Salam Alekum!
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Wenn Harmonie ein Bild wäre

Veröffentlicht: 23.02.2023

23.02. Agdz - Zagora Aufbruch zum Tor der Wüste! Diese Parole hat Ricci schon ausgegeben, als wir uns nach Sidi Ifni aufmacht haben. Seitdem haben wir sechs weitere Tore passiert – na gut, die Wüste ist groß. Warum soll sie nicht auch mehrere Tore haben.

Aber mit jedem Kilometer, mit dem wir Zagora zusteuern, wird deutlicher, dass wir uns der Wüstenregion von M'Hamid nähern. Die Gebirgszüge werden flacher und runder. Als wir in Agdz losfahren, hat sich ein feiner, grau-weißer Schleier zwischen die Berge drapiert. Das Licht der Sonne fällt wie durch Milchglas und taucht die Landschaft in warme Braun, Rot- und Gelbtöne. Es ist, als würde alles ineinander fließen und gleichzeitig aus einem entstehen. Wenn Harmonie zu einem Bild werden könnte, dann würde es wohl so aussehen.

Wenn ich alleine unterwegs wäre, würde ich jetzt stehen bleiben, mir einen Espresso machen, mich draußen in die Natur setzen und warten, bis der Dunst sich legt, die Schleier sich lüften und das freigeben müssen, was sie vor der Morgensonne noch verbergen konnten. Aber ich bin nicht alleine unterwegs, und als Gruppe haben wir heute einiges vor. Da sind zuerst die gut 90 Kilometer bis Zamora zu absolvieren, und dann ist da auch noch Wilhelms 79. Geburtstag, der gebührend gefeiert werden muss, wie Ricci im gestrigen Briefing verkündet hat.

Die Lieder! Für mich hat das wie eine Drohung geklungen. Ich habe mir fest vorgenommen, beim traditionellen Ständchen möglichst weit weg von Berndt zu stehen, der nicht nur am lautesten singt, sondern – ich will mal nachsichtig sein – auch am wenigsten richtig. In unserer Crew gibt es viele, die nicht immer den richtigen Ton treffen, aber der gute Berndt findet mit einer schier unglaublichen Präzision immer genau die, die das Trommelfell an seiner empfindlichsten Stelle malträtieren.

Ich bewundere seinen Mut und deshalb fasse ich mir ein Herz und stelle mich neben ihn. Schließlich habe ich in meiner Kinderzeit einen Nachwuchssängerwettbewerb gewonnen – das ist kein Witz! –, bevor die große Karriere a la Heintje, vor der ich zweifellos stand, in einem fürchterlichen Stimmbruch versank. Aber heute werde ich mein Organ wie in guten alten Zeiten erklingen lassen.

Mit diesem Vorsatz ging ich unser Liedchen an und höre da: Es war gar nicht so übel! Zugegeben, ich konnte Berndt nicht übertönen, denn je lauter ich wurde, umso mehr drehte er am Regler. Aber irgendwie hörte sich das ganz brauchbar an, und zusammen konnten wir sogar mit Ricci Caruso mithalten, der so laut singt, dass seinen Freunden zu Hause im bayerischen Voralpenland noch die Ohren klingen.

Im Vergleich dazu gehören Angelika und Martin mehr zum Chor im Hintergrund. Sie singen und fahren seit drei Jahren mit den Reisemobilfreunden Europa. Ihre Freunde Hans und Tina waren bereits Mitglieder und hatten sie lange bearbeitet. Ihre erste Tour führte sie dann nach Griechenland. „Ich kam anfangs überhaupt nicht zurecht“, erinnert sich Martin. „Das Fahren in der Kolonne, der Sprechfunk und alles auf Landstraßen, so langsam …“ Es war schwierig. An einem der ersten Abende, nach dem ein und anderen Gläschen Wein und Bier brach dann das Eis. „Die waren alle so nett“, strahlt Angelika heute noch bei den Bildern von damals. „Nach neun Wochen waren wir wie eine Familie.“

Die gelernte Medizinisch-Technische Assistentin hat das Campen im Blut. „Ich bin als Kind praktisch im Zelt aufgewachsen“, erzählt sie. „Wir waren richtig viel unterwegs.“ Vielleicht kommt daher ihr handwerkliches Geschick. Die 67-Jährige hat auch vor Holzarbeiten keine Angst. Wenn es unterwegs etwas zu Reparieren gibt, ist das Frauensache, zum Beispiel, wenn Martin am späten Abend – Angelika ist da meist schon schlafen – an der TV-Fernbedienung rumspielt und alles verstellt. „Wenn ich dann morgens aufstehe und im Fernsehen kurz schauen will, was so los ist, funktioniert nichts mehr. Da könnte ich …“

Könnte sie, aber tut sie nicht. Schließlich kennt sie ihren Martin seit 18 Jahren und weiß, dass er das nicht mit Absicht macht. Die beiden sind in Lörrach zu Hause, sind in erster Ehe geschieden und haben sich über eine Partnervermittlung kennen gelernt. Ihre Kinder kannten sich schon zuvor: Angelikas Tochter und die beiden Söhne und die Tochter von Martin gingen auf die gleiche Schule. Die Kinder sind erwachsen und so können die beiden Schwarzwälder sich beruhigt die Welt anschauen. Sie haben bechlossen, Mitte März nicht mit der Crew zurück nach Europa zu fahren, sondern in Marokko zu bleiben. „Wir wollten eigentlich noch nach Portugal, aber jetzt sind wir schon mal hier …“, sagt Angelika. Ja, und hier gibt es noch eine Menge zu sehen: Casablanca, Agadir, Rabat … Oh, wie ich die beiden beneide! Aber auf mich wartet meine Icke. Und so schön können Casablanca, Agadir oder Rabat gar nicht sein …

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