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Poco a poco

Veröffentlicht: 25.11.2021

Okay es geht weiter. Wir haben Montag, den 22. November 2021. Ich wache auf. Kein Wecker, der mich aus dem Schlaf reißt, sondern ein ausgeschlafen Sein, das mich langsam munter werden lässt. Noch bevor der Dusch-Marathon der benachbarten Zimmergäste nebenan losgeht, hab ich Zeit für mich. Nicht für das Ziel. Ich bewege mich in meinem Zimmer ausgiebig. Es ist gerade so viel Platz, dass genügend Sonnengrüße hineinpassen. 

Dann ersuche ich mir unten in der Küche Material und bereite mir einen Kaffee. Ich setze mich wieder auf mein Bett und schreibe meinen Blog über die letzten Tage. Der Dusch-Marathon nebenan läuft kontinuierlich bis das Fenster sich öffnet und ich ins Bad schlüpfe. Dann weiter schreiben. Das braucht Zeit bis zum Mittag und so packe ich meine Sachen erst zusammen, als Michael gerade hineinschaut. Er sei davon ausgegangen, dass ich schon auf und davon sei. Das ist erst 10 Minuten später der Fall. Davor frage ich noch Michael, ob er vielleicht einen Segel-Yachtbesitzer als Freund in Gibraltar hat, der zufällig demnächst auf die Kanaren will. Er winkt lachend ab. Er glaubt auch nicht, dass momentan sonst jemand in die Richtung segelt. Ich lass ihn das glauben und mache mich weiter auf meinen eigenen Weg. 

Dieser führt mich zum Busbahnhof von Algeciras über die Berge auf die andere Seite der Bucht  - La Línea de la Concepción. Wenig lebendig, etwas verlassen zur Siesta-Zeit geht mein Weg direkt zur Grenze nach Gibraltar: Englisches Territorium im mediterranen Ambiente auf einem gigantischen Felsen. Die Passkontrolle, der Weg über den Hangar der Royal Air Force, koloniale Befestigungsanlagen, blasse Engländer*innen und Fish’n’Chips. Irgendwie hatte ich gar keine Ahnung, dass Gibraltar mich so wenig inspirieren würde. Aber das muss es ja auch nicht, sondern erstmal eine in Pfund bezahlbare Herberge für mich bieten, damit ich von hier aus zum Beispiel die feine Queensquay-Marina nach einem schicken Böötchen für mich absuchen kann. Emili’s Youth Hostel ist das einzige, was ich mir leisten kann. Dieses  versprüht eher den Charme einer heruntergekommenen Langzeit-Reha für verlorene Seelen aus den 80ern - und so riecht es sie auch. Das quietschige Doppelstockbett wird erstmal für zwei Nächte mein Nachtlager sein. Außer mir wohnt noch ein weiterer Mensch in dem Zimmer. Sein Kleiderschrank ist wohl auf sein Bett gekippt und hat sich aufgelöst. So erscheint zumindest sein Bett. Ihn werde ich die Tage nicht zu Gesicht bekommen. 

Grenzübergang nach Gibraltar
¡Hola! ¿Ingles?

Es dämmert jetzt schon fast. Ich erinnere mich, dass einer der Couchsurfing-Angefragten neben den Hostel-Vorschlägen vor allem die “bushes near to Alcaidesa Marina” erwähnte, wo wohl die Yachthiker in La Línea nächtigen. Wenn, dort die Stadt bekannten Yachthiker schlafen, dann wird die Marina ja vielleicht was her geben. Ich entschließe mich den angerissenen Abend für einen 40 minütigen Spaziergang zurück nach Spanien zu eben dieser Marina zu nutzen. 

Als ich diese betrete, erspähe ich zwei Backpacker die gerade im Begriff sind die Marina zu verlassen. Ich spurte zu ihnen und frage sie, ob sie ein Boot zu den Kanaren suchen. Ihre groß werdenden Augen versprühen Hoffnung. Aber vielleicht ist es auch meine Hoffnung die ich darin sehe, denn Arthur und Kristof aus Polen haben heute bereits ein Segelboot gefunden, das sie mitnehmen wird. Wir tauschen uns aus und ich merke, wie mir die Freude von den Füßen bis in die Ohren wackelt. Endlich ein Ort, an dem ich fündig werden kann! Das gelobte Yachthiker Land! 

It’s our Djungle!

Wir gehen gemeinsam zu den Bushes - La Selva oder djungle wie sie den Hain aus Palmen direkt neben der Marina nennen. Dort haben die beiden vor 5 Tagen ihre Zelte aufgeschlagen und sind so schon immer morgens früh auf der Marina gewesen. Vor dem Duschhäusschen für die Segelnden ist morgens wohl eine besonders gute Zeit, um mit einem Schild Präsenz zu zeigen. Außerdem haben die beiden, wie auch noch andere, einen ausgedruckten Aushang mit Foto neben dem Eingang der Marina platziert. Präsenz und etwas Geduld - das ist wohl das Erfolgsrezept an dieser Marina.

Matzek kommt noch aus seiner Hängematte dazu. Er ist schon zwei Monaten hier. Er lacht und redet viel und geht die Sache entspannt an. Ihn scheint es nicht zu stören, dass er schon einige Yachthiker-Generationen in La Línea überdauert. Es wird schon noch kommen und ihn finden. Davon scheint Matzek überzeugt zu sein. Wir tauschen uns bei ein paar Bier und Glimmstängel über die Erfahrungen, Strategien und Lebenspläne aus. Ich bin ganz ergriffen eine Gemeinschaft vorzufinden, die mein Vorhaben teilt und sich unterstützt. Ich nehme mir vor übermorgen auch in den sumpfigen Dschungel zu ziehen. Das spart kosten, bietet sozialen Rückhalt und einen kurzen Weg zur Arbeit. Perfekt!

Morgen also einen kleinen Werbeaushang mit Foto erstellen und ausdrucken sowie eine Hängematte und Tarp organisieren - das kann ich auch auf meiner weiteren Reise noch gut gebrauchen. Ich hab das Gefühl, dass sich die Dinge fügen werden und morgen ein guter Tag wird. Ich verabschiede mich von den Jungs bis morgen und schlendere bei Nieselregen zurück zu meinem Unterschlupf.

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