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Drüben.

Veröffentlicht: 25.11.2021

Atlantic Waves

defined by endless movement
prone to constant forming
still no grasp for shape
the waves fades with lustfull tumble
what a sudden end

scurry winds agitate
but the breathing of the Ocean
gasps a gentle wave

the Sea gives me sight

sole in the blue
Out here, none experiences the wave
the vessel scends into the crest

I wanna start to interact
but we're driven by different forces
I'm just a guest.


Wo fang ich an? Wir waren jetzt etwas über drei Wochen auf dem Atlantik. Check das mal. Nur Wasser. Vielleicht fang ich mit dem Wasser an.
Es ist super faszinierend und schwer zu beschreiben. Mich hat es so stark in den Bann gezogen, dass ich das obige Gedicht geschrieben hab oder halt so nen Text.
Uff, was ne Inspiration. Vom ersten Tag an saß ich auf dem Laderaum und hab den Wellen zugeguckt. Die Bewegungen, die Textur des Ozeans und die Geräusche haben mich gut abgeholt.
Gleichzeitig hatte ich vom ersten Tag ein ganz anderes Gefühl. Es hat mich nicht gestört aber es war wichtig es zu bemerken. Der Ozean ist ein wilder Ort, im Sinne von unberührt oder urig. Hier gibt es keine Forstwege oder angelegte Flächen. Und die Jagd ist auf eigene Gefahr. Hier bin ich Gast. Das ist nicht meine Umgebung. Trotz dieser Wahrnehmung hab ich mich nie in Gefahr gefühlt. Trotzdem ist da niemand! Nach einer Woche sind sogar alle Fliegen tot. Wir haben einmal ein weiteres Segelschiff gesehen. Dabei sollte erwähnt werden, dass die drei Wochen über nur Sonne und kein Sturm war. Die Route wird auch Barfussroute genannt. Aber zurück zu dem Wasser.

Die Wellen und den Ozean hab ich noch nie so erlebt. Tatsächlich wurde die Faszination zu dem Wasser noch ein mal verstärkt, dass war als ich ins Rig gestiegen bin, also in den Wanten den Mast hoch. Auf Höhe des Decks bin ich auf Höhe der Wellen, aber im Rig konnte ich die großflächigen Bewegungen der Wellen erkennen. Wie ein schweres und behebiges Atmen des Wassers. Sehr beruhigend und da oben gibt es ein bisschen Privatsphäre.
Uhhh und das Fluoreszierende Plankton ist der shit. Bei der ersten Nachtwache war ich mir nicht sicher ob da wirklich was leuchtet. Hab eher gedacht, dass ich nen Knick in der Optik hab. Nicole hat dann eine Pütz (Eimer mit Seil dran) mit Seewasser an Bord geholt und meinte:" Wirbel mal mit deiner Hand das Wasser auf". Wow, auf einmal erkenn ich die leuchtenden Partikel. Überall wo das Schiff eine Welle erzeugt, fängt es an zu leuchten. Super faszinierend.
Und dann schwimmen da einfach Delfine neben dem Schiff und springen aus dem Wasser. Aber am meisten gab es fliegende Fische zu sehen. Was geht bei den? Schwimmen, ja klar, aber vor den Fressfeinden fliehen indem die mal eben, keine Ahnung, 50 Meter über die Wellen fliegen. Warum auch nicht.
Boah und wann gab ich das letzte mal so viele Sterne gesehen, oder einen Mondaufgang, hab ich sowas mal bewusst miterlebt. Oh und die Mondfinsternis. Sparpreis, alles inklusive.

So viel zu dem was um uns herum passiert ist. Wie war den der Alltag auf dem 44 Meter Stahlhaufen?


Ich war die Zeit in der Captain's Watch. Die geht von 8-12 Uhr, a.m. und p.m.. Die kommt einem "normalen" Schlafrhytmus am nächsten. Wir wurden zu 7 Uhr geweckt. 7.30 gibt es Frühstück. 8 Uhr ist Handover = Wachübergabe. Wir sind zu dritt in der Wache, also haben wir uns alle 40min vom steuern abgewechselt. Daneben gibt es dann noch die Cleaning Duty's zu erledigen. Diese wechseln von Woche zu Woche durch. Entweder die Klos, die Galley oder das Foxhole säubern. Wenn das Putzen durch ist, kommt der Bosun und gibt dir irgend einen Job. Irgend eine Wartungsarbeit am Schiff.
Das Problem mit der Captain's Watch sind die Manöver, die will immer der Captain machen. Am Anfang hat so ein Manöver zwei Stunden gedauert. Inzwischen sind wir bei 40min für eine Halse. Aber nach dieser körperlichen Anstrengung bleibt gar nicht so viel Zeit für Wartung und Cleaning.
Naja und nach 4 Stunden gibt es wieder ein Handover, und Mittag, zu 18 Uhr ist Abendbrot geplant. So geht das von Montag bis Samstag.

Am Samstag gibt es dann noch Feuer- und Abandon-Ship-Drill. Also das alle ihre Aufgaben kennen, die Vorgänge durchgegangen werden und falls Fragen aufkommen diese beantwortet werden. Wie müssen wir uns verhalten wenn ein Feuer entsteht oder der Captain Abandon-Ship befiehlt. Wichtig, wichtig! Niemand ist da um zu helfen, das dauert bis Rettung kommt. Wenn es Probleme gibt müssen wir das lösen, wenn der Watermaker nicht funktioniert, müssen wir uns was einfallen lassen, wenn wir Käferbefall im Proviant haben, müssen wir alles was wir an Lebensmitteln haben, jeden Tag noch intensiver durchgucken. Ist beides vorgefallen. Da draußen waren wir allein.

Am Sonntag wurde nicht gearbeitet, nur steuern. Am Sonntag ist auch die Captain's Reception. Kleines Meeting, wo es für alle und Rasmus, ein bisschen Rum und Kuchen gibt. Für Rasmus gibt es nur Rum. Rasmus ist der Gott der Meere und des Windes, oder so.

So viel zu den groben Tagesabläufen, was hab ich den so gemacht?
In der ersten Woche musste ich mich ein bisschen eingewöhnen, bissl gucken wie ich die Zeit verbringe. Die Vorgänge kennenlernen. Mir ein bisschen Struktur aufbauen. Nach der Watch ein kleiner Mittagsschlaf, bissl Yoga aufm Cargo, was lesen oder Musik hören. In der Captain's Watch hatte ich glatt 8 Stunden Freiwache, viel Zeit, die hab mir auch genommen. Mit den letzten zwei Jahren Therapie hab ich ne ganze Menge an Themen durch oder angeschnitten, auch unabhängig davon halte ich mich für reflektiert. Gerade hier, weit weg von allem, weg von der Heimat, den Menschen oder der Stadt kommen die Themen hoch bei denen ich weine und mir Zeit lasse und versuche mir zuzuhören und auch ein paar mal versucht habe klein Pepe zu umarmen. INSIDER.


Aber an sich hab ich die meiste Zeit mit den Leuten gequatscht oder gesungen. Inzwischen hab ich auch mit allen die Schnittmengen gefunden. Teilweise hab ich zu manchen sogar ein richtig intimen Draht entwickelt. Die einzige Person mit der es in den drei Wochen Probleme gab, ist der Captain.

Die Auffassungen von Wertschätzung und respektvollen Umgangs gehen auf dem Schiff teilweise stark auseinander. Das hat die zweite Woche ziemlich überschattet. Es gab tatsächlich, ich zählte dazu, die Überlegung das Schiff zu verlassen. Inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Aber diese Machtkonzentration in der Person des Captain ist für mich unangenehm.

Ich habe keine Erfahrungen von stürmischer See, vom segeln bei Unwetter. Die potenzielle Gefahr eines Sturms, war bisher immer die Legitimation der Hierachien auf Schiffen. Eine*r muss ganz klare Entscheidungen treffen. Unabhängig von den strukturellen Überlegungen, möchte ich gern einen Sturm oder schwere See erleben, danach kann ich sagen ob ich auf Booten arbeiten kann. Auch hilft mir das um über mögliche Hierarchie-Strukturierungen auf Schiffen nachzudenken.

Vielleicht war mein Traum, mit der Berufssegelei unseren marktwirtschaftlichen Strukturen und dem Druck der Lohnarbeit zu entweichen ein bisschen naiv und vermessen. Das ist auf Schiffen noch schlimmer. Die Segelfrachtschiffahrt war schon immer von Zeitdruck und Lieferdaten überschattet. Dennoch bin ich dankbar für die Erfahrung, jetzt kenn ich das Extreme. Wie ist es mit deinem Chef oder Arbeitgeber, der auch eine Obhutspflicht und eine Bestimmungsgewalt hat, auf einem Schiff zu sein und nicht weg zu können. Da ist ein bisschen was gestorben, in mir.

Als Reaktion auf solch starke Emotionen bin ich den Weg des Eskapismus gefrönt. Den einen Tag hab ich ein Buch angefangen, hier gibt's ne Bücherkiste, super gute Sache. Und zwar "Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells. Ich kannte den Autor schon und möchte das Werk das ich mal von ihm gelesen hab. Den ersten Tag hab ich 200 Seiten in einem Zug inhaliert. Den Tag darauf die restlichen 180. Das war krass. Ich war super vercheckt, so bissl Realitätsverlust. Hatte ich noch nicht, sowas.

Naja, mich hat das alles sehr mitgenommen, wie Leute überlegten zu gehen und kein Ausweg gefunden wurde. Also haben wir ein Meeting für uns shipmates einberufen wo wir erstmal alle darüber unterrichten wollten, dass Bele dem Captain gesagt hat, dass er in Marie-Galante vom Schiff steigt. Wir wollten ein Raum schaffen wo alle über Sorgen oder ihr Unwohlsein reden konnten und dann wollten wir den Captain damit konfrontieren. Ich hab mich gemeldet mit dem Captain zu quatschen und das Gespräch anzufangen.

Wow, das ist alles so in die Hose gegangen. Als ich ihm gesagt habe, das wir mal gern mit ihm reden wollen, ist ihm sehr beherrscht der Kragen geplatzt. Er meinte: "Nein, das machen wir jetzt." Eigentlich wollte ich mit allen als Gruppe versammelt konfrontieren. Es waren nur Bele , ich und irgendwann Jan. Es hat nich ganz geklappt Cornelius zu vermitteln das es nicht um individuelle Probleme sondern um strukturelle Fragen geht. Auch wurde unser Meeting als kleiner Aufstand oder Spaltung der Crew und Lagerbildung verstanden. Dem Captain den Wind aus den Segeln zu nehmen war bei dem Gespräch alles andere als leicht. Wir haben es nicht beendet.

Trotz der Probleme beim Gespräch hat sich der Umgang geändert. Irgendwie wurde es angenehmer.

Die dritte Woche war sehr angenehm und eingespielt. Ich hab wieder mehr mit dem Gedanken auf Schiffen zu arbeiten leben können, weil die Arbeit doch sehr spannend ist.

Tatsächlich hat mich der Captain auch mal gelobt. In den letzten Tagen war irgendwie komisch zu wissen das wir bald wieder Land sehen. Das wir immer näher kommen. Und dann sind wir tatsächlich an meinem Geburtstag in St. Louis auf Marie-Galante angekommen. Wir liegen hier auf Reede, also wir Ankern in einer Bucht.
An meinem Geburtstag in der Karibik zu schwimmen und vom Schiff zu springen, der Smutje hat ne fette Lasagne auf gelegt, welche von einem Choco-Avocado Kuchen begleitet wurde und abends noch in eine Strandbar mit Wettrennen am Wasser, das war schon alles sehr belohnend. 1 Liter Rum kostet fünf Euro. HUST HUST. Es war ein gefüllter Abend wo alle sich sehr gut miteinander verstanden haben, auch mit dem Captain.

Nun ja, ich bin über den Fucking Atlantik gesegelt. Wir haben nicht einmal den Motor angemacht. Nicht einmal. Das dass geht ist schon super geil. Also klar es dauert ein bisschen und es ist auch nicht ungefährlich, aber es geht. Tatsächlich plant Cornelius ein zweites Schiff zu bauen welches auch Passagiere mitnimmt.

Nach der Überfahrt verstehe ich jeden Aberglauben aus der Seefahrt. Ich hab ja ne Ahnung von der Erde und bestimmten physikalischen Kram. Aber vor 300 Jahren oder so da rüber zu segeln, abends leuchtet der Ozean, alles sieht gleich aus. Manchmal ist da ne riesige Flosse im Wasser. Du bist super vom Wetter abhängig. Wasser in Holzfässern fängt nach zwei Tagen an zu schimmeln. Erst seit es Stahlfässer gibt, kann Wasser mitgenommen werden. Damals wurde halt Alkohol getrunken. Die waren alle Pegeltrinker. Oder Kolumbus, die dachten da hört die Erde auf und dann fährt der einfach immer Richtung Westen, Richtung Ende. Haha.

Ohne heutige Bildung, klar würde ich da durchdrehen.

Jetzt bin ich drüben. Es ist sehr schön hier. Ich mag die Leute. Das Wasser ist sehr klar. Tauchen macht Spaß. Ich genieße die Zeit. Mir geht's hier ganz gut.
Oh und ich hab wieder Haare.

Die drei Wochen zusammen zufassen ist nicht einfach, mir werden bestimmt noch Sachen einfallen. Die letzten fünf Fotos sind von Christoph Bogner. Sehr angenehmer Mensch, wir verstehen uns sehr gut.

Soweit erstmal, ist ja auch schon sehr viel.


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