Veröffentlicht: 24.02.2023
24.02.23 Zagora Die Club-Feier samt Lagerfeuer und Geburtstagsparty für Wilhelm gestern Abend steckt so manchem heute morgen noch in den Knochen. Nur Maria turnt mit ihrem Schlauch auf dem Dach ihres Wohnmobils rum und trällert ein munteres Liedchen. Den skeptischen Blicken entgegnet sie mit einem wütenden „Was wollt ihr alle? Ich bin doch keine 80!“ Das stimmt. Es fehlen noch 31 Tage …
Ich will heute einen Blick hinter die Kulissen von Zagora schmeißen und frage Birgit, ob sie Lust hat mitzukommen. Dabei denke ich natürlich keine Sekunde an das gute Auge meiner Lieblingsfotografin und ihre exzellenten Bilder …
Von der Hauptstraße aus wirkt die 40.000-Einwohner-Metropole auf mich aufgeräumter als die Städte, die wir schon besucht haben. Die Häuser sind einheitlich in dem warmen Braun und Rot, das manchmal schon ins Rosa geht. Auch hier wird alles mit Lehmziegeln gebaut, was bei einer Regenmenge von nur 60 mm pro Quadratmeter und Jahr durchaus vertretbar ist. Die Stadt liegt im Drâatal, einem Flussbett, das 1.000 Kilometer lang ist und sich ins Landesinnere schiebt und von dort bis an den Atlantik reicht. Und das nur in den Wintermonaten Wasser führt. In Marokko ist jetzt Winter, doch dort, wo jetzt ein Fluss fließen sollte, liegen nur Steine und Sand wie festgewachsen.
Aber links und rechts des Flussbetts haben wir bei der Anreise aus Agdz große, stattliche Palmenhaine gesehen. Auch Zagora lebte ursprünglich von seinen Oasen. Heute hat sich das in Richtung Tourismus verschoben. Wie auch wir nutzen viele den Ort als Ausgangspunkt für ihren Trip in die Wüste.
Wikipedia sagt, dass es in Zagora nichts Interessantes zu sehen gibt – das können und wollen wir nicht glauben. Wir finden unsere erste Sehenswürdigkeit schon nach wenigen Metern: Eine Schar Kinder tobt auf uns zu und begrüßt uns in allen nur erdenklichen Sprachen. Birgit hat zum Glück ein wenig Kleingeld dabei, und als wir den Kleinen umgerechnet 1,50 Euro in die Hände drücken, bricht ein Jubel und Lärm aus, der mich an die Gesangseinlagen unserer Crew erinnert. Ich verdränge den Gedanken und schaue den Kindern nach, die wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen in Richtung des Süßwarenladens an der Ecke stürmen.
Wir suchen die Nebenstraßen und finden viele kleine Handwerks-Läden, Lebensmittelshops, Friseure und Dutzende Metzger. Ich bleibe an einem Geschäft hängen, das Teppiche verkauft. Ich suche einen kleinen, bunten Läufer, den ich vorne im Wohnmobil auf die Ablage packen kann. Maria hat sich so ein Teil zugelegt, und ich finde es wunderschön. Und tatsächlich hat der Mann ein passendes Stück, handgewebt aus Kamelhaar und mit Safran und Ingwer gefärbt. Er will dafür 1.200 Dirham, das sind umgerechnet 120 Euro – das ist mir zu viel. Wir einigen uns schließlich auf die Hälfe und zwei T-Shirts von mir. Die muss ich noch holen. Ich habe auch nicht so viel Geld dabei. Für den Mann kein Problem. Er packt mir den Teppich ein und gibt ihn mir für eine Anzahlung von 9 Euro mit. „Ich vertraue dir“, sagt er mit einem Augenzwinkern und klopft mir auf die Schulter.
Das kann er auch. Einen Souk, einen Telefonladen und einen Kaffee mit Birgit später bin ich zurück. Die 51 Euro schmerzen mich nicht so sehr wie die beiden T-Shirts aus meinem ohnehin nicht so großen Bestand. Aber ich gebe sie ihm gerne. Er soll mich schließlich in guter Erinnerung behalten – so wie ich ihn, wenn ich über meinen neuen Teppich aus der Windschutzscheibe auf den Weg vor mir schaue und davon träume, wohin er mich führen wird.