falls wir reinfallen. 

Birgit sagt immer, bald wird es besser. Der Wind kommt dann von hinten, die Welle wird lang und gemütlich und die Temperaturen steigen. Meist ist es in 1-2 Tagen angeblich so weit. Bin mal gespannt, ob ihre Prophezeiungen irgendwann wahr werden.

Samstag, 07.12.2019

Die Nacht war hart, der Tag ist es ebenfalls. Das mit der Erlösung gestern war etwas voreilig euphorisch. Helfen tun die Ohrstöpsel schon, aber ich wechsle gerade wild die Schlafplätze durch, da man kaum irgendwo stabil liegen kann. 

Wir haben uns zum Kochen gezwungen, was zwar lecker war, aber auch gefährlich. Simon hat einen blauen Fleck, in der halben Küche war Eintopf verteilt und ich musste mich kurz am brennenden Herd anlehnen. Ist aber zum Glück nichts schlimmes passiert. Sowas unter Wasserarmut wieder aufzuräumen, wenn alles, was man abstellt - inklusive einem selbst - wegfliegt, macht wenig Spaß. 

Ich bin mir sicher, dass noch schönere Zeiten kommen werden, aber alle laufen bald auf dem Zahnfleisch. Und auch, wenn ich sehr dankbar um die Erfahrung bin, habe ich mich innerlich bereits entschlossen, zurück nach Hause zu fliegen und freue mich sogar sehr darauf. Nicht, weil es hier so furchtbar ist, sondern weil ich schon immer sehr gerne geflogen bin und nach diesem Alternativ-Test das Fliegen in meinem Kopf wieder wesentlich besser abschneidet. So eine Überfahrt ist mit viel Zeit, Geld, Kraft, Nerven und Gefahren verbunden und all das sollte in der Rechnung ebenfalls berücksichtigt werden. Nicht nur der CO2 Ausstoß. Meine Reiseziele kann ich ja auch entsprechend anpassen und das Fliegen einfach wieder zu etwas sehr Besonderem erklären. Achtsam fliegen würde meine Mama wohl sagen. 

Ach ja, ich weiß, ich wiederhole mich, aber meine Füße sind nass, kalt und dreckig. Habe noch keine Lösung gefunden. 

Simon's Erkenntnis des Tages: "Erst wenn die Seele ruht, kann auch der Körper zur Ruhe kommen." So weit sind wir noch nicht. 

Antworten (1)

Alfred
Liebe Lena, bin super froh, wieder was von Dir zu hören... danke, dass Du Dein Reisetagebuch so offen mit uns teilst... hört sich alles nach dem Abenteuer des/Deines Lebens an... Please more! Schöne Grüße aus der langweiligen Komfortzone. Al

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