Veröffentlicht: 27.04.2023
Wir wachen morgens von einem merkwürdigen Surren auf…ein Sound wie Motorengeräusche aus der Formel 1, die überhaupt nicht zu diesem sonst total ruhigen Stellplatz passen und die Bergstraße führt 3km an uns vorbei.
Doch wir trauen unseren Augen fast nicht, als wir ganz in der Ferne diverse hochmotorisierte Motorräder, Buggies, Quads, Trucks etc. vorbeidüsen sehen - beim Googlen finden wir es; es findet gerade die Morroco Desert Challenge 2023 statt, eine Extreme-Rally, die seit 10 Jahren hier stattfindet. Die heutige Etappe startet am Plage Blanche, unserem nächsten Ziel und deshalb fahren heute hunderte Teilnehmer über die Bergstraße an uns vorbei…der Wahnsinn!
Wir machen uns auf den Weg Richtung Westen und fahren auf der Schnellstraße tatsächlich noch an dem Brasilianer vorbei, der hier todesmutig bei 34 Grad seinen Wagen vor sich her schiebt 😳.
Er hatte uns erzählt, dass er pro Tag 40 Kilometer macht und sich entsprechend früh auf den Weg gemacht und im weiteren Verlauf der Strecke denken wir immer mal an ihn, weil auf der recht schmalen Straße echt viel los ist und auch abenteuerlich beladene LKW‘s sich entgegen kommen und dicht an ihm vorbeifahren.
An einer Tankstelle sehen wir einige Rally-Teilnehmer und Basti - der schon die ganze Zeit ganz unruhig wurde 🤣 - fragt sie, wo man vielleicht zuschauen könnte.
Auf unserer geplanten Strecke kommt tatsächlich der erste Checkpoint und da wir ja den Luxus der vielen Zeit haben, fahren wir dorthin und schauen uns das Spektakel eine Zeit lang an.
Die heftige Offroad-Strecke quert DIE Hauptverbindung in den Süden; es ist quasi nichts wirklich abgesperrt und alles etwas chaotisch, aber dadurch kommen wir ganz nah ran und stehen direkt bei den diversen (meist holländischen) Begleitfahrzeugen und die Teilnehmer heizen an uns vorbei…wirklich ein Erlebnis.
Wir genießen mal wieder vor allem eines - dass wir völlig frei entscheiden können, wie lange wir zuschauen, dass wir keinen Zeitplan haben oder nicht zu irgendeiner Zeit irgendwo sein müssen, damit uns die Zeit nicht davon läuft.
Der absolute Luxus, den wir uns manchmal bewusst vor Augen führen müssen, weil wir selbst bei 4 Wochen Skandinavien letztes Jahr immer im Blick hatten, wann wir für die Rückfahrt der Fähre wo sein müssen. (Und ja, das wissen wir auch, ist ‚Klagen‘ auf sehr hohem Niveau 😘)
Das ist für uns bei diesen 3 Monaten wirklich anders und wenn der vermutlich natürliche Impuls aufkommt „passt das zeitlich noch?“, ist es einfach großartig sich (jetzt noch) sagen zu können „easy, machen wir jetzt einfach“.
Wir fahren dann weiter nach Tan Tan, dem südlichsten Punkt unserer Reise und dem ‚Tor in die Sahara‘ - dort kaufen wir nochmal etwas ein und fahren dann zu einem Stellplatz, der nur für Offroad-Fahrzeuge erreichbar ist und der an der Piste für unsere nächste Route zum Plage Blanche liegt.
Dort hoffen wir, weitere Infos zu der Route zu bekommen, da der Schwierigkeitsgrad mit 4 zu hoch sein könnte und außerdem vielleicht einen Mitfahrer für die Strecke zu finden. Da die Stecke bei Ebbe 30 km am Strand entlang geht, wird das empfohlen, denn wer dort stecken bleibt, hat vor allem das zeitliche Problem, dass Auto vor der Flut befreien zu müssen.
Der Stellplatz liegt grandios direkt an einer Festung und ist wirklich nicht easy erreichbar. Als wir ankommen, sind wir die einzigen Camper, denn sonst sind nur einige Franzosen als Hotelgäste mit reinen Geländewagen dort.
Bei der Nachfrage zur Strecke beim Stellplatz-Besitzer, sagt dieser, dass das mit unserem Auto kein Problem sein sollte - eine totale Fehleinschätzung, wie sich später herausstellt.
Wir verbringen einen entspannten Nachmittag dort und als wir abends etwas zu essen machen, kommt tatsächlich noch ein anderer Camper dazu…die gleiche Kombi wie wir (Pickup mit Kabine), ein Bimobil aus Karlsruhe.
Basti spricht das Paar sofort an, ob sie auch die Strecke fahren wollen und wir das nicht gemeinsam machen wollen. Die beiden hatten eigentlich nicht den Plan und sind nur deshalb hierher ‚gespült‘ worden, weil sie an ihrem Übernachtungsplatz vom Militär gebeten wurden, den Platz zu räumen.
Aber sie beschließen spontan, sich uns anzuschließen und wir verabreden uns für die gemeinsame Abfahrt am nächsten Morgen um 09:00, damit wir es pünktlich zur Ebbe an den Strand schaffen.
Abends stellen wir dann fest, dass es hier vor Moskitos nur wimmelt und in kürzester Zeit sammeln Mia und ich mehrere Stiche ein - zwar hatten wir - wie immer - unsere Moskitonetze zu, doch irgendwie haben wir es geschafft, uns eine ganze Kolonie von Mücken in die Kabine zu holen 🤬.
Die Nacht wird der Horror, weil wir bis morgens um 05:00!!! damit beschäftigt sind, immer wieder auf Mückenjagd zu gehen und ca. 15x denken „jetzt haben wir aber alle erwischt“.
Anfangs helfen uns Mia‘s gute Augen noch bei der Jagd - wir schieben es auf unser fortgeschrittenes Alter, aber sie erklärt uns charmanterweise, dass es an der Karotte liegt, die sie gestern noch gegessen hat.
Ab 23:00 Uhr schläft Mia dann glücklicherweise und wir schlagen uns im wahrsten Sinne des Wortes die Nacht um die Ohren und kommen blöderweise erst gegen fünf auf die Idee, die Mücken und vor allem ihre verdammte Geräusche, mit unserem kleinen Ventilator zu stören.
Wir lernen auf jeden Fall, dass unsere Dachluke das Problem war und wir da nicht genug aufgepasst haben, aber eine solche Mückeninvasion haben wir tatsächlich noch nirgends erlebt.
Gegen sieben weckt uns Mia auf und wir sind echt fertig. Es hängt ein tiefer, feuchter Dunst in der Luft und wir machen uns mit einem sehr starken Kaffee abfahrbereit.
Bis zum Strand stehen uns nun 40 Kilometer offroad bevor, die teilweise recht anspruchsvoll, weil steinig und steil sein sollen. Da die Gruppe der Franzosen auch dort lang will und meint, die Strecke mit ihren Fahrzeugen in einer Stunde zu schaffen (wir planen konservativ mit Kabine mal 4h), steigen wir recht zuversichtlich in die Tour ein.
Doch schon nach wenigen Kilometern wird es wirklich sehr anspruchsvoll, weil geröllig, mit großen Felsen und ordentlichen Rillen und Rinnen, die u.a. viel Bodenfreiheit erfordern und uns ordentlich zum Schaukeln bringen…ich bekomme wirklich Schiss.
An einer Stelle geht es übel runter, ziemlich verblockt und Basti - wir sind vorne - arbeitet sich zentimeterweise vor, während ich kurz in Erwägung ziehe, ab jetzt nur noch zu beten 🙈.
Ich sehe im Rückspiegel, dass Martin und Christine oben stehen bleiben und wir halten an. Die beiden haben viel Erfahrung, waren mit ihrer Kabine u.a. schon 9 Monate in Südamerika unterwegs.
Martin sagt uns, dass er hier abbricht, weil die Strecke einfach zu heftig ist; es macht keinen Spaß und geht viel zu sehr auf das Material…ich bin erleichtert, dass er diese Entscheidung trifft.
Basti hofft noch, dass dies der heftigste Part ist und läuft noch voraus, aber nach weiterem Studieren der Routenführung stellen wir fest, dass der heftige Part erst noch kommt. Offensichtlich hat sich die Route durch die häufige Befahrung verschlechtert und die Beschreibung passt nicht mehr zum Guidebook- wie wir aber noch sehr deutlich feststellen werden, ist die Neuauflage von 2022 nicht überall auf dem neuesten Stand.
Schweren Herzens ringt Basti sich dann auch dazu durch, umzudrehen, was an dieser Stelle auch schon sehr sportlich ist, aber der Amarok kämpft sich tapfer wieder hoch.
Da ich nicht hinschauen konnte, gibt es auch von diesem aufregenden Moment leider kein Bildmaterial…sorry 🙈.
Wir machen uns enttäuscht auf den Rückweg und beschließen, den Plage Blanche über den langen Asphaltweg außen rum zumindest anzufahren.
Wir verabschieden uns am Ende der Piste von Martín und Christine, die noch eine Festung besichtigen wollen, tauschen noch Nummern aus und fahren weiter.
Laut Park4Night ist es aktuell nicht erlaubt, am Plage Blanche zu übernachten, aber da die Saison vorbei ist, wollen wir uns das mal vor Ort anschauen.
Wir fahren runter an den weiten Strand und treffen dort per Zufall wieder auf die Kabine aus Karlsruhe 🤣 …die beiden haben eine schöne Abkürzung gefunden und waren vor uns hier.
Sie berichten, dass sie an der Festung auf einen Deutschen getroffen sind, der mit seinem Geländewagen unsere angepeilte Tour gefahren ist und der mehr als deutlich bestätigt hat, dass wir die Strecke keinesfalls geschafft hätten und es noch viel heftiger geworden wäre. Er hat dem Autor des Guidebooks schon geschrieben, dass die Einstufung nicht mehr realistisch ist. Bei aller Enttäuschung ist es gut, nochmal zu hören, dass wir richtig entschieden haben.
Am weiten Strand frage ich dann ein paar angelnde marokkanische Jungs, ob man hier übernachten darf…sie sagen, es wäre kein Problem und einer von ihnen ruft dann tatsächlich noch jemanden an, um das bestätigen zu lassen, total nett.
Also übernachten wir direkt unten am Plage Blanche, sind dann doch entschädigt für den Tag und fallen abends vor neun in einen komatösen Tiefschlaf 🤣.
Am nächsten Morgen wollen wir alle zusammen weiter die Küste rauf - laut Guidebook und meinem Reiseführer ist das nur mit einer Piste im Schwierigkeitsgrad 4-5 (also utopisch für uns) möglich, aber in den Online-Karten ist eine Straße eingezeichnet, so dass wir das testen wollen, statt einen 120km Umweg zu nehmen…umdrehen - das wissen wir ja nun - können wir immer noch.
Gespannt fahren wir los und kommen durch eine tolle Küstenlandschaft auf einer perfekt asphaltierten Straße mit kaum Verkehr bis zu der Stelle, wo eine marode Brücke sein soll, die völlig intakt ist - links und rechts von der Straße sehen wir Teile der Offroad-Piste, die wirklich krass sind.
Wir halten später an einem schönen Café und erfahren, dass die Straße vor 2 Jahren fertig gestellt wurde …sauber recherchiert ist was anderes, aber wir werden die Info einfach an die Autoren weitergeben 🤓.
An dem Café ist unten ein fast leerer Traumstrand und wir springen in die Wellen des Atlantik…herrlich. Natürlich erst nach dem wir mal wieder ein leckeres Berber-Omelette und den obligatorischen O-Saft genossen haben.
Danach machen wir uns auf nach Sidi Ifni, etwas einkaufen und Martín und Christine wollen noch die Stadt anschauen. Wir verabreden uns nicht, sondern wollen uns später nochmal schreiben, wo wir jeweils gelandet sind.
Der Strand von Legzira soll eines der Highlights der gesamten Küstenstrecke sein; ein Strand mit blutroten Felsen, die Bögen bilden. Das schönste Felsentor ist leider im Herbst 2016 zusammengebrochen, aber der Rest ist immer noch so sehenswert, dass es zu den schönsten Felsformationen im ganzen Land gehört.
Der Weg runter zum Strand hat einzelne hässliche Hotelbauten und wir fahren auf einen Parkplatz zu…von dem uns Christine und Martín entgegenkommen 🤣.
Sie berichten von einem völlig überfüllten, engen Platz und wir beschließen, auf eine Klippe in der Nähe zu fahren, weil Basti dort ein Auto gesehen hat.
Wir finden im zweiten Versuch die schmale Einfahrt auf eine Piste und fahren auf einen traumhaften Ausblick zu. Dort steht nur das Auto eines angelnden Einheimischen und wir halten an, steigen aus und stehen nah bei dem Felsbogen, völlig ruhig, Blick auf die Küste und sind total begeistert.
Basti stellt dann noch fest, dass er hier mit Glück morgen den Gleitschirm nutzen kann und wir trinken einen Wein über den Klippen…besser geht es nicht.
Nach einer ruhigen Nacht mit Meeresrauschen fahren wir dann noch weiter auf den Bogen vor - das Foto muss einfach sein 🙈 - und wandern zum Strand runter.
Christine und Martín gehen noch eine Runde mit uns ins Wasser und müssen dann weiterziehen, weil sie nach Agadir müssen, um die Kinder von Christine abzuholen, die für 2 Wochen dazu kommen.
Wir verabschieden uns und sind auch hier sehr dankbar für die schöne Begegnung auf dieser Reise. Es war total spannend mit den beiden, weil sie unglaublich weit und viel gereist sind und zudem hatte Christine (als Erzieherin) einen total guten Draht zu Mia und total Spaß daran, mit ihr Zeit zu verbringen.
Wir entscheiden, noch eine Nacht zu bleiben; weil es so schön ist und Basti noch auf eine Gleitschirm-Session hofft …leider ohne Erfolg, aber der nächste Gleitschirm-Spot ist eh unser Ziel 🤪.
Am Abend kommt ein Einheimischer vom Angeln bei uns am Auto vorbei, mit dem wir vorher ein paar nette Worte gewechselt haben.
Er erklärt uns, dass er heute nur einen Fisch gefangen hat, weil das Wasser heute durch die Strömung zu kalt war - dann besteht er darauf, uns diesen Fisch (den er sogar für uns ausgenommen hat) zu schenken und verabschiedet sich herzlich…unglaublich.
Basti holt sofort den Grill raus und freut sich total 🤣.