Veröffentlicht: 21.02.2023
22.02. Foum Zguid – Agdz Wir fahren wieder Richtung Berge, aber es geht nicht mehr so hoch hinauf. Nach drei Stunden erreichen wir die kleine Stadt Agdz mit ihren 14.000 Einwohnern. Ihr Name bedeutet so viel wie „Rastplatz“. Das war sie früher für die Karawanen aus der Wüste, die Richtung Norden zogen. Heute ist sie ein Rastplatz für die vielen Reiselustigen, die es in die Wüste zieht. So ändern sich die Zeiten …
Wir standen keine zehn Minuten, ich war noch gar nicht richtig angekommen, da hörte ich schon Ricci Stimme: „Wiiiillliiii.“ Das verhieß nichts Gutes. Ich stürzte aus meinem Wohnmobil … und da sah ich Ricci in der Einfahrt stehen, über ihm flatterte die Fahne der Reisemobilfreunde Europa im Wind. Er grinste von einem Ohr zum anderen und meinte: „Gäbe das nicht ein schönes Foto für deinen Blog?“ In früheren Zeiten haben Piraten vor Marokkos Küste auf geenterten Schiffen die schwarze Flagge mit dem Totenkopf gehisst. Heute macht das der Anführer einer Gruppe von Wohnmobil-Touristen, wenn er einen Campingplatz erobert hat. An manchen Dingen kann selbst die Zeit nichts ändern …
Kurz vor unserer Abfahrt habe ich mich von meinen holländischen Nachbarn Jeannette und Jan verabschiedet und bei Jeannette bedankt, dass sie mich gestern mit ins Hamam genommen hat. Ich haben ihr nochmal versichert, dass ich dieses Erlebnis nie vergessen werde.
Unsere Wohnmobile parkten direkt neben einem riesigen Swimmingpool, der noch nicht fertig war. Wir standen zwischen Dutzenden Stapeln Fliesen, und ich sagte zu Jeannette, dass wir nächstes Mal, wenn wir uns hier treffen, eine Runde im Pool schwimmen könnten, anstatt ins Hamam zu gehen. Sie lachte und winkte ab. „Als wir vor drei Jahren das letzte Mal hier waren, sah der Pool genauso aus. Ich fürchte, in den nächsten zehn Jahren, werden wir hier nicht schwimmen …“
Das beschäftigte mich auf den 140 Kilometern nach Agdz. Warum bringen die Menschen hier nichts vorwärts? Überall stehen Häuser im Rohbau, die schon fast wieder abbruchreif sind. Nichts ist fertig, vieles alt und verfallen. Was stimmt hier nicht? Je mehr Zeit ich in diesem Land verbringe, umso mehr Antworten zeigen sich. Die Menschen hier leben einfach nur. Sie müssen nicht reicher werden, wohlhabender, vorwärts kommen oder aufsteigen. Sie sitzen vielleicht nur am Straßenrand, genießen die Sonne, den blauen Himmel und lachen über die Menschen, die sich auf den Straßen abhetzen. Klar, auch sie brauchen etwas zu Essen, vielleicht Mittag und wenn nicht Mittag, dann eben abends. Aber nicht jetzt. Jetzt sind sie satt. Darum denken sie nicht ans Essen. Jetzt sitzen sie in der Sonne und genießen den leuchtenden Himmel über sich. Für sie gibt es keine Zeit. Sie leben von Augenblick zu Augenblick. Im Jetzt, nur in diesem Moment. Nicht im Gestern und nicht im Morgen. Und in diesem Moment gibt es nur diese leuchtend gelbe, strahlende Sonne und den wasserblauen Himmel. Das ist für sie mehr als genug zum Glücklichsein. Einfach nur glücklich sein – ist das nicht unser aller Ziel? Ich glaube, viele dieser Menschen hier haben es längst erreicht.
Wen interessiert da ein Swimmingpool, der nicht fertig wird …