Veröffentlicht: 07.03.2019
Die berühmtesten Sehenswürdigkeiten einer Stadt besuchen kann jeder. Macht auch jeder, wenn man nur für kurze Zeit an einem Ort bleibt, bevor man weiterreist. Da ich allerdings ganze fünf Wochen in der argentinischen Hauptstadt Zeit hatte, musste ich mir keine Prioritätenlisten schreiben, sondern konnte alles besichtigen, was ich besichtigen wollte.
Dazu gehört unter den nicht-touristischen Attraktionen vor allem die Calle Lanín im Stadtteil Barracas. Als ich meinem Chef erzählt habe, dass ich dort hingehen möchte, wollte er es mir direkt erstmal ausreden, da dieses Viertel definitiv nicht zu den sicheren gehört. Nach kurzen Gesprächen mit anderen Arbeitskollegen darüber, hat sich schließlich Hector bereit erklärt, mit mir zu kommen, damit auch mein Chef etwas beruhigter sein kann. Mit der U-Bahn sind wir zum Bahnhof Constitución gefahren, von wo aus wir uns ein Taxi genommen haben. Schon in der Bahn ist es stark aufgefallen, dass es sich bei diesen Stadtbewohnern um einen ganz anderen Typen handelt. Es wurde geschubst, gedrängelt, viele trugen Jogginghosen und einige hatten Plakate zum Demostrieren dabei, sodass kein bisschen freier Raum mehr in der U-Bahn war. In der Calle Lanín selbst war keine Menschenseele zu sehen. Das liegt zum einen am schlechten Ruf von Barracas und zum anderen an der Entfernung zum touristischen Stadtzentrum. Auch bei unserem Rückweg hatten wir kaum Gelegenheiten, ein Taxi anzuhalten, da dort fast keine unterwegs waren. An sich haben mir die bunten Häuser in der Calle Lanín allerdings sehr gut gefallen und es war wesentlich angenehmer diese Straße entlangzulaufen als den überfüllten Caminito.
Die zweite nicht gerade touristische Attraktion, die ich besucht habe, ist die Basilika Maria Auxiliadora y San Carlos im Barrio Almagro. Dazu kann ich nur sagen, dass es die bunteste und schönste Kirche ist, die ich je von innen gesehen habe! Sie ist auf jeden Fall die Anfahrt und den Fußweg von ein paar Blocks wert. Allerdings sollte man sich vorher über die Öffnungszeiten informieren, damit man nicht wie ich zwei Anläufe braucht, um hineingehen zu können. Auch sollte man bei diesem Besuch sehr auf seine Sachen aufpassen und gegebenenfalls ein Taxi nehmen, wenn man nicht wie ich die unschöne Erfahrung machen will, fast ausgeraubt zu werden. Auf meinem Rückweg von der Basilika ist mir nämlich ein Mann entgegengekommen, der mit etwas Abstand in der Lücke von Hector und mir gelaufen ist. Ich habe nur gesehen, dass er wie geisteskrank auf meine Tasche und mein Handy in der Hand gestarrt hat, angefangen hat, schneller zu laufen und immer weiter in meine Richtung gelaufen ist, sodass er mich leibhaftig an den Zaun neben mich gedrängt hat. Daraufhin habe ich reflexartig so schnell es geht meine Tasche in die Hand genommen, bin aus der Lücke zwischen dem Mann und dem Zaun geflüchtet und weggelaufen. Glücklicherweise ist er uns nicht gefolgt. Zugegebenermaßen musste ich im ersten Moment danach lachen, weil ich gedacht habe, ich hätte total überreagiert und einen unschuldigen Mann für einen Dieb gehalten. Für einen Augenblick war mir meine Reaktion sogar peinlich und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Hector hat mir im Nachhinein allerdings erzählt, dass er auch gesehen hat, dass dieser Mann schon seine Hände nach meiner Tasche ausgestreckt hatte und dass Diebe in Südamerika nicht wie in Europa heimlich ihre Straftat begehen. Die meisten hätten außerdem ein Messer oder eine Pistole dabei. In Deutschland kennen wir es hauptsächlich so, dass der Dieb überfüllte Plätze nutzt, um heimlich etwas aus der Tasche zu entwenden. Hier ist es ein wenig anders: Den Verbrechern hier ist es egal, ob sie gesehen und erkannt werden oder wie viele Menschen in der Nähe sind. Dieser Mann hatte ironischerweise sogar eine Warnweste an. Letztendlich ist jedoch nichts passiert und ich bin nur um eine Erfahrung gewachsen.
Ein dritter, etwas weit entfernter Ort, den ich besucht habe, ist Lamos de Zamora. Dort habe ich meinen argentinischen Freund Julian besucht, mit welchem ich in Pucón zusammen im 16er-Zimmer war. Auch die zwei anderen Deutschen und der Australier, die ich dort kennengelernt hatte, waren zu Besuch. An diesem Abend haben wir mit anderen Freunden Julians köstliches Asado gegrillt, welches mehrere Stunden gedauert hat und für Argentinier wie ein eigenes kleines Event ist und besten Wein getrunken.
Die letzten erwähnenswerten Orte, welche von Touristen normalerweise weniger besucht werden, sind der Parque de Punta Carrasco und der Parque de la Memoria. Das liegt allerdings definitiv an deren Entfernung. Beide liegen an der Küste des Río de la Plata und sind weder mit Bus noch mit Bahn gut zu erreichen. Mit dem Taxi bin ich zum Parque de Punta Carrasco gefahren, wo ich das schöne weiße Restaurant El Muelle de Pescadores
sehen konnte. Von dort aus wollte ich die Küste entlang zum Parque de la Memoria laufen, der mehr als 4km davon entfernt liegt. Leider wurde ich aber enttäuscht, da zwischen dem Bürgersteig und dem Fluss womöglich aufgrund von einer Restauration ein Sichtschutz aufgestellt worden war. Somit konnte ich eine gute Dreiviertelstunde laufend nur den lokalen Flughafen auf meiner linken Seite sehen. Der Parque de la Memoria war letzten Endes leider auch kein Highlight. Er gedenkt mit langen Betonmauern, in welche insgesamt 9000 Namen eingraviert sind, die Opfer des Staatsterrorismus, darunter unzählige zwischen 20 und 30 Jahren und ist sehr schön angelegt, allerdings gibt es nach 10 Minuten dort nichts neues mehr zu sehen. Was mich auch etwas gestört hat, waren einerseits die ganzen Argentinier, welche meiner Meinung nach die Bedeutung dieses Ortes entwertet haben, indem beispielsweise die Kinder auf den einzelnen Skulpturen des Parkes rumgeturnt sind. Andererseits haben mich auch die wenigen anderen Touristen etwas schockiert, da manche gegenseitig von sich fröhliche Bilder gemacht haben, mit den Namen der Todesopfer als Hintergrund.
Nach dem Besuch dieses Parkes bin ich schließlich mit dem Taxi an den nächsten etwas entfernten Ort in Buenos Aires gefahren, nach Chinatown. Dort konnte man tatsächlich größtenteils Chinesen sehen, welche die Straße entlang gelaufen sind. Neben chinesischen Supermärkten gab es dort auch chinesische Restaurants, Schnellimbisse, Souvenirläden und Kosmetikstudios.