Salam Alekum!
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Auf der Flucht vor den langen Schatten

Veröffentlicht: 10.02.2023

10.02.23 Sidi Ifni Ich sitze hier in meinem Wohnmobil bei einer Tasse heißen Kaffee und habe freie Sicht auf den Atlantik, über den heute Wind und Regen toben und die Wellen tanzen lassen. Und nicht nur die: Auch mein Wohnmobil schaukelt gewaltig, fast so, als würde es an Seilen zerren, die es hier festhalten wollen.

Ich hatte am Morgen Glück und durfte von der dritten Reihe ganz nach vorne umziehen. Zwei Camper reisten ab. Maria schaltete am schnellsten und reservierte die beiden Plätze für sich und Ricci. Aber der wollte nicht mehr wechseln und gab mir den Vortritt. Als Dank dafür musste ich ihm versprechen, ihn bei den Crew-Mitgliedern nicht zu verpetzen. Als ich ihn traf, kam er gerade aus der Dusche – da war es kurz vor Mittag. Bis 10 Uhr sei er heute in den Federn gelegen, gestand er. Er brauche das auch einmal, weil er als Reiseleiter einfach immer so viel nachdenken müsse. Das kann ich verstehen. Ich weiß, Nachdenken kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Ich werde mein Versprechen halten und zu keinem Crew-Mitglied etwas sagen …

Als ich heute früh mein Espresso-Kännchen mal richtig sauber bürsten wollte, traf ich an den Spülbecken auf einen alten Franzosen. Schneeweißes, vom Wind zerzaustes Haar, groß, schlank, braungebrannt, gepflegte Hände. Er lächelte mich an und flüsterte ein: „Bonjour.“ Seine blauen Augen schimmerten weich, mild, fast ein wenig wehmütig. Ich sagte: „Hallo“, und begann an meiner kleinen Kanne zu schrubben. Aber meine Aufmerksamkeit galt dem alten Mann. Er hatte eine Espresso-Kanne wie ich, zwei Tassen, zwei Teller und zweimal Besteck – er war also nicht allein unterwegs. Mit einem kleinen Schwamm streichelte er über jedes Teil und seifte es langsam ein, um es danach behutsam fast zärtlich unter fließendem Wasser abzuspülen. Jede noch so kleine Bewegung wirkte kontrolliert und überlegt. Bei größeren Bewegungen, wenn er locker ließ, begannen seine Hände zu zittern. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch sein Kopf leicht wackelte. Parkinson? Ich bin kein Arzt, aber es war klar, dass der Mann krank war.

Trotzdem war er in Marokko. In Afrika. Wie viele seiner Landsmänner, die hier dem kalten Winter in ihrer Heimat entfliehen wollen und dem Schatten, der sich über ihrem Leben ausbreitet und der gefühlt mit jedem Jahr größer wird. Aber: Diese Menschen hier geben sich nicht ihrem Schicksal hin! Sie kämpfen. Sie suchen nach den schönen Seiten des Lebens, nach Glücksmomenten, die es in jedem Alter gibt, die man vielleicht suchen muss und auch immer seltener findet. Aber nur wer sucht, wird belohnt. Wer nicht sucht, für den hat das Sterben schon begonnen …

Nirgendwo wird das für mich deutlicher als auf den oft spartanischen Campingplätzen hier in Marokko. Wenn eine ältere Dame mühsam mit Wasser und Seife in einem alten, halb zerfallenen Steinbecken ihre Wäsche knetet und spült und wieder knetet und spült und wieder und wieder. Nicht angestrengt, verbissen, sondern locker, entspannt, in alten verwaschenen Jeans und einem zerknitterten, ausgebleichten T-Shirt und einem Lächeln im Gesicht, im Gedanken vielleicht weit weg, oder auch ganz nah, bei einem dieser Glücksmomente, die vielleicht seltener, aber dafür umso wertvoller geworden sind.

Antworten (2)

Richard
Eine wahre Geschichte aus dem Leben……🥰🥰🥰

Peter
Auch aus solchen Gründen haben wir unsere WoMo. Wir fahren solang wir können.

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