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Hafenzeit ist schöne Zeit

Veröffentlicht: 23.11.2019

Samstag, 16.11.2019

Heute soll das Boot morgens kommen und gegen Abend wollten wir dann losfahren. Wir sollten genau ein passendes Wetterfenster erwischen, um den Absprung auf die Kanaren gut zu schaffen. Nina und ich stehen also früh auf, packen unsere sieben Sachen und scharren startklar mit den Hufen. Dann hat uns das Leben mal wieder eine wichtige Lektion erteilt. Pläne werden gemacht, um über Bord geworfen zu werden. Besonders bei der Seefahrt. 

Das Boot kam gegen Nachmittag an und die Crew hat sich erst mal kurz beschnuppert. Es ging Schlag auf Schlag weiter, Nina und ich beim Großeinkauf, die anderen beim Putzen und Boot vorbereiten. Spät abends sollte es losgehen. Beim Abendessen dann die (weniger) frohe Botschaft: wir bleiben. Und warten.

Sonntag, 17.11.2019

Erste Nacht im Boot wurde gut überstanden. Ist vielleicht gar nicht so schlecht, dass wir uns erstmal an das Leben auf einem ständig schwankenden Mini-Haus bei dauerndem Platzmangel gewöhnen können. Da wir nun erst morgen früh starten wollten, sind Nina, Simon und ich zum Sonnenaufgang (etwas verspätet) rüber nach Gibraltar und haben uns vor den Öffnungszeiten auf den Berg geschlichen. Die Affen oben sind überraschenderweise extrem zutraulich, beinahe schon zu sehr. Sie haben uns sogar entlaust und sich alles geschnappt, was sie in die Finger bekommen haben. Ein ganz frecher hat mir mein Pflaster gegen Seekrankheit geklaut, dass ich mir hinter's Ohr geklebt hatte. Ein anderer ist mir gezielt an den Rucksack und hatte innerhalb weniger Sekunden den Reißverschluss geöffnet. Wir konnten ihn zum Glück verscheuchen. Die Affen haben die Menschen hier oben fest im Griff. Sie werden gefüttert und so gehalten wie in einem Zoo ohne Zäune. 

Zurück auf dem Boot wurde ich zum Kassenwart ernannt und habe die Bordkasse eröffnet. Außerdem gab es die erste Bordeinweisung. Besonderes Augenmerk lag auf der Funktionsweise der Toiletten (komplex) und dem Risiko eines Kakerlakenbefalls (sehr gefährlich).

Montag, 18.11.2019

Das "Gleich-geht-es-los"-Spielchen beginnt jeden Tag auf's Neue. Natürlich meint es niemand böse und keiner kann das Wetter beeinflussen, aber das kratzt schon an den Nerven aller Beteiligten. Liegen weiterhin im Hafen in La Línea. Wir haben nochmal Proviant nachgekauft und finden langsam einen Rhythmus aus Schlafen, Kochen, Essen, Siesta, Kochen, Essen und wieder Schlafen. Haben einen Filmabend eingelegt (Breakfast at Tiffany's).

Dienstag, 19.11.2019

Es geht los! Diesmal wirklich! Um 09:00 Uhr war Abfahrt, allerdings nicht nach Lanzarote sondern erstmal durch die Meeresenge zwischen Europa und Afrika und dann noch ein kleines Stück die spanische Küste entlang bis nach Barbate. Haben abends im Hafen wieder angelegt. Ein kleines Stück der Strecke konnten wir Segeln, der Rest wurde mit Motor gefahren. Der Wind ist weiterhin gegen uns. Segeln ist wesentlich angenehmer, da ruhiger und weniger Lärm. 

Bisher war niemand seekrank, aber es war wohl auch noch nicht wirklich wild. Ich leide eher unter der Wirkung des Anti-Seekrankheits-Pflasters als unter der Seekrankheit selbst. Es beeinträchtigt meine Sehkraft extrem, sodass ich in der Nähe kaum noch etwas erkenne. Kann mein Handy und mein Tagebuch kaum entziffern. Das ist zwar eine bekannte Nebenwirkung, ist aber dennoch wahnsinnig frustrierend.

Mittwoch, 20.11.2019

Da wir voraussichtlich erst am Wochenende weiterfahren, habe ich das Pflaster wieder entfernt. Merke auch schon wieder Besserung. Die nächsten Tage ist viel Wind, Regen und Welle angesagt. 

Im Hafen wird einiges repariert und gewartet. Der Motor wird so ziemlich generalüberholt. Alle möglichen Filter und Pumpen werden geeinigt oder ausgetauscht. Ich helfe beim Ölwechsel und bin sonst eher in der Küche tätig. 

Die größte Herausforderung ist der begrenzte Platz. Man steht immer jemandem im Weg, stolpert über etwas oder haut sich wo an. Alles muss sofort wieder an seinen Platz zurück geräumt werden, sonst entsteht in kürzester Zeit Chaos. Jeder Zentimeter ist sinnvoll genutzt. 

Zum Frühstück gibt es meist ein einfaches Porridge (Haferflocken, Nüsse, Trockenfrüchte und Obst mit Tee aufgegossen). Mittags gab es als Highlight Milchreis. Es ist tatsächlich eines der wenigen Essen, das wir alle gegessen haben. Es gab zwar eine Variante mit Kokosmilch (vegan), aber sonst gibt es immer mindestens eine Person, die etwas anderes isst. Wir haben tatsächlich alle irgendwie unterschiedliche Ernährungspläne. Aber wir arrangieren uns ganz gut bisher. 

Nina und ich haben die Nahrungsmittel-Lagerkisten heute umsortiert und beschriftet und dann versucht, uns ein bisschen zu bewegen/dehnen, da der Körper ganz schön schnell versteift. Habe etwas Halsweh.

Donnerstag, 21.11.2019

Da ein Lagerkoller droht, starten Simon, Christoph und ich trotz Regenansage auf eine kleine Wanderung. Wir packen uns dick ein und stapfen die Küste entlang Richtung Nordwesten. Wir sind durch einen schönen Pinienwald gelaufen und an den Klippen bzw. am Strand wieder zurück. Die Farben waren trotz diesigem Himmel und Regen toll. Blaues Meer, grüner Wald und rote Klippen. 3 Stunden lang haben wir unsere Regenausrüstung auf Herz und Nieren geprüft. Trocken kam niemand an. 

Überall hängen nasse Klamotten, die Luft ist klamm und auf Boden und Wänden ständig eine Schicht Feuchtigkeit. Abends habe ich angefangen, eine Proviant-Liste für die Atlantiküberquerung zu schreiben. Das wird spannend. Wir haben jetzt eine Woche Verzug zum ursprünglichen Plan, werden aber immer entspannter. Hilft ja nichts.

Freitag, 22.11.2019

Habe es heute sehr ruhig angehen lassen, da die nasse Wanderung gestern meine abklingenden Halsschmerzen in eine ausgereifte Erkältung verwandelt hat. Ich halte mich also still und versuche, viel zu schlafen. Mittags machen Nina und ich einen weiteren Großeinkauf, denn morgen geht es los... Vermutlich. Das Wetter peitscht weiterhin doll um uns herum. Wir machen abends nochmal eine Lagebesprechung und teilen die ersten Wach-Schichten ein. Wenn wir morgen abfahren, sind wir vermutlich ohne Pause 5-6 Tage auf See. Die Nervosität im Raum ist spürbar. Kein Wunder bei dem kleinen Raum. 

Antworten (3)

Maria
Die Enge scheint ja im Moment die größte Herausforderung zu sein, zum Glück bist du das größte Organisationstalent, das ich so kenne. Bussi

Alfred
... danke Lena für Deine sehr anschaulichen Erlebnisberichte, sie geben einem das Gefühl selbst ein wenig bei Eurem Abenteuer dabei sein zu dürfen! Ich freue mich auf Deine weiteren posts, wissend, dass diese vielleicht nicht immer regelmäßig und ausführlich sein können. Have a save trip. Al

Brigitte
Keinen besseren Kassenwart hätten sie finden können 😀 Schmeiß die Pflaster weg und nimm Ingwer, der hilft hoffentlich auch deiner Erkältung 🤧 weiter viel Glück 🍀

Spanien
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