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Hangzhou ni hao! 2/2

Veröffentlicht: 25.11.2019

Am Morgen des nächsten Tages. Die schlafarme Nacht fühlt sich an als wären 8 Wochen innerhalb weniger Stunden über mich gerollt (kleiner Scherz am Rande). Von draußen schallen schwere Gong-Schläge durchs offenstehende Fenster. Vermutlich kommt der Klang aus einem der Talaufwärts gelegenen, buddhistischen Tempel.

Fürs Frühstück haben wir an das Nötigste gedacht, da man beim last Minute Schnäppchen nicht an Frühstück denkt, geschweige denn an westliches Frühstück. Bananen, Vollkornbrot und Reisenutella, alles was Anna zum Überleben braucht. Als wir auf der Terrasse vorm Haus unsere Stullen schmieren, kommt die liebreizende Vermieterin gerade nach Hause, sieht uns und eilt nach drinnen. Wenige Minuten später erscheint sie mit zwei Schüsseln des typisch chinesischen Frühstücks, flüssiger Reisbrei mit etwas Gemüse. Beide probieren wir skeptisch und wechseln einen prüfenden Blick. Gute Idee das Nutella.

Mit frischem Proviant versorgt begeben wir uns auf die heutige Wanderung mit Ziel Longying, einem in China für seinen „Drachenbrunnentee“ berühmten Dorf in den Hügeln um den Westsee von Hangzhou. Selbst der Vorsitzende Mao ernannte diesen Tee zu seinem Lieblings-Grüntee. Nach wenigen Hundert Metern entlang der Route werden wir beide stutzig. Der Baum neben uns brummt hörbar doch wir können nicht erkennen wieso. Ich mache einen prüfenden Gang auf die andere Seite und sehe gleich den selbst mir suspekten Grund: Orangene Wespen in der Größe meines Daumens knabbern an einem am Baum befestigten Stück Hühnchenfleisch… Pahh! Mich schüttelts jetzt noch beim Gedanken daran. Anna will schnell das Ferne suchen, da habe ich nichts gegen einzuwenden.


Wir machen uns weiter bergauf Richtung Bergkamm. Der richtige Weg ist gut ausgeschildert und man kann auch kaum von diesem Abweichen. Wandern bedeutet hier nämlich Treppen steigen. Die Wanderwege in China, egal wie abgelegen sie auch scheinen, sind fest angelegt. Ob betoniert, aufwendig in den Stein gemeißelt oder mit Steinen gefliest, keine Mühe werden gescheut.

Die hohe Luftfeuchtigkeit treibt einem spürbar den Dunst ins Gesicht. Bis wir auf dem Kamm angekommen sind, klebt alles. Von da an ziehen wir durch das wunderschöne Teeanbaugebiet mit dem Dorf Longying im zentralen Tal gelegen. Oder ist es doch eine sehr aufwendig gelegene Buchsbaumplantage? Entlang des Hügelkamms bearbeiten vereinzelt Leute mit typisch chinesischen Hüten die Sträucher, der Anblick wirkt fast wie aus dem Drehbuch.

Zur Vesper hat es in der gestrigen Eile nur für süße Snacks gereicht, deftiges gibt es eher selten. Während wir Kekse, Früchte und Cola trinken, träumen wir von Bergkäse und Landjäger. To-Do fürs nächste Mal 😉

Der Weg führt 15 km durch Teefelder, Bambuswälder, Tempel und Longying. Als es langsam dämmert, sammeln sich Maler abseits der Wege, um den Anblick auf Leinwand festzuhalten. Erschöpft aber glücklich über den Trip kommen wir zurück am Hotel an.

Abends zieht es uns zu Thomas und Rene. Ihr Hotel liegt zentral im Ort das alte Gebäude mit ausladender Veranda lädt förmlich zum Entspannen ein. Noch dazu ist Rene in Besitz einer italienischen Kaffeemaschine, eine Seltenheit. Wir trinken Tee und Espresso und zeigen Thomas, wie Maumau funktioniert.

Der nächste Tag ist regnerisch und genau richtig für sanfte Unterhaltung. Das Frühstück fällt wie gestern aus, wieder sieht uns die Besitzerin und eilt trotz wiederholter Abbitten Richtung Küche. Zurück kommt sie mit einem Teller voll … gekochtem Mais. Wir bedanken uns, wechseln einen „Eigentlich keine Lust, aber was wäre das für ein Eindruck“-Blick. Anna probiert ein Stück, ich auch, wenig später ist der Teller leer. Der milde, fast schon fade Mais hat tatsächlich etwas an sich für die noch müden Geschmacksnerven, eine unerwartete Erfahrung.

Wir ziehen durch die kleinen Lädchen der Gassen, besichtigen Tempel, probieren traditionelle chinesische Kleider und treffen eine Menge neuer Leute. In einem esoterisch anmutenden Laden finden wir eine Menge selbstgemachter Kettchen, Schnitzereien und Räucherstäbchen. Der Besitzer kümmert sich währenddessen um seinen Hinterhof mit Schrein, Fischteich, Bananenbäumen und Freiluftfuton. Wir suchen ein paar Steine aus, er fertigt daraus für Anna 2 Armkettchen und segnet diese mit einem tibetanischen Gebet. Neugierig fragen wir mittels Übersetzer-App nach dem Hintergrund des Rituals, am Ende philosophieren wir 2 Stunden über Glauben, Gesellschaft und Nächstenliebe. Nebenbei erklärt er uns das Lebensrad und die 5 Formen des Buddhas, sein Laden wirkt wie ein kleines, selbstgeschaffenes Paradies.

Auf dem Rückweg steht der gesamte Verkehr um den See. Nach 1,5h Fahrt für sagenhafte 7 km beginnt erneut die Zeit zu drängen und wir wollen schnell U-Bahntickets kaufen. Leider scheint die junge Ticketverkäuferin kein Englisch zu verstehen, denn auf unser „East Railway Station“ antwortet Sie nur mit Schulterzucken und kichern. Nochmal Handy raus, Karten laden, suchen, zeigen und sie reicht uns die Tickets. Als wir uns umdrehen entfleucht ihr ein an Anna gerichtetes „You are so beautiful!“ – Wie, Was?! Jetzt geht Englisch plötzlich doch? Erst bin ich verwirrt, aber eigentlich war das ziemlich süß von ihr 😊 Im vollgeladenen Zug nach Hause stehend, planen wir sehnsüchtig unser Abendessen: Schnitzel und Currywurst mit Pommes, Mahlzeit!

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