Veröffentlicht: 28.02.2023
28.02.23 Merzouga Ich habe heute eine Berber-Familie besucht. Nicht als Tourist, sondern als Journalist. Wir waren zum Mittagessen in ein Berber-Dorf eingeladen, das aus mehreren Zelt-Gruppen bestand, in denen Familien lebten. Zelte, das ist nicht der richtige Begriff, es waren Holz- und Eisenstangen, die notdürftig von Draht und Stricken zusammen gehalten wurden und über die Decken und Planen gespannt waren. Wir saßen in unserem Berber-Zelt schon zu Tisch, aber irgendwie zog es mich zu diesen Hütten hin.
Ich hatte Glück, denn ich traf auf einen jungen Mann, der sich mir als Warmaksan vorstellte und der ein wenig Englisch sprach. Er stellte mir seine Mutter und seine kleine Schwester vor. Ich fragte ihn, ob ich Fotos machen dürfte, und schon kam der Vater um die Ecke. Er war sehr freundlich und hatte einen Taschenrechner in der Hand. „Fotos?“, fragte er und tippte die Zahl 100 in seine Rechenmaschine. Diese Erfahrung habe ich hier schon oft gemacht, aber bis heute habe ich mich immer geweigert, für Fotos zu bezahlen. Diesmal habe ich eine Ausnahme gemacht, weil ich einfach sehen wollte, wie Menschen hier leben können, unter diesen klimatischen Bedingungen, gerade in den Sommermonaten. Wir haben uns schnell auf 50 Dirham, nicht ganz fünf Euro geeinigt.
Nachdem ich die Fotos gemacht habe – der Vater wollte nicht vor die Kamera – weiß ich es erst recht nicht. Es gibt keinen Strom. Das Wasser ist in einem der Verschläge in großen Kanistern abgefüllt. Die Stangengerüste sind mit schweren Decken abgehängt, unter denen es bei über 50 Grad brütend heiß sein muss. Wie kann man das aushalten, frage ich Warmaksan. Er lacht und zuckt mit den Schulter. „Das war schon immer so und wird nicht anders“, sagt er.
Seine Urahnen stammen aus Zentral- und Westafrika und wurden einst als Sklaven nach Marokko gebracht. Sein Vater hat einen alten Pkw, in dem er Lebensmittel billig einkauft, mit denen er dann mit den umliegenden Berber-Familien Handel treibt. Ich frage ihn, was die Schule macht, wovon er träumt. Ich merke, wie sein Lächeln eine Spur weniger lustig wird. „Ja, er gehe zur Schule“, sagt er, „aber träumen?“ Er überlegt und sagt dann: „Vielleicht ist alles gut, wenn es so bleibt, wie es ist.“
Nach einer Runde Steine suchen ist unsere erste Station an diesem Tag das Dorf Khamlia, das sich an die Dünenregion Erg Chebbi schmiegt. Es zählt 400 Berber, die von Ackerbau und Viehzucht leben, aber immer mehr den Tourismus als Einnahmequelle erschließen. Auch ihre Vorfahren vom Stamm der Gnaoua stammen aus Schwarzafrika doch anders als Warmaksans Familie leben sie in besseren Verhältnissen, haben Ziele und konkrete Vorstellungen, was ihre Zukunft betrifft. So gibt es zum Beispiel eine Initiative, die ursprüngliche Musik der Gnaoua zu erhalten. Zaid Oujean hieß der Mann, der in den 90er-Jahren die „Pigeons du Sable“, die Sandtauben gründete, die die Tradition ihres Volksstammes fortsetzen.
Sie spielen uns einige Lieder vor, aber natürlich sind das für unsere Ohren eher ungewohnte Töne. Doch für ihr Dorf ist die Gruppe eine Attraktion, die Touristen wie uns anzieht und damit auch dafür sorgt, dass Geld in die Kasse kommt. Das bezahlen wir gerne, denn auch wenn wir mit dieser Art von Musik nicht viel anfangen können, ist es ein Stück Kulturgut eines fremden Volkes, das zu erhalten diese, unsere Welt bunt und vielfältig bleiben lässt.