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Spät, aber vom Herzen - Baltikum + Polen

Veröffentlicht: 06.11.2021

Ja ja - laaaaaange überfällig und die Versprechungen, der Bericht gehe raus bevor die Reise weitergeht, haben wir auch nicht eingehalten. Hupsi. Aber wir wollen natürlich keine Lücken hinterlassen. Deswegen alle noch mal einen kurzen Blick in den Finnlandbericht werfen, damit wir euch wieder abholen können und weiter gehts...


Estland

Wo waren wir denn eigentlich stehengeblieben? Ahja - Abfahrt in Helsinki. Die absolut überdimensionierte, eher einem Kreuzfahrtschiff gleichende Fähre fährt ein, wir stellen unsere Red Rocket ab, ziehen diesmal ganz bewusst ganz doll die Handbremse und schauen wieder, wo wir mit Fiete hin müssen. Anders als auf der letzten Fähre, gibt es diesmal einen furchtbaren Zwingerraum. Keine Option für uns Fiete hier 2 1/2 Stunden alleine zu lassen. Also leisten wir ihm Gesellschaft und nehmen von dem umfangreichen Angebot (Cafés, Restaurants, Burger King, Shopping Mall, Casino, etc.) auf der Fähre nichts in Anspruch.

Angekommen in Tallinn, finden wir, dank Park4Night, wieder einen guten Stellplatz - 2€ für 24h und nur 5 Gehminuten in die Altstadt. Geht klar!

Das Wetter spielt mit, also schlendern wir sofort los. Tallinn hat wohl die best erhaltenste mittelalterliche Altstadt & das wird auch sofort ersichtlich. So soooo schön!

Wir haben Hunger und endlich können wir uns das Essengehen auch mal wieder leisten! Manchmal gelingt es uns aber leider das Essen so lang vor uns her zu schieben, dass wir eigentlich nur noch unzufrieden sind und kein Restaurant der Welt es uns recht machen kann. Die Karte zu fleischlastig, zu schickimicki, zu sehr am Tourihotspot… Mit kritisch hungriger Stimmung beschließen wir dann doch einfach am Sprinter zu essen - Nudeln gehen immer! Ein Laden in einem Hinterhof sah aber doch ganz nett aus, wir geben dem ganzen eine Chance und werden nicht enttäuscht! Gemütliche Studentenkneipenatmosphäre, überschaubare Karte - perfekt bei eh schon unentschlossenen Hungrigen! Zwei Typen neben uns spielen Schach - scheint hier voll das Ding zu sein, auch im Café am nächsten Tag sitzen zwei Frauen wieder vor einem Schachbrett. Am nächsten Tag ist leider so gar nichts mehr von dem guten Wetter des Vortages übrig . 100% Dauerregen und auch die nächsten Tage sollen nicht so pralle werden. Wir sind unsicher, welche Route wir wählen sollen. An der Küste entlang oder doch durchs Landesinnere?! Wir entscheiden uns fürs Landesinnere, fahren noch etwas außerhalb von Tallinn zu einem Wasserfall. Bei dem Weg raus aus der Stadt, bekommen wir plötzlich auch die volle Ladung Ostblockcharme zu sehen und zu spüren. Die Straßen, Teile davon sogar Autobahnen, sind katastrophal und ein Hochhausblock jagt den Nächsten.

Der Wasserfall ist weniger beeindrucken, gilt jedoch als der breiteste Wasserfall in Estland. Die Anlage rundherum ist ganz nett, sodass wir noch einen ausgiebigen Spaziergang machen. Auch das Toben mit Fiete kommt nicht zu kurz, wobei ihm leider seine eine Seitenkralle einreißt, aber nicht abfällt. Details ersparen wir euch, wir entschließen uns aber vorsichtshalber einmal nach Tallinn zurück zum Tierarzt zu fahren. Kurze und schmerzhafte Angelegenheit - wir haben Fiete noch nie so schreien hören, der arme kleine Pups. Ein paar Tage schonen und Schühchen tragen. Lässt er zum Glück alles mit sich machen.

Wieder in Tallinn und mit Aussicht auf besseres Wetter, beschließen wir nun doch lieber in Richtung Ostsee weiterzufahren und wir werden nicht enttäuscht. Bei Haapsalu stellen wir uns für eine Nacht auf einen kleinen Familiengeführten Campingplatz, freuen uns mal wieder über eine warme Dusche & erkunden am nächsten Tag die kleine Stadt.

Unsere letzte Station in Estland ist ein Traum! Kurz vor der Grenze zu Lettland erstreckt sich ein langes Waldgebiet, welches offiziell kostenlos zum Wildcampen einlädt. Unzählige Plätze mit Sitzgelegenheiten und Feuerstellen und nur 2 Schritte zum Strand. Kaum zu glauben, dass dieser Ort so wenig besucht ist. Tagsüber haben wir den langen Sandstrand fast für uns alleine. Abends machen wir Feuer, einen Abend direkt am Strand und beobachten dabei unzählige Sternschnuppen. Hatten wir schon mal erwähnt, dass es das Leben wohl gut mit uns meint?! 


Lettland

Wir verlassen unseren schönen Stellplatz in Estland und schwups, sind wir auch schon über der Grenze - schneller als wir uns anmelden konnten. Coronabedingt muss man sich im Baltikum in jedem Land vor der Einreise online registrieren. Wir holen das ordnungsgemäß schnell nach.

Die baltischen Länder sind alle nicht besonders groß, sodass wir uns auch in Lettland vermutlich nicht ewig aufhalten werden. Wir suchen uns ein paar Ziele raus, als erstes geht’s nach Cēsis. Süßer kleiner Ort mit richtig schöner Parkanlage und einer alten Burg. Nicht zum ewig verweilen aber nett! Wir lassen in der Sonne auf einer Parkbank etwas die Seele baumeln und beobachten das Treiben. Wie sich herausstellt, findet gerade ein Einschulungsfest statt. Am 1. September beginnt in Lettland in den meisten Bildungseinrichtungen das neue Schuljahr.

Weiter gehts Richtung Riga, wir schlafen noch eine nach etwas außerhalb. Beim Zähneputzen kommt im Dunklen noch ein Auto an. O-Ton Maja: “Sieht aus wie die Müllabfuhr…mit Paderborner Kennzeichen”. Ist mir natürlich auch klar, dass es nicht die Müllabfuhr sein kann. Am nächsten Morgen, bei Tageslicht, können wir dann auch sehen worum es sich handelt. Ein riesiges Schiff von Expeditionsmobil, mit zusätzlicher, hydraulischer Laderampe hinten drauf für Motorrad & Fahrräder.

15 Tonnen schwer. Wir kommen mit den Paderbornern ins Gespräch, outen uns als Bielefelder (unser Kennzeichen verrät es ja nicht) und dürfen uns selbstverständlich den gängigen Spruch anhören: “Bielefeld gibts doch gar nicht!” Ha Ha! Aber spannend wie unterschiedlich man doch so Reisen kann.

Riga ist, wie erwartet auch wunderschön mit den vielen Bauten im Jugendstil. Was man sich sehr gut vorstellen kann und worauf wir auch gleich von zwei Frauen hingewiesen werden, ist das rege Nachtleben und eine hervorragende Kneipenszene. Davon bekommen wir aber nichts mehr mit, wir fahren zum Abend schon wieder raus aus der Stadt. Trotz toller Eindrücke führt für meinen Geschmack Tallinn im Vergleich, Jannis sieht’s etwas neutraler.

In Lettland machen wir noch eine Tour durchs Moorgebiet im Kemeri Nationalpark. Atemberaubende Natur mal wieder!

Und zum krönenden Abschluss besuchen wir noch eine Herde Wildpferde! Halbwild um genau zu sein. Laut Infotafel sind die ursprünglich Wildpferde dort ausgestorben und das Land wurde für die Landwirtschaft entsprechend verändert. Das sei Anfang 2000 jedoch rückgängig gemacht worden und man habe dort wieder 20 Wildpferde ausgesetzt. Heute besteht die Herde aus knapp 200 Tieren, ohne menschliche Eingriffe. Schön!


Litauen

Rüber nach Litauen, auch hier registrieren wir uns wieder online. Als erstes besuchen wir eine Pilgerstädte, den Kreuzhügel. Weniger aus religiösem Interesse, mehr weil es auf dem Weg liegt und als “Sehenswürdigkeit” beschrieben wurde. Und joar - beeindruckend ist es irgendwie, fast schon etwas gruselig! Hunderttausende von Kreuzen. An manchen Ecken entsteht fast schon eher der Eindruck einer Müllhalde.

Was uns auch in Litauen nicht enttäuscht ist die Hauptstadt - Vilnius. Zugegeben, wir mussten kurz googeln was denn eigentlich Litauens Hauptstadt ist. Leider ist die Stadt brechend voll. Wir sind an einem Sonntag dort und es scheint auch irgendwas loszusein. Was genau ließ sich irgendwie nicht konkret herausfinden. Aber durch die Stadt zieht sich eine Straßen mit unzähligen Ständen. Es war jedoch so voll, dass uns 1. Coronabedingt und 2. mit Fiete nicht so wohl war durch die Menschenmenge zu gehen. Wir setzen uns in ein Restaurant, müssen zum zweiten mal auf der Reise unseren Impfpass vorzeigen und essen einige nationale Gerichte, wovon uns nur die kalte Rotebeetesuppe so richtig begeistert. Bei der Rechnung waren wir uns erst nicht sicher, ob die stimmt. 14€ für 3 Gerichte und Getränke. Wir würden definitiv wiederkommen!

Wir schlendern noch ein wenig durch die Stadt, gehen hoch auf die Burg. Von oben betrachtet wird ersichtlich, wie unfassbar viele Kirchen die Stadt hat. In einem Reiseführer lesen wir, dass einige davon leer stehen und als Basketballplätze umfunktioniert werden. Gute Idee! Wir sind schwer beeindruckt von Vilnius!

Am nächsten Tag besuchen wir zum Abschluss noch ein Wasserschloss und Kaunas. 

Danach lassen wir auch schon das Baltikum hinter uns und können abschließend sagen, dass sich eine Reise dorthin definitiv lohnt. Eine mit Sicherheit unterschätze Region!


Polen

Angekommen in Polen bekommen wir als erstes mal so gar keinen Vorzeigeort zu sehen. Rieeesen Plattenbauten soweit das Auge reicht. Aber ein großer Kaufland, von dem wir uns erhoffen eine lokale SIM-Karte zu bekommen. In einem Lotto-Totto - ähnlichen Laden werden wir fündig. Jannis fragt den Mitarbeiter freundlich, ob er Englisch oder Deutsch spreche. Die etwas pampige Gegenfrage lautet, ob Jannis Russisch spreche. Leider nein, leider gar nicht. Dass vorallem auf dem Dorf nicht oder nur schlecht Englisch gesprochen wird, ist uns auch schon im Baltikum aufgefallen. Naja. Mit Händen und Füßen gelingt die Verständigung trotzdem immer irgendwie und wir fahren mit SIM-Karte für Polen weiter. 5€ für … ach, wissen wir auch nicht mehr so recht. Aber auf jeden Fall mal wieder zum neidisch werden, wenn man auf die deutschen Preise guckt!

Die masurische Seenplatte hält natürlich ein paar traumhafte Stellplätze für die nächsten Tage für uns bereit. Frei stehen - kein Problem! An einem See kommen immer mal wieder einheimische zum Baden vorbei, die freundlich grüßen!

Wir machen einen kurzen Stopp im ehemaligen Allenstein, heutiges Olsztyn. Kleiner, aber richtig schöner Ort mit gutem Cappuccino! Lernt man richtig zu schätzen, wenn man unterwegs sonst nur den Kaffe aus der French Press trinkt.

Nicht weit ab von unserer Route liegt das ehemalige Hauptquartier Hitlers - die Wolfsschanze. Super interessant! Wir machen das volle Touriprogramm mit und lassen uns mit einem Audioguide durch die Anlage führen, Fiete darf auch mit. Die Wolfsschanze ist in einem Wald gelegen, von Bäumen umgeben. Das Gelände wurde damals mit Carmonflagenetzen abgedeckt, damit es aus der Luft nicht ersichtlich war. Man sieht noch die alten Zugschienen, welche direkt bis nach Berlin führten - Hitlers bevorzugtes Transportmittel. Wir sind fasziniert und erschrocken von den dicken Bunkern, welche zum Teil noch ziemlich gut erhalten sind. Bis zu 7m dicke Stahlbetonwände lassen die Gebäude riesig aussehen. Innen drin ist dann aber gar nicht so viel Platz. Auch das Staufenberg Attentat vom 20. Juli 1944 hat seine Spuren hinterlassen. Wirklich spannend und plötzlich wird einem die deutsche Geschichte noch mal bewusster. Stolz kann man nicht drauf sein, aber dafür sind wir stolz auf Fiete, der noch mal ordentlich an Hitlers Bunker pinkelt. Klasse Hund! Etwas makaber empfinden wir den Souvenirshop, in dem Tassen mit Hitler & co. drauf, Handgranaten und sonstiges nachgestelltes Kriegsmaterial verkauft werden. Aber gut. Wer mal in der Nähe ist - absolut einen Besuch wert!

Was auch einen Besuch wert ist und von uns 10 von 10 Punkten bekommt, ist die Stadt Danzig. Wir parken zentral, weil wir auch mal wieder Wäsche waschen müssen, und schlendern durch die Stadt. So unfassbar schön! Zwar das meiste wohl nicht mehr Original, weil im 2. Weltkrieg alles weggebombt wurde. Aber es wurde mit viel Mühe wieder aufgebaut. Wir sind uns einig - einer der schönsten Städte die wir je gesehen haben! Und dazu auch preislich ziemlich attraktiv. Wir gehen abends essen, sitzen direkt am Wasser und zahlen 25€ für 2 Pizzen und 2 Getränke. Da kann man nicht meckern! Wer also Lust auf einen schönen und günstigen Städtetrip hat - ab nach Danzig!

Noch am Abend fahren wir etwa eine Stunde raus aus Danzig, weil wir nämlich verabredet sind! Elli und Mario sind auch gerade mit ihrem ausgebauten Van unterwegs. Die beiden sind einige Wochen nach uns gestartet und haben sich auch in Skandinavien rumgetrieben. Haben aber eine etwas andere Route als wir und sind dann mit der Fähre bis nach Polen und haben uns somit eingeholt! Die beiden sind auch ganz glücklich, dass man sich Bier endlich wieder leisten kann und damit stoßen wir auch direkt auf unser Treffen an. Wir verbringen noch den Abend und nächsten Vormittag zusammen - gequatscht wird natürlich hauptsächlich über unsere Vans, die Herausforderungen des Ausbaus und die Reisehighlights. Schön war’s und vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja noch mal irgendwo. Die beiden sind auch noch eine Weile unterwegs.

Wir verbringen noch ein paar Tage an der polnischen Ostsee, die auch traumhaft schöne Strände bereit hält. Leider spielt das Wetter nicht mehr so ganz mit, was uns aber natürlich nicht abhält trotzdem ins Meer zu hüpfen. Irgendwie macht in den Wellen rumtollen auch als Erwachsene/r noch immer ziemlich viel Spaß!


Und dann sind wir auch "schon wieder" in Deutschland. 

Auf dem Weg nach Berlin, um Freunde zu besuchen, halten wir noch im kleinen Ort Namens Zerpenschleuse. Hier hatte mein Opa mal ein Haus und ich war als Kind öfter dort - zuletzt allerdings vielleicht mit 12 Jahren. Seither hat sich im Ort ein bisschen was getan. Ein Supermarkt, befestigte Straßen, ein Cafe - das gab es früher alles noch nicht! Ein richtig süßes Örtchen heute und das ehemalige Haus von Opa hab ich dann auch irgendwann wiedergefunden - das Haus liegt direkt an einem Kanal! Komisch, wie man so Kleinigkeiten als Kind gar nicht zu schätzen weiß. Wir verbringen eine Nacht in Zerpenschleuse und fahren morgens weiter zu unseren Freunden, welche in einem Berliner Vorort leben. Ein schönes Wiedersehen und Kennenlernen von ihrem kleinen, frischgebackenem Sohn. Das Wochenende wird zu einem richtigen Revival. Zwei weitere Freunde aus Offenburg kommen an dem Wochenende auch noch nach Berlin! So schön! Nach 2 Tagen heißt es dann aber ab nach Hause. Die Überlegung noch einen Abstecher im Hartz zu machen verwerfen wir, wir sind gedanklich schon viel zu sehr in Bielefeld und freuen uns auf ein Wiedersehen mit unseren Familien und Freunden!

8 Länder in 3 Monaten - ca. 10. 000 km, die wir gefahren sind. Ist das wirklich alles passiert? Manchmal müssen wir uns kneifen. Wir sind so unendlich dankbar und freuen uns auf noch viel viel mehr! 

Antworten (1)

Michaela
Sonntagmorgen, ein klassischer Novembertag und dann macht man wieder einmal eine Reise mit euch. Was für ein schöner Bericht. Ich bin schon gespannt auf 🇫🇷 Frankreich und Spanien 🇪🇸…

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