Veröffentlicht: 27.10.2025
12 1/2 Stunden Flug und sieben Stunden Zeitverschiebung, das schafft man am besten mit einem Nackenkissen, ekelhaft engen Stützstrümpfen, einem glücklich ergatterten Fensterplatz mit Aussicht und zwei guten Filmen mit Paul Mescal, Joaquín Phoenix und Lady Gaga, ein bisschen Musik von Amy Winehouse hilft auch weiter.
Die Route von Helsinki nach Osaka war schon beinahe lächerlich: Erst stracks nach unten über Warschau, etwas sicheren Abstand halten von Lviv und weiter nach Bucharest, dann scharf abbiegen und über das Schwarze Meer und danach mehr oder weniger geradeaus weiter. Leider war es die meiste Zeit stockduster, aber kurz vor Ulan Bator wurde der Horizont schon heller und über der Wüste Gobi, kurz vor Beijing, schien schon strahlend die Sonne und die Ausblicke waren atemberaubend. Die einzige Stadt, die wir direkt überflogen, war Seoul, und das sieht von oben überaus hässlich aus. Und aus dem Flugzeug sieht man auch überdeutlich, wie China, Korea und auch Japan mit ihren riesigen Großstädten die Meere versauen: Bis weit hinaus ziehen sich gelb-grünliche Wasserlachen über viele Kilometer an den Küsten entlang und erst ganz weit draußen wird es dann langsam blau.
Ich war allerdings wieder sehr beeindruckt vom Wunder des Fliegens, dass es überhaupt möglich ist, welche Distanzen man in so kurzer Zeit zurücklegen kann, und was es alles zu sehen und zu bestaunen gibt, auch wenn es politisch völlig unkorrekt ist. Das letzte Mal, als ich die Grenze zu China auf dem Landweg überquert hatte, bin ich aus dem selben Grund in Tränen ausgebrochen vor Begeisterung….
Zwischendurch gab es die obligatorischen finnischen Fleischklopse und ein mickriges Fläschchen Wein, später noch ein labberiges Omelett mit matschigen Bratkartoffeln (früher war doch alles besser….😅).
Das ganze Flugzeug war übrigens zur Hälfte mit Japanern und zur anderen mit deutschen Passagieren gefüllt, wahrscheinlich ist die Stecke über Helsinki noch immer günstig.
In Osaka begann dann, allerdings nachdem die Aktivierung der eSimkarte noch im Flugzeug beim Ausrollen ohne Probleme sofort funktioniert hatte, alles mit Katastrophen: Der ATM-Geldautomat wollte meine zwei verschiedenen Visa-Karten nicht akzeptieren, eine finnische und eine deutsche, völlig normale Karten. Mir brach erst der heiße und dann der kalte Schweiß aus: Ich hatte in Helsinki nur vorsichtshalber 200€ umgetauscht und in Japan wird auch heute noch beinahe alles in bar bezahlt, vor allem aber meine Wirtin im Gästehaus in Kyoto, die sowohl die Miete für 6 Wochen als auch die Kaution gerne in Scheinen in die Hand gedrückt bekommen wollte. Gottseidank hatte ich noch eine dritte Visa-Karte im Portemonnaie, von der ich gar nicht erwartet hatte, dass sie im Ausland funktioniert, aber mit der S-Pankki-Karte spuckte der Apparat endlich meine Yens aus.
Das nächste Problem folgte sofort auf dem Fuße: Ich hatte ein Ticket reserviert schon in Finnland, um mit dem Schnellzug vom Flughafen Osaka nach Kyoto weiterzureisen, und diese blöde Fahrkarte war spurlos von meinem Handy verschwunden, gerade als ich einsteigen wollte. Ein sehr freundlicher Bahnbeamter half mir dann, sogar auf Englisch, geduldig weiter, bis wir sie kurz vor Abfahrt irgendwie wieder auf den Bildschirm zaubern konnten und trug mir dann sogar mein Gepäck in den Zug und hiefte es auf die Ablage.
Nach all den Aufregungen und der durchwachten Nacht leistete ich mir dann ein Taxi zum Gästehaus, das an einem Hang liegt, zu dem nur ganz kleine Gassen führen und man sich am Ende eine verlotterte Steintreppe hinaufquälen muss. Diese Treppe ist allerdings einer der Orte, die ich am meisten vermisst hatte die letzten fünf Jahre, seltsam! Der Taxifahrer kannte natürlich die Adresse nicht und sprach kein Wort ausländisch, war aber sehr gewillt, meiner handgemalten Skizze und einem ausgeblichenen Ausdruck von Google Maps zu folgen und setzte mich direkt unten an den Stufen ab.
Das Wiedersehen mit Kim, meiner Wirtin, und dem schönen alten Gästehaus, war herzlich und emotional, vor allem, weil es in allernächster Zukunft verkauft und jedenfalls spätestens Ende Februar geschlossen werden soll, weil es nach Corona anscheinend einfach zu teuer im Unterhalt geworden ist und nicht mehr genügend Langzeitgäste kommen.
Ich bezog das Eckzimmer vorne im ersten Stock, in dem 2018/19 Johnny gehaust hat. Dieses Zimmer hat die beste Aussicht auf die herrlichen grünen Berge um Kyoto, es ist 6 Tatamis groß, hat nicht schließende Schiebefenster und außer einem flachen Tisch, dem Futon und einer elektrischen Wärmematte darunter und einem Wandschrank keine weitere Einrichtung. Auch alles andere im Haus ist unverändert, was mich sehr erfreut.
Den Rest des kurzen Tages (es wird schon gegen fünf dunkel) verbrachte ich mit einem Rundgang durch die nähere Nachbarschaft, um zu gucken, welche Lokale und Geschäfte noch da sind. Unser kleines Sento (heiße Bäder) um die Ecke werde ich morgen besuchen, der Konvini-Laden um die Ecke ist leider geschlossen, auch das Restaurant, wo es die guten ausgebackenen Teigkugeln mit Tintenfisch gab und wo der Besitzer Oktopusse in jeder Form und Größe aus allen möglichen Materialien herumzustehen und zu hängen hatte, habe ich noch nicht wiedergefunden, aber mein „Jazz und Whiskey“ mit den unendlich vielen Vinylplatten existiert noch, und in einem unserer Stammlokale, dem Caravan, wo vor allem Studenten und einsame alte Männer herumsitzen und Gegrilltes und Frittiertes zu sich nehmen und wo derselbe alte Wirt noch hinter der Theke steht und strahlt und die Tochter bedient, habe ich dann ein köstliches japanisches Abendessen verspeist mit Omelett, Gyoza, Miso-Suppe, Reis und gegrillter Makrele für insgesamt 4,50€! Ich war total glücklich, dass dieser Ort noch genauso wie vor Jahren aussieht und auch die Stimmung sich nicht verändert hat und bin jetzt richtig froh, dass ich mich getraut habe, wirklich auch alleine nach Japan zu reisen.