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COVID-19: zwischen Quarantäne & eLearning

Veröffentlicht: 14.03.2020

Ni men hao!

Nach mehreren Monaten, zwei Wochen Weihnachtsurlaub in Südvietnam, einer Woche Familienbesuch in Thailand, Umzug auf den neuen Schulcampus, Umzug ins neue Apartment etc. habe ich beschlossen, mal wieder zu berichten, wie es uns bis dato ergangen ist.

Weihnachten am Strand
Weihnachten am Strand
Sao Beach Phu Quoc
Phu Quoc

Um das einfach einmal gesagt zu haben: Es geht uns gut! Enge Freunde, Familie und eine Handvoll Kollegen aus Deutschland haben sich häufig bei uns gemeldet und gefragt, ob alles ok sei. Das tat zugegebenermaßen sehr gut und wir sind dankbar dafür. 

Der Umzug in unser neues, großes Apartment mit toller Dachterrasse in einem wunderschönen Compound hat unsere Lebensqualität merklich verbessert. Auch die Hunde fühlen sich wohl, haben Platz und blühen auf. Der Weg zur neuen Schule ist akzeptabel, 35 Minuten Anfahrt mit dem Schulbus bzw. 25 Minuten mit dem Taxi sind wirklich im Rahmen. Die neue Schule ist tatsächlich spektakulär, auch wenn vieles noch nicht ganz fertig ist und mit Übergangslösungen gelöst wurde. Ich habe als Vertretungsplaner mein eigenes Büro, das Konzept der Schule als "Haus des Lernens" ist super durchdacht und die Möglichkeiten in den Naturwissenschaften, Sport etc. sind überwältigend. Nun muss nur noch persönlicher Charakter in das neue Gebäude einkehren, denn aktuell ist alles noch steril und kahl.

Schulmaskottchen  
Mein Büro
Sporthalle
Außenanlagen

Die Arbeit ist weiterhin sehr anstrengend, der Aufwand und das, was von jedem einzelnen erwartet wird, übersteigt alles, was ich bisher erlebt habe. Dennoch, der Zusammenhalt der Schulgemeinschaft und die Qualität dessen, was jeden Tag geleistet wird, ist toll.

Kurz vor Chinese New Year dann die Hiobsbotschaft: Ein neuartiger Corona-Virus breitet sich in der Millionenmetropole Wuhan langsam aus. Chinese New Year bedeutet: 1,3 Milliarden Menschen reisen durch das gesamte Land, um die Familien zu besuchen. Was das wiederum bedeuten könnte, war nur ansatzweise zu erahnen, denn die Faktenlage war sehr dünn. Wir sind wie geplant nach Thailand geflogen, um die deutsche und thailändische Familie zu treffen. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt gab es am Flughafen praktisch keine Menschen, die ohne Gesichtsmasken gereist sind. Zutritt nur nach Fiebermessung! Dennoch: Der Reiseverkehr wurde nicht eingeschränkt und so verbreitete sich das Virus binnen 1 Woche exponentiell. In Thailand dann die nächste Hiobsbotschaft: Die Schule bleibt bis mindestens Ende Februar geschlossen. Das war 3 Tage vor Schulbeginn. Als Mitglied der Medienkonzeptgruppe wurde dann binnen 3 Tagen eine funktionstüchtige Online-Plattform zum eLearing etabliert, sodass ab Schultag 1 bei uns das eLearning den normalen Unterricht ersetzt hat. Wir alle waren zu dem Zeitpunkt über den gesamten Globus verstreut. Und: ...es funktionierte! Der Umstieg auf die extremste Form des digitalen Unterrichtens wurde hier in 3 Tagen von Lehrern und Schülern umgesetzt. Nach zahlreichen Evaluationen durch Eltern und Schüler, zahlreichen ZOOM-Meetings innerhalb der Sekundarstufe, war der Online-Unterricht innerhalb von 3 Wochen auf einem hohen Niveau. Es wurden Video-Tutorials, interaktive Quizze und Gruppenarbeiten via Internet erstellt, es folgte Unterricht in der Klassengemeinschaft via ZOOM. Und nun, 6 Wochen später, kann man sagen, dass die digitale Lernkurve sehr steil verläuft. Niemals wäre eine derartige Qualifizierung von Lehrern und Schülern im normalen Unterrichtsbetrieb möglich gewesen. Das ist das Positive, was man aus dieser Situation ziehen kann. Ebenso aber auch die Erkenntnis, dass ein Computer oder eine Webcam niemals die persönliche Lehrer-Schüler-Interaktion ersetzen kann. Digitalisierung kann den Unterricht also nur sinnvoll ergänzen, jedoch auf Dauer nicht komplett ersetzen.

Gate am Flughafen Pudong International
Shanghai von oben

Nun meine Eindrücke abseits der Schule: Die Reaktion der chinesischen Zentralregierung in Peking war hart. Die Einschränkungen im persönlichen Leben und die Eingriffe in eben dieses massiv. Die 26 Millionen Metropole Shanghai ausgestorben...leere Straßen, geschlossene Geschäft, leere Metro, Menschen in Schutzanzügen, leere Kinderspielplätze, Maskenpflicht, ...eine gespenstige Atmosphäre. Im Prinzip lebten 1.3 Milliarden in Gesamtchina für mehrere Woche in häuslicher Quarantäne. Die Reaktion der Menschen: "Ok. Zum Schutz der Mitmenschen bleiben wir daheim." Kein Murren (ist hier eben auch nicht erwünscht!). Und was ist das Ergebnis? 8 Neuinfektionen am Freitag in Gesamtchina 6 Wochen später. Es hat also gewirkt! Man muss anerkennen, dass die Maßnahmen zwar hart waren, aber insgesamt wohl notwendig. Und der Westen: hat geschmunzelt und die Krankheit nur zu häufig ins Lächerliche gezogen. Lernkurve? Nicht bzw. kaum existent! Gestern habe ich einen Artikel der New York Times gelesen, der sagt: China hat dem Westen Zeit gekauft, wir haben sie nicht genutzt! Ich denke, dass das genau der Punkt ist. Das Ignorieren einer globalen Entwicklung in Kombination mit uneinheitlichem, föderalem Vorgehen und völliger Desinformiertheit führt nun zu dem, was wir hier aus der Ferne beobachten: irrationale Massenhysterie! Wenn ich die Posts in den sozialen Medien lese, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Der Vergleich mit der saisonalen Grippe ist so dermaßen deplatziert, da fehlen mir mittlerweile wirklich die Worte! Dennoch: Corona ist KEIN Grund, in Panik zu verfallen! Aber: Der Virus ist ein Grund, vorsichtig und umsichtig mit sich und seinen Mitmenschen umzugehen! Es zeigt sich, dass eine Gesellschaft, die rein auf Individualität gründet, für sich selbst eine Gefahr sein kann. Man sollte aus meiner Sicht rational, unaufgeregt und informiert handeln, immer mit Blick auf die Mitmenschen. Ich stelle mir aktuell häufig die Frage, warum eine Regierung in solch einer Situation nicht einmal die Persönlichkeitsrechte einschränken darf, ohne Angst zu haben, abgewählt zu werden? Warum muss immer wieder alles auf kommunaler Ebene totdiskutiert werden, bis ein kritischer Punkt erreicht ist? Es hätte die Chance gegeben, die Verbreitung im Keim zu ersticken, jetzt muss auch der Westen durch! Und was macht China? Es schottet sich ab aus Angst vor Reimporten! Es schickt Masken in die USA und Experten nach Italien. Deutsche müssen hier seit gestern nach Einreise in eine zweiwöchige Quarantäne. Die USA und Italien gehören auch zur höchsten Risikogruppe. Die Eskorte ab Flughafen bis ins staatlich überwachte Hotelzimmer oder in die Wohnung ist garantiert. Der Artikel der New York Times trifft den Nagel also auf den Kopf!

Leere High End Shopping-Mall
Leere Metro
Leere Touristenattraktion: Yuyuan Garden

Nachdem Mitte Februar vom AA die Krisenstufe 2a ausgerufen wurde, hätten Sumitta und Niu ausfliegen dürfen. Die Langeweile und die Einschränkung der persönlichen Freiheit ließen uns schon überlegen, ob wir das machen sollen. Wir haben uns aber dagegen entschieden. Warum? Weil wir uns hier in Shanghai zu jeder Zeit sicher gefühlt haben. Die Stimmung war merkwürdig, das ist klar. Aber das persönliche Sicherheitsgefühl, das ja verständlicherweise häufig für irrationale Entscheidungen verantwortlich ist, war aus unserer persönlichen Sicht immer gegeben. Das soll nicht die Menschen verurteilen, die ausgereist sind, denn jeder nimmt das anders wahr. Erstaunlich ist nur, dass all diejenigen, die nach Deutschland ausgeflogen sind, nun das gleiche Problem auf der anderen Seite der Welt haben. Das zeigt wiederum, dass viele dachten, die Situation könne nie in den Westen überschwappen. Wenn wir alle unsere Augen öffnen und unsere kulturellen Maßstäbe für einen Moment beiseite legen würden, könnten wir ganz nüchtern feststellen, dass in unserer global vernetzten Welt alles zusammenhängt. Wir könnten voneinander lernen und schneller gemeinsam reagieren. In einer englischsprachigen chinesischen Zeitungs-App habe ich ein Statement gelesen, dass mir im Gedächtnis geblieben ist: Der Virus ist keine chinesische Bedrohung für den Rest der Welt, sondern eine Krankheit, die Menschen krank macht, egal welcher Couleur. 

Desinfektion im Yuyuan Garden

Hier in Shanghai kehrt seit zwei Wochen wieder die Normalität ein. Die Menschen sind immer noch vorsichtig, gehen aber wieder raus. Die Straßen füllen sich, die Kinder spielen wieder draußen, die Restaurants öffnen wieder. Man steht zur Rushhour wieder im Stau. Alles mit Mundschutz und strengen Kontrollen und Fiebermessungen. Aber wir haben uns daran gewöhnt und harren weiterhin der Dinge. Die Schule ist weiterhin geschlossen und alle Beteiligten warten auf die Wiedereröffnung. Wir haben es gut überstanden, Deutschland und Europa wird es auch überstehen, wenn die notwendigen Vorkehrungen einheitlich getroffen werden. Es hätte jedoch nicht so kommen müssen.

Stay safe and healthy!

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#corona#virus#quarantäne#elearning