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Eriwan - im JR's gestrandet

Veröffentlicht: 04.12.2018

Über den Montagvormittag (12.11.2018) frühstücke ich in aller Ruhe, drehe ein Ringel mit Rango in Sewan und beseitige meine Spuren in der Hostelküche. Laut Wetterbericht soll es in den nächsten Tagen in der Gegend erst regnen und anschließend schneien. So habe ich entschieden, die letzten knapp 60 Kilometer bis Eriwan mit dem Bus zurückzulegen. Entgegen pessimistischerer Vorhersagen einiger Einheimischer, kann ich mit dem Dicken in den ersten Kleinbus in die armenische Hauptstadt steigen. Gegen halb zwei erreichen wir den Busbahnhof Eridarsadakan nahe dem Stadtzentrum von Yerevan. Während der Fahrt habe ich mehrere Hostels in meiner Kartenapp markiert, die wir nun, eins nach dem anderen, abklappern. Gegen um drei erreichen wir JR's House Hostel und ich kann, nach etwas Hin und Her wegen Rango, schließlich ein Bett im 12-Mann-Schlafsaal beziehen. Der Dicke findet vor dem Zimmer auf einer Art Balkon ein Plätzchen. Über den restlichen Tag komme ich mit ein paar anderen Bewohnern ins Gespräch, die teils ganz interessante Geschichten zu erzählen haben.

Am Dienstagvormittag klappt seit langem mal wieder ein Videoanruf nach Down Under, während dem ich mir ein Käffchen auf der sonnigen Hostelterasse gönne. Die gut 1000 m Höhenunterschied zur Gegend um Sewan machen sich positiv bemerkbar. Nachdem ich mich von meinem Schwesterchen verabschiedet habe und die, während des Telefonats gewaschenen, Klamotten dann aufgehängt sind, drehe ich mit Rango über den Nachmittag ein erstes Ringel in Eriwan. Eine Altstadt konnte ich vorerst noch nicht ausmachen, dafür ein modernes Stadtzentrum mit einigen Grünanlagen und typ. Flaniermeilen. Zurück im Hostel verbringe ich den Abend erneut in guter Gesellschaft.

Am Mittwoch, den 14.11.2018, begebe ich mich auf den Weg zur iranischen Botschaft. Da der Visa-Antrag auf elektronischem Wege am Pass-Scan gescheitert ist, versuche ich nun die Dinge durch persönliche Vorsprache ins Rollen zu bringen. In der Botschaft wird mir mitgeteilt, dass für die weitere Bearbeitung des Visas zuerst ein eVisa-Antrag im System vorliegen muss. Das geht ja gut los. Mir wird eine Adresse mitgegeilt, wo ich bei der Antragsstellung Hilfe erhalte (natürlich gegen einen kleinen Obolus). Zurück in der Botschaft bekomme ich einen "Termin" für den kommenden Montag. Zurück im Hostel quatsche ich etwas mit Thelma (eine Reisende auf dem Heimweg in den Iran) und Michel (Philosoph aus Weißrussland, der nach Kathmandu läuft).

Die Zeit im Hostel vergeht ansonsten wie im Flug. Die Tage starten zwischen acht und halb neun mit einem Ringel um den Block. Bei schönem Wetter kann man an einer Stelle nahe des Hostels die Umrisse des imposanten Ararat erkennen. Meistens ist es morgens aber eher trüb. Nach 20 Minuten an der frischen Luft gibt es für mich Frühstück im Hostel, welches im Übernachtungspreis (knapp 4 €) inbegriffen ist. Neben Brot mit Butter, Käse, Wurst, Salaten (herzhaft und süß), diversen Marmeladen, Kuchen und verschiedenem Müsli, wird regelmäßig auch etwas warmes mit angeboten. Zum Beispiel Spiegelei oder gebratener Blumenkohl. Dazu ist den ganzen Tag Tee und Kaffee frei verfügbar. Tagsüber habe ich immer irgendetwas zu tun und komme nur selten zu meinen ziellosen Spaziergängen in der Stadt. So benötige ich zum Beispiel zwei Anläufe bis ich das Innenleben meiner Wanderschuhe repariert bekomme. Der erste "Schuhmacher" hatte übel gepfuscht.

Am Samstag, den 17.11.2018, fällt Rango vom Podest vorm Schlafsaal und baumelt an seiner Leine. Ich halte gerade Mittagsschläfchen und hätte es garnicht mitbekommen. Zwei Inder reagieren aber prompt. Einer hält ihn von unten, der andere holt mich und ich kann Rango wieder über die Brüstung heben. Der Dicke war sich seiner unschönen Lage durchaus bewusst, ich konnte kurz die Panik in seinen Augen sehen, als er in meinen Armen lag. Die nächsten Nächte hole ich ihn mit in den Schlafsaal, wenn ich zu Bett gehe. Der Balkon scheint mir dann doch zu unsicher. Abends sitze ich oft bis weit nach Mitternacht am Laptop und bereite meine Reiseartikel für meine Großeltern auf, die sich hartnäckig weigern das Neuland Internet zu betreten. Mit 84 Jahren aber auch irgendwie verständlich.

Am Montag, den 19.11.2018, bin ich pünktlich um zwei an der iranischen Botschaft im Ortsteil Arabkir. Ich werde auf Mittwoch vertröstet. Am Abend treffe ich mich mit Nare im Zentrum von Eriwan, wir schlendern etwas durch die Stadt und treffen uns später mit Zina und Mehran. Der gemeinsame Abend in einem kleinen Pub / Cafe ist ganz unterhaltsam, besonders Nare hat es mir angetan. Das Fräulein (24 Jahre jung) hat ein Faible für die deutsche Sprache, ist angehende Notarin, im Hostel für den Papierkram zuständig und sorgt dafür, dass mir das Warten in der armenischen Hauptstadt sehr leicht fällt.

Am Dienstag (20. November 2018) gehe ich mit Rango zum Tierarzt. Der Dicke hat eine Stelle am Bein an der er seit fast zwei Wochen rumleckt und ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich das Problem mit einer Propolissalbe in den Griff bekomme. Es wird Blut ab- und die ein oder andere Gewebeprobe genommen. Er bekommt ein paar Spritzen und eine Salbe, Prednisolon sowie ein Antibiotikum verschrieben. Der Spaß kostet knapp 70 € und ich soll nächsten Dienstag wieder vorstellig werden. Fast wie in daheim.

Am Mittwoch steht der nächste Gang zur Botschaft an, diesmal wird mir Wiedererscheinen am kommenden Montag ans Herz gelegt. Inzwischen sind ein paar neue interessante Gäste im JR's eingetroffen. Mit Penelope aus der Schweiz und dem Bulgaren Iwan verstehe ich mich prima. Es wird also nach wie vor nicht langweilig. Das Hostel wird spaßeshalber unter einigen Reisenden schon als schwarzes Loch bezeichnet. Einmal eingecheckt, gibt es kein entkommen mehr. Der Dicke musste mittlerweile in den Heizungskeller umziehen, zerlegt dort aus Langeweile Stück für Stück die Dämmung an der Türinnenseite und ruft doch öfters mal nach mir. Mit Vorliebe in der Nacht, ans alleine pennen muss er sich erst gewöhnen.

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