Veröffentlicht: 29.10.2025




























Heute Morgen habe ich mir den Wecker auf halb acht gestellt, um meinen Lieblingstempel hier um die Ecke, den Ginkaku-ji mit dem Silberpavillon ohne die ab 10 einfallenden Touristenmassen wiederzusehen. Im Gegensatz zum berühmteren Kinkaku oder Goldenen Pavillon, der zwar sehr schön, aber auch sehr eitel und laut prahlend in seinem völlig überlaufenen Park steht und glänzt, ist dieser Tempel bescheiden und eher zurückhaltend, von Silber keine Spur, nur altes dunkelbraunes Holz mit einem wilden Hahn auf dem Dach, die Umgebung voller sehr beeindruckender Sandgärten, die ständig gepflegt und geharkt werden müssen, aber doch immer genauso aussehen, gleichzeitig unglaublich verletzlich und fragil, aber auch ewig wirkend. Wie diese Skulpturen und gemusterten Felder aus weißem Sand Regenschauer, Wind, Schnee überstehen und doch immer wieder intakt zurückkehren, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls sind sie riesig, unglaublich schön und sehr eindrucksvoll. Dahinter erstreckt sich bis hoch auf die Berge ein Traumgarten mit vielen verschiedenen Moosen, Bäumen und Steinen, Laternen, Brücken und Skulpturen. Das einzige, was mich schon gestern auf dem Philosophenpfad irritiert hat, ist, dass alles noch grün ist! Keine Spur von Herbstfärbung. Ich hoffe doch sehr, dass sich das während meines Aufenthaltes noch ändert, dann quäle ich euch wahrscheinlich mit denselben Bildern noch einmal in Farben. Ich will ja sowieso noch ein paarmal hin. Die Tempel, Dächer und Tore sind übrigens maßgearbeitet, so dass sie ohne Nägel und Bolzen zusammenhalten und darum auch schwingen können und erdbebensicher sind. Alte Gebäude werden hier von Zeit zu Zeit erneuert, damit die alten Handwerkskünste nicht verloren gehen.
Mehrere Schulklassen drängelten sich dann nach 10 Uhr auf allen Wegen, alle in Schuluniform und mit gelben oder orangen Hütchen auf, unterschiedliche für Mädchen und Jungen. Kein Handy weit und breit zu sehen! Die Lehrer schienen mir sehr steif und streng, macht bestimmt keinen Spaß, hier in die Schule zu gehen. Übrigens gibt es hier in der Grundschule keinerlei Fremdsprachenunterricht, erst in der Mittel-und Oberschule wird Englisch obligatorisch, konzentriert sich dann aber ausschließlich auf Grammatik und Auswendiglernen. Auf gesprochene Sprache oder Konversation wird kein Wert gelegt. Kein Wunder, dass jedenfalls in Kyoto fast kein Mensch Englisch sprechen kann oder will, selbst die jungen Leute und Studenten können nicht auf Englisch kommunizieren nach Johnny‘s Erfahrung hier an der Uni. Ich frage mich, ob die Computer, Spiele und Filme auch ausschließlich Japanisch sprechen?
Das ist natürlich sehr schade, denn auf diese Weise kommt man, wenn man nicht Japanisch gelernt hat ( und das ist schwerer als Finnisch!), nicht mit Japanern in Kontakt. Die Kommunikation beschränkt sich auf freundliches Zunicken, eine höfliche Verbeugung, ein Lächeln oder höchstens mal ein fröhliches gemeinsames Kichern, wenn eine komische Situation beiden gleichzeitig lustig vorkommt. Guten Tag, danke und kawaiiii (süüüß) kann ich sagen, für alles andere ist mein armes Gehirn leider schon zu beschränkt. Trotzdem bin ich wieder restlos begeistert und beeindruckt von diesem Land, aber das geht alles auf dem Wege des Sehens, Hörens, Badens, Riechens und Schmeckens.
Nach dem heutigen Tempelbesuch machte ich mich auf die Suche nach einem Laden, der Shampoo und Seife verkauft, und wurde fündig, allerdings waren die Haarwaschmittel leicht zu finden, während ich für die Seife eine halbe Stunde mit meinem Handy und Google Übersetzer auf Kamera gestellt durch die Regale irrte und alles mögliche, womit man etwas waschen kann, entdeckte außer normale Körperseife….. schließlich griff ich noch ein großes und ein kleines Handtuch und machte mich triumphierend auf den Weg zu einem alten Onsen auf der anderen Seite der Stadt. Hier gibt es uralte Holzreliefe an den Wänden und Deckengemälde, zwei Außenbecken in eine Felswand gehauen, wo auf der einen Seite ein Drachen kaltes Wasser auf einen spuckt und auf der anderen eine Quelle das Basin mit angenehm heißen Wasser speist. Drinnen gibt es verschiedene Sprudelbäder und einen große Holzpool, in dem man sich genüsslich aalen kann bei etwa 40’C. Und diesmal habe ich (glaube ich) alles richtig gemacht und mich eingeseift, dass der Schaum nur so spritzte. Aber man sitzt ja beim Abseifen auf einem sehr kleinen Plastikhocker, damit man die anderen nicht bespritzt, im Stehen darf man nicht. Der Hocker bleibt dann meistens am Po kleben, wenn man wieder aufstehen will….Und das kleine Handtuch legt man sich auf den Kopf, damit es nicht in Berührung mit dem Badewasser kommt. Wenn man aussteigt, bedeckt man damit seine Blöße so gut es geht (die sind so groß wie ein Waschlappen!)
Es gab, wie meistens in diesen Bädern, auch eine Sauna, ohne Aufguss und mit einem kleinen Fernseher, wo japanisches Netflix ohne Ton lief, damit man sich nicht langweilt. Mit im Raum saß eine alte Japanerin, die ständig mit ihrem Gebiss geknackt und geknistert hat, und als sie es dann schließlich ganz aus dem Mund nahm und neben sich legte, musste ich leider fliehen!
Auf dem Rückweg fand ich dann noch ein sehr kleines Curry-Restaurant, eher nur eine Theke mit fünf Stühlen und zwei jungen Frauen, die dahinter eine Auswahl von fünf Curry-Gerichten (eine Art japanisches Nationalgericht, das mit Löffeln gegessen wird) im Angebot hatten. Mein Seafood-Curry, halbscharf, war ausgesprochen schmackhaft, auch wenn eigentlich kein Seafood darin zu entdecken war, und dazu gab es Kimchi satt. Und zum Nachtisch einen Umeshu, gelben japanischen Pflaumenwein.
Leider gab es da ein Schild, dass man keine Photos machen soll. Schade, die Atmosphäre war ein bisschen sympathisch schmuddelig und sehr eigen, ganz mein Fall.
Was mich heute noch erfreut hat: Die Ampeln beginnen zu zwitschern wie Vögel, wenn die Fußgänger grün haben! Und die alten Bäume, die schon fast am Umfallen sind, werden nicht abgehauen, sondern liebevoll mit Holzstangen gestützt. So soll es sein!