Veröffentlicht: 06.05.2023
High Desert
Es gibt Wörter, die gibt es gar nicht, zumindest in der deutschen Sprache. Wir kennen die Sand- und die Steinwüste, das Wüstengebirge und noch ein bisschen was, aber eine Hochwüste - die ist uns fremd.
Um zu einer solchen zu kommen, muss man in den Westen New Mexikos und dabei landet man unversehens das erste mal auf einem noch vorhandenen Stück „Old Route 66“. Da holt einen dann die Geschichte ein, die der Großen Depression und der verheerenden Sandstürme im Mittelwesten in den 30er Jahren, die dazu geführt haben, dass Millionen, um ihre materielle Existenz gebracht, aus purer Not heraus den Weg in den vermeintlich goldenen Westen suchten. Diese Mischung aus Verzweiflung und oft genug vergeblicher Hoffnung, aus Lebensmut und schierem Überlebenswillen, haben der Route 66 ihren Mythos verliehen und den Dramen, die sich hier abgespielt haben, hat John Steinbeck in seinem Roman Früchte des Zorns ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt.
Lange kann man diesen Gedanken nicht nachhängen, denn man möchte ja nach El Morro und dazu muss man nach Süden abbiegen.
Aus einer Wüstenhochebene (so um die 2300m), erheben sich einige Tafelberge, einer davon ist besonders prägnant. Und um den herum hat sich in der Vergangenheit besonders viel Historisches ereignet. Zunächst lebten hier über Jahrhunderte hinweg der indianische Stamm der Hupi, die, wie andere in dieser Gegend auch, nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen ihr Pueblo auf so einen Klotz bauten. Sie mussten zwar, wenn die Zisternen leer waren, das Wasser hinauftragen, aber das war ihnen die Sache offensichtlich wert, zumal, von unten unsichtbar und nur von oben zugänglich, diesen Felsen ein baumbestandener, schattiger Canyon durchschneidet; da konnte man es sicher aushalten.
Und es gibt hier sogar einen kleinen Pool mit frischem Quellwasser - und genau das wurde den Ureinwohnern zum Verhängnis. Zuerst bemächtigten sich die spanische Conquistadores der Quelle und später sprach es sich schnell unter den westwärts ziehenden Siedler Trecks herum, dass dort eine in der Wüste so seltene, zuverlässig sprudelnden Wasserquellen war.
Gegen Feuerwaffen waren die Indians wehrlos.
Diese wechselvolle Geschichte ist hier wahrlich in Stein gemeißelt: In den weichen Sandstein geritzt finden sich indianische Petroglyphen, großspurige spanische Hinterlassenschaften und viele Namen derjenigen Einwanderer, die in der Zeit nach 1850 in der bereits etablierten Gesellschaft an der Ostküste nicht mehr Fuß fassen konnten und nun auf ihre Chance im Westen des Kontinents hofften.
Anmerkungen zum Klima:
Während er dies schreibt, sitzt der Chronist in Pullover und Jacke, mit Mütze und klammen Fingern bei wolkenlos strahlendem Himmel an einem Tisch in einem wunderbaren Campground und hofft auf den Sonnenuntergang, weil sich dann der eisige Wind legt. Allerdings, wärmer wird‘s dann auch nicht - im Gegenteil.
Kein Kaktus blüht, hier hat der Frühling noch nicht begonnen.