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Argentinien Part II (wwoofing in Catamarca 23. Mai - 5. Juni)

Veröffentlicht: 28.06.2017

Von Chilecito aus kamen wir mit einer Übernachtung bei den heißen Thermen in Santa Teresina in "El Portezuelo" an, einem Dorf mit ein paar Hundert Einwohnern in der Provinz Catamarca. In dem letzten Haus des Dorfes am Ende einer staubigen Straße fanden wir die Hofeinfahrt unserer zukünftigen "Wwoofer-Familie". Wwoofing steht für world wide organic farms und funktioniert nach dem Prinzip, dass man bei einem Biobauernhof untergebracht wird, dort Unterkunft und Verpflegung bekommt und als Gegenleistung mit auf dem Hof anpackt. In unserem Fall gab es keinen Hof im eigentlichen Sinne, unser "Hof" bestand aus einer Aussteigerfamilie mit zwei Kindern (Leon 2 1/2 und Kiara 12), die sich in der wüstenähnlichen Gegend von Catamarca ihr Haus mit Biomaterialien gebaut hatten und die mit Hilfe von Wwoofern ein zweites kleines Häuschen nach eben diesem Prinzip auf ihrem Grundstück bauten. Zeitgleich mit uns befanden sich noch weitere vier Wwoofer dort: Maria und Ariel aus Argentinien sowie Élodie und Hervé aus Frankreich. Wir hatten den Hof vor allem deshalb ausgewählt, da wir uns von dem zweijährigen Leon einen Spielkameraden für Vincent erhofft hatten. Leider ging diese Idee komplett nach hinten los. Nicht nur dass Leon keine Lust hatte in irgendeiner Weise mit Vincent in Kontakt zu treten, geschweige denn sein Spielzeug zu teilen, er war auch sichtlich erzürnt darüber, dass sich jetzt ein Baby in seinem Zuhause aufhielt. Wenn Vincent beispielsweise morgens anfing fröhlich in der Küche drauf los zu brabbeln kam schon aus dem Schlafzimmer wo Leon noch im Bett lag ein "Waaaa"-Geschrei zur Antwort. So hielten wir uns die meiste Zeit mit Vincent woanders auf oder nutzen nur das Wohnzimmer (und die Spielsachen), wenn Leon gerade nicht zu gegen war. Er war jedoch nicht nur Vincent gegenüber so feindlich eingestellt. Eigentlich lief er den ganzen Tag nur mit verschränkten Armen herum, schmollte oder schrie. So wurden Leons Standardsätze "No quiero" (das will ich nicht), oder "es mio" (das gehört mir) schon zum Running Gag unter uns Wwoofern. Beim Spaziergang ging er mit der Machete hinterher und schlug die Pflanzen kaputt und zuhause machte er dem Hund und den Katzen das Leben schwer. Zum Glück waren die Eltern große Reiki-Praktizierer. Die oberste Regel von Reiki besagt, dass man seiner Umwelt: jedem Lebewesen, jeder Pflanze, jedem Stein und sogar jedem sonstigen Gegenstand wie seinem Auto etc., mit purer Liebe begegnen sollte. Bisher sahen die Eltern jedoch anscheinend keine Notwendigkeit diese Weisheit auch ihrem Sohn zu vermitteln. Seine Aggressionen gegen alles und jeden wurden toleriert und hingenommen wenngleich andere Menschen, Tiere, Pflanzen darunter zu leiden hatten.

Wenn man Leon mal außen vor lässt, verbrachten wir zwei für uns bereichernde Wochen, in denen wir viel lernten. In der ersten Woche baute Dennis eine Hauswand aus barro. Diese Masse, die aus Erde, Ton, Wasser, Stroh und viel Pferdekacka herstellt wird, wird zwischen aufgeschichteten Steinen, Holzpalletten oder auch Glas wie bsp. Weinflaschen aufgeschichtet und gilt als Klebe- und Bausubstanz. Ich passte in dieser ersten Woche meist auf Vincent auf. Um auch etwas für die Gemeinschaft zu tun kümmerte ich mich zudem um das Mittagessen. Für zehn Personen gar nicht so eine einfache Aufgabe. Schwieriger als die ungewohnte Menge war jedoch für mich vor allem die Kreativität die für diese Tätigkeit gefragt war, denn es galt aus den vorhandenen Zutaten (meist unzählig viel Gemüse + Reis oder Linsen, wahlweise + Eier, manchmal auch noch etwas Käse) etwas Leckeres zu zaubern, ohne jeden Tag das gleiche zu machen. Neben ein paar gestressten Vormittagen musste ich auch feststellen, dass mir das Kochen Spaß bereitete. Zudem war ich hin und wieder selbst überrascht was für ein Geschmack entsteht, wenn man unzählig viel Gemüse miteinander kombiniert.

Zu Beginn der zweiten Woche wollten Dennis und ich dann die Aufgaben unter uns tauschen. Ich bekam den Auftrag den "reboque" (die Fassade/Außenschicht) auf die aus barro gefertigte Wand aufzutragen. Um dies herzustellen siebt man Erde und mischt sie mit Wasser und Kalk. Diese Paste wird dann auf den getrockneten barro aufgetragen und kann anschließend beliebig farbig angestrichen werden oder auch natur-/ steinfarben, belassen werden. Leider war ich in dieser Aufgabe nicht so geschickt, zudem wollte Vincent immer wieder auf meinen Arm und Dennis hatte nicht so Lust aufs Mittagessen kochen, also tauschten wir nach einem Vormittag wieder.

Die zweite Arbeitswoche wurde dann von einem großen Event überlagert von dem wir erst kurz vorher erfuhren: "Sechs amigos kommen am Dienstag und zehn Leute aus einer Kommune aus Buenos Aires kommen am Mittwoch". Grund des ganzen Trubels: "der Schamane aus Brasilien kommt und es wird eine Reinigungszeremonie durchgeführt". Aha! Um die ganze Meute auf dem kleinen Grundstück unterzubringen mussten wir Woofer unsere Schlafplätze räumen. Maria und Ariel nutzten die Gelegenheit die Umgebung etwas zu bereisen und verschwanden für drei Tage, Elodie und Hervé zogen vom Gästehaus ins Zelt um und wir zogen aus dem Bauwagen in unseren schnuckeligen Camper. Wir waren selbstverständlich auch eingeladen an der Zeremonie teilzunehmen, lehnten dies aber alle ab. Letztendlich trafen die amigos + die Leute aus der Hauptstadt alle am selben Tag ein. Manche blieben nur eine Nacht, andere bis zum Wochenende. Es wurde auf der Wiese musiziert, geredet und alles konsumiert was der Regenwald so zu bieten hat. Am ersten Tag wurde die Zeremonie nachts abgehalten, alle versammelten sich im Dunkeln ein paar Meter hinter dem Haus zwischen den Kakteen und ein paar Sträuchern. Es wurde getrommelt, soviel konnten wir bis zu uns hören. Die Zeremonie dauerte bis zum nächsten Morgen. Den ganzen inneren Prozess unterstützte ein Pflanzenmix aus halluzinogenen Lianen.

Am nächsten Morgen reiste die Hälfte der Truppe ab. Der Schamane und seine Gehilfen blieben mit dem Rest dort. Der darauffolgende Tag diente der Erholung und Vorbereitung auf den nächsten Tag. Die Reinigungszeremonie war also noch nicht vorbei. Wieder wurde gemixt und gemörsert was das Zeug hält und aus den getrockneten Kakteen, die hier im Überfluss wachsen, wurde ein Mescalin-haltiges Getränk zubereitet. Diese zweite Reinigungszeremonie war nur für die Eingeweihten gedacht, die sich schon länger mit der Selbstfindung und Meditation beschäftigen und mentale Stärke besitzen. Sie fand tagsüber im Garten statt und wir konnten von unserem Camper aus alles gut verfolgen. Zusätzlich zu dem Kaktus wurde Froschgifte auf die Haut aufgetragen. Tabakrauch, der vom Schamanen mittels einer Pfeife ins Gesicht gepustet wurde, rundete das ganze ab. Für die Gehilfen gab es Cocablätter zum kauen, damit sie die drei Tage Arbeitseinsatz auch gut durchstehen.

Alles in allem waren es erlebnisreiche zwei Wochen in denen wir viel spanisch gesprochen haben, viele Eindrücke sammeln konnten und nette Leute kennengelernt haben. Vor allem die Gemeinschaft mit den anderen Wwoofern bereicherte uns sehr und natürlich lernten wir auch viel über Biokonstruktion und sonstige verrückte Dinge. Z.B. wie man Zahnpasta aus Ton herstellt oder Spüli aus Asche, oder wie man aus leeren Coca-Cola Flaschen kleine Aufbewahrungsboxen faltet. Vincent hatte zwar keinen Spielgefährten in dieser Zeit, ließ sich von Leon aber auch nicht sonderlich beeindrucken. Wir verbrachten viel Zeit mit ihm im Garten und er hatte großen Spaß an dem Hund und den Katzen. Ganz nebenbei kam sein zweites Zähnchen zum Vorschein: der untere linke Schneidezahn.

Für die Weiterfahrt schlossen sich uns die beiden Franzosen an, die wir hier kennengelernt hatten, und mit Kalle ging es nun mit fünf Leuten an Bord weiter Richtung Norden. Wir ließen es uns jedoch nicht nehmen abzufahren ohne nicht noch eine Reiki-Einführungsstunde mitzunehmen. Es heißt, wenn wir 21 Tage an uns selbst üben besitzen wir danach das erste Niveau um Reiki auch bei anderen anzuwenden und mittels der Energie des Universums alles und jeden zu heilen. Freiwillige vor ;)
Antworten (1)

Emma
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